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sabine bretschneider 28.06.2019

Heimat großer Schwiegersöhne

Früher war nicht alles besser. Aber heute sollte doch eigentlich alles besser sein. Oder?

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

ZEITRAFFER. Eine Kurzanalyse: Seit einiger Zeit ist Österreich nicht mehr so, wie es einst war. Sicher, stabil, gemütlich, das war einmal. Seit 2007 die Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre beschlossen wurde, halten die Koalitionspakte rund zwei Jahre, Tendenz sinkend. Auch die Prognosen für die nächste Regierung weisen wegen wechselseitiger Abneigungsbekundungen der politischen Akteure auf den nächsten politischen Schnelldurchlauf hin.

Was waren das für Zeiten, als auf höchster Regierungsebene über eine maßgeschneiderte Nation Brand für die Alpenrepublik diskutiert wurde. Als erwogen wurde, den berühmten „Wiener Charme” als Weltkulturerbe schützen zu lassen. In Wien Ansässige fragten sich zwar, ob ein Hackl-hinterm-Rücken-Weitwurf und die etwas sperrige Servicementalität tatsächlich schützenswert seien – und ein paar Jahre später positionierten wir uns in einem Expat-Ranking als Vizeweltmeister im Wettbewerb der unfreundlichsten Städte der Welt. Aber dennoch: Allein die Tatsache, dass Träger hoher politischer Ämter den Kopf frei genug hatten, um über den Relaunch der Mozartkugel oder die korrekte Personenbeschreibung eines Kellners im „Landtmann” nachzudenken, ist im Rückblick irgendwie befreiend.
Heute stellen wir uns andere Fragen: Wie lange es etwa noch dauern wird, bis die Alpenrepublik so weit nach rechts gerutscht ist, dass sie sich links außen wieder anstellen muss. Was passieren muss, bis wir uns tatsächlich damit beschäftigen, Schnitzelland auf seine schwierige Zukunft vorzubereiten. Wann die Tatsache, dass Nationalratswahlen keine Castingshow sind, sich wieder Gehör verschafft.
Was sich seit 2007 nicht geändert hat? ­Armut ist immer noch weiblich, Niedriglöhne, Mindestpension und unentgeltliche Kinder­betreuung auch. Aber es stimmt schon: Sexy sind diese Themen nicht. Und österreichische Frauen wählen Schwiegersöhne, keine ­Spezialisten für Gender Diversity.

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