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Eva Müller-Axmann

Redaktion 08.03.2024

Große Hürden am Weg zur grünen Zukunft

RecycleMe-Geschäftsführerin Eva Müller-Axmann über die ­Herausforderungen rund um die neue EU-Verpackungsverordnung.

••• Von Britta Biron

Über das Ziel der Europäischen Verpackungsverordnung PPWR (Packaging and Packaging Waste Regulation) herrscht weitgehend Konsens, bei der Frage, wie Verpackungen umweltfreundlicher und ressorcenschonender werden können, scheiden sich aber die Geister. Erst vor wenigen Tagen hat ein Rechtsgutachten ergeben, dass die geplanten Sonderregeln für Kunststoffverpackungen und Ausnahmen für andere Materialien sehr wahrscheinlich nicht mit dem EU-Recht vereinbar sind. Im Gespräch mit medianet erläutert Eva Müller-Axmann, Geschäftsführerin des Kreislaufberatungsunternehmens RecyleMe, die wesentlichen Änderungen, die sich durch die Verordnung ergeben.

medianet: Was sind die größten Herausforderungen – einerseits für Verpackungshersteller und andererseits für deren Kunden?
Eva Müller-Axmann: Für Verpackungshersteller ist es die Umstellung auf umweltfreundlichere Materialien und Designs, um den Anforderungen der neuen Verordnung gerecht zu werden. Das erfordert zum Teil auch Investitionen in F&E, um neue, nachhaltige Verpackungslösungen zu entwickeln und gleichzeitig die Funktionalität und Sicherheit der verpackten Produkte zu gewährleisten. Insbesondere für solche, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, kann das fordernd werden. Hinzu kommt, dass den Konsumentinnen und Konsumenten Mehrwegverpackungen angeboten werden müssen, die wiederum auf der Verbraucherseite auch angenommen werden müssen.

Tritt die neue Regelung in Kraft, werden viele Verpackungen, wie wir sie heute kennen, nicht mehr erlaubt sein. Viele Unternehmen müssen sich auf wesentliche Änderungen bei ihren Verpackungen einstellen, insbesondere im Bereich Fast Moving Consumer Goods, Gastronomie und Hotellerie.

medianet: Können Sie ein Beispiel nennen?
Müller-Axmann: Konkret geht es um Einwegprodukte und Kleinstverpackungen. Einwegverpackungen für frisches Obst und Gemüse mit einem Gewicht unter 1,5 kg dürfen, abgesehen von definierten Ausnahmen, ab 2025 nicht mehr verkauft werden. Obst und Gemüse könnte ab dann praktisch nur mehr offen angeboten werden.

Hersteller müssen sich zusätzlich auch auf mehr Verbraucherschutz auf EU-Ebene einstellen. Mit der geplanten Green Claims-Richtlinie sollen zukünftig nachhaltige Kaufentscheidungen ermöglicht und Greenwashing beendet werden. So sollen zum Beispiel freiwillige Umweltaussagen wie ‚Verpackung zu 30% aus recyceltem Kunststoff' nicht mehr ohne unabhängige Prüfung und wissenschaftlichem Beleg erlaubt werden.

medianet: Kritik an der PPWR gibt es sowohl aus Richtung der Papier- als auch der Kunststoffindustrie. Beide Seiten sehen die jeweils andere bevorzugt. Wie schätzen Sie das ein?
Müller-Axmann: Die Papierindustrie sieht zum Beispiel Transportverpackungen aus Wellpappe als gleichwertig an im Vergleich zu Mehrwegverpackungen und fordert für Mehrwegquoten zusätzliche Ausnahmen, die sich auf Ökobilanzen stützen. Die Bedenken vonseiten der Kunststoffindustrie gehen vor allem in Richtung Diskriminierung von Kunststoffverpackungen, die sich nicht mit dem EU-Recht vereinbaren lassen. Es ist daher wichtig, dass die EU-Kommission und die nationalen Regierungen eng mit der Industrie zusammenarbeiten, um Lösungen zu finden, die sowohl die Umweltziele als auch die Bedürfnisse der Industrie berücksichtigen.

In der Papier- als auch Kunststoffindustrie wird es für jedes Unternehmen generell wichtig, zu wissen, welche Verpackungsmaterialien verwendet werden und wie diese abschneiden. Alle dafür notwendigen Verpackungsstammdaten zu erfassen, regelmäßig zu überprüfen und stets aktuell zu halten, zählt zu den großen Herausforderungen, die auf Unternehmen zukommen werden.

Hier ist vernetztes Wissen gefragt, und zwar seitens der Verpackungshersteller als auch derer, die die verpackte Ware auf den Markt bringen. Leider ist das in der Praxis oft nicht so leicht zu bewältigen, wie es in der Theorie klingt. Viele Informationen über die benutzte Verpackung existieren schlichtweg nicht und müssen nach allen relevanten Vorgaben genau analysiert und in einer Datenbank erfasst werden. Bereits bei der Gestaltung der Verpackung sollte darauf geachtet werden, dass das Design den neuen Anforderungen entspricht – Stichwort Design for Recycling. Darauf steuern wir seit Jahren zu und sensibilisieren auch unsere Kundinnen und Kunden auf das Thema.


medianet:
Wesentlicher Faktor für höhere Recyclingquoten sind Sammelsysteme und die entsprechende Akzeptanz durch die Verbraucher. Sind beide Faktoren in ausreichendem Maß vorhanden bzw. wo gibt es noch Nachholbedarf?
Müller-Axmann: Ab dem Jahr 2025 müssen mindestens 50 Prozent der Kunststoffverpackungsabfälle recycelt werden, um die Vorgaben der EU zu erfüllen. Aktuell sieht es nicht so aus, als ob wir das schaffen würden. Denn derzeit wird nur jede vierte Verpackung einem qualitativ hochwertigen Recycling zugeführt. Damit verfehlt Österreich nicht nur seine Umweltziele, sondern riskiert auch mögliche Strafzahlungen in Millionenhöhe. Ein Grund sind die mangelnden Investitionen in die abfallwirtschaftliche Infrastruktur in den letzten 30 Jahren. Deshalb sind wir zum Beispiel auch bei den Sortierkapazitäten komplett am Limit.

Außerdem können laut einer Studie des Verbandes der Österreichischen Entsorgungsbetriebe noch viele Menschen unter 30 Jahren beim Thema Mülltrennung besser abgeholt werden. Obwohl eine nachhaltige Lebensweise für viele junge Menschen einen hohen Stellenwert hat, gibt es bei der Verpackungssammlung noch viel Luft nach oben. Wir versuchen, mit der App RecycleMich diese Lücke zu schließen und den Nutzerinnen und Nutzern noch bessere und einfache, verständliche Anweisungen zur Mülltrennung am Point of Recycling zu geben. Der Wurf in die richtige Tonne bleibt entscheidend. Denn nur, wenn wir die Verpackungen in der richtigen Tonne entsorgen, können diese Wertstoffe hochwertig recycelt und als Verpackung wiederverwendet werden.
Neben der PPWR kommen auf Unternehmen noch viele weitere Herausforderungen zu, darunter das Lieferkettengesetz, die Ökodesign-Richtlinie, die EAG-Richtlinie und ganz aktuell für Österreich das Pfand auf Einweg-Getränkeverpackungen ab 2025.

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