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Verwirrung Sowohl die drohende e-Privacy-Verordnung als auch der Brexit sorgen derzeit für Unsicher­heit. Großbritannien wird die e-Privacy-Verordnung wahrscheinlich nicht umsetzen. Den Playern wird somit ein Expansionsumfeld geschaffen.

Redaktion 29.03.2019

Gefährliche Gelassenheit

iab Europe-Geschäftsführerin Townsend Feehan warnt vor der e-Privacy-Verordnung und den Folgen des Brexit für den Digitalstandort.

WIEN. Der Brexit kommt – wie, wann, wo, unter welchen Bedingungen und warum eigentlich, weiß niemand so genau. Aber er kommt. Mindestens so viel Unsicherheit wie der Brexit bietet die kommende e-Privacy-Verhandlung.

Die Geschäftsführerin des Internet Advertising Bureau Europe (iab), Townsend Feehan, kommentierte die Gefahren der e-Privacy-Verordnung und die Folgen des Brexit für den europäischen Digitalstandort.
Zu den Erfolgen der österreichischen Bundesregierung im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft meint sie, dass der Dialog der Digitalwirtschaft mit der Politik auf nationaler Ebene unerlässlich sei und Österreich hier ein Vorzeigeland ist.
Als europäische Dachorganisation ermutigt das IAB Europe seine nationalen Tochterorganisationen, den politischen Dialog zur ePrivacy-Verordnung auf nationaler Ebene intensiv zu führen. In Sachen ePrivacy-Verordnung verortet sie eine Diskussionsmüdigkeit nach der jahrelangen Diskussion um die Datenschutzgrundverordnung.

Benachteiligungen

Die unter dem österreichischen EU-Ratsvorsitz gestrichene Gatekeeper-Klausel (Artikel 10) ist noch immer das Kernanliegen bei der Verhandlung über die ePrivacy-Verordnung. Durch den neuen Erwägungsgrund (20a) wurde die Gatekeeper-Idee wiederbelebt.

Sie würde weiterhin den Digitalstandort Europa im globalen Wettbewerb benachteiligen. Das Whitelisting durch die Browser würde die überwiegend amerikanischen Hersteller zusätzlich stärken: Durch ihre Marktmacht hätten sie die Möglichkeit, Content-Anbietern strenge Regeln aufzuerlegen und ihre eigenen Spielregeln am Markt zu erstellen, ist man beim iab austria überzeugt.
„Es ist bedauerlich, dass sich die liberalen Parteien auf europäischer Ebene nicht stärker für Informationsvielfalt, Medienpluralismus und freien Zugang zu Inhalten im Internet einsetzen. Die Medien befinden sich in einem rasanten Transformationsprozess zu Digitalunternehmen. Die ePrivacy-Verordnung kann das Problem der Medienkonzentration weiter fördern. In diesem Zusammenhang wird konsumentenseitiger Datenschutz leider oft über eine demokratische Grundsäule gestellt”, analysiert Feehan.

Geld oder Daten

Die ePrivacy-Verordnung wird wahrscheinlich dazu führen, dass der Zugang zu Inhalten in Netz nicht mehr uneingeschränkt frei ist. Der überwiegende Anteil der Medienanbieter finanziert seine Inhalte und den Journalismus durch Werbung. Künftig werden User vor der Entscheidung stehen, ob sie für werbefreie Inhalte mit Geld bezahlen oder die Ausspielung gezielter Werbung für den kostenfreien Zugang in Kauf nehmen.

Der digitale Brexit

Die Auswirkungen des Brexits auf die europäische Digitalwirtschaft sind noch nicht in ihrer gesamten Tragweite absehbar. Großbritannien hat zwar die EU-DSGVO umgesetzt, jedoch gibt es kein Abkommen, das den Datenaustausch nach dem Brexit regelt und vergleichbar mit dem „Privacy Shield” zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union wäre.

Schon jetzt haben zahlreiche international aktive Mediaagenturen ihre europäischen Büros für programmatische Werbung in London angesiedelt. Feehan warnt vor den Problemen, die im Datenaustausch über den Ärmelkanal entstehen können.
Das Vereinigte Königreich wird die ePrivacy-Richtlinie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht umsetzen, da sie den nationalen Markt schädigen würde, wodurch es zur Wettbewerbsungleichheit kommen kann. Zusätzlich bietet der Brexit Google, Facebook, Amazon und Co. ein wunderbares Expansions-Umfeld, um größere Einheiten in London außerhalb des regulierten europäischen Markts zu eröffnen.
Die nicht so strengen Regulierungen in Großbritannien werden voraussichtlich expandierende Digitalunternehmen aus der Union abziehen, da sie hier ein besseres Geschäftsumfeld vorfinden und nicht so streng reguliert sind – insbesondere, wenn ihre Wachstumsmärkte geografisch außerhalb der EU liegen. Dadurch kommt es zu einer weiteren Schwächung der europäischen Digitalwirtschaft. (gs)

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