WIEN / MOUNTAIN VIEW. Am Freitag hat der Musterprozess gegen einen abgemahnten Unternehmer in der Causa Google Fonts begonnen. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die Nutzung von Schriften, die von einem Google-Server abgerufen werden, datenschutzkonform ist oder ob dabei datenschutzwidrig die IP-Adresse des Webseitenbesuchers an Google übermittelt wird. Prozessbeteiligt sind neben einem Friseur aus Amstetten die Google Ireland Ltd.
In der heutigen ersten Tagsatzung vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien wurde nach zweistündiger Verhandlung zur Aufnahme weiterer Beweise vertagt. Das teilte der Anwalt des beklagten Friseurs am Freitag nach der Verhandlung schriftlich mit. Demnach ist die nächste Verhandlung für den 12. September 2023 angesetzt. Die Klägerin konnte krankheitsbedingt nicht an der heutigen Verhandlung teilnehmen, sie wird beim nächsten Termin einvernommen.
Beim heutigen Termin wurde zum einen klargestellt, dass die Klägerin ein IT-Unternehmen damit beauftragt hat, die Datenschutz-Verletzung im Hintergrund zur Beweissicherung zu dokumentieren. Weiters wurde die Zahl der versendeten Abmahnschreiben festgestellt. Demnach wurden im Juli des vergangenen Jahres rund 520 solcher Schreiben verschickt, im August waren es dann 32.000 Abmahnungen.
Der niederösterreichische Rechtsanwalt Marcus Hohenecker hatte im vergangenen Jahr mehrere zehntausend Abmahnungen an Webseitenbetreiber verschickt, die Google Fonts, also von Google bereitgestellte Schriften, verwendet hatten. Eine Mandantin Hoheneckers sah darin laut ihrem Anwalt einen Kontrollverlust über ihre Daten, weil ihre IP-Adresse beim Abruf der Schriften an das US-Unternehmen übermittelt wurde und machte einen Gefühlsschaden geltend. Hohenecker forderte 190 Euro pro Schreiben. Nachdem ein Friseur aus Amstetten den Betrag nicht bezahlte, klagte Hoheneckers Mandantin ihn auf Schadenersatz und Unterlassung. Die Wirtschaftskammer übernimmt die Anwaltskosten des beklagten Unternehmers im Musterprozess.
Unstrittig ist, dass die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA ohne Einwilligung grundsätzlich gegen die DSGVO verstößt. Die Anwälte, die die betroffenen Webseitenbetreiber vertreten, argumentieren aber, dass Hoheneckers Mandantin gar keinen Gefühlsschaden erlitten haben könne, da es unrealistisch sei, dass sie so viele Webseiten selbst aufgerufen habe. Vermutet wird, dass ein Programm gezielt dafür eingesetzt wurde, das Internet nach entsprechenden Webseiten zu durchsuchen.
Zuletzt habe ein Zeuge, nämlich der beauftragte IT-Unternehmer, gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) die Verwendung einer Software für die Abmahnungen bestätigt. Hohenecker bestritt dies vehement, da aus der Zeugenaussage nicht hervorgehe, dass ein Programm verwendet wurde, sondern lediglich der Webbrowser Mozilla Firefox. Zudem sei die Datenschutzverletzung tatsächlich erfolgt.
Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ermittelte im Zusammenhang mit der Abmahnwelle gegen Hohenecker wegen gewerbsmäßiger Erpressung und schweren gewerbsmäßigen Betrugs. Im Jänner übergab die Staatsanwaltschaft den Fall an die WKStA. Die WKStA ist zuständig, wenn der Schaden eines Delikts 5 Mio. Euro übersteigt oder der Vorsatz auf eine entsprechende Summe gerichtet ist. Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung. (red)