WIEN. „Bei der Planung unserer Veranstaltung hatten wir keine Ahnung, wie punktgenau wir mit unserem Thema sein werden, nämlich der Frage, ob das Ende personalisierter Werbung kommt. Schließlich ist in den Medien aktuell viel zu lesen zum Thema Cookies und anderen Trackingmethoden“, so ISPA-Präsident Harald Kapper bei seiner Begrüßung zum ISPA-Forum 2021 Anfang Mai, welches erneut als reine Online-Veranstaltung abgehalten wurde.
Auf EU-Ebene wird rund um den Digital Services Act (DSA), den Digital Markets Act (DMA) und die E-Privacy-Verordnung zurzeit der Einsatz von Targeting-Technologien hinterfragt und diskutiert. Damit rüttelt die EU am Geschäftsmodell der personalisierten Werbung. Mit Max Schrems (None of Your Business), Christoph Tagger (Factor Eleven), Veronika Treitl (Wirtschaftsuniversität Wien) und Tiemo Wölken (Abgeordneter zum Europaparlament) sowie Moderatorin Miriam Schröder (Der Tagesspiegel) konnte die ISPA Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Medien sowie Politik und Interessenvertretung für einen spannenden Austausch gewinnen.
Lebhafte Diskussion
Nach kurzen Inputs von Tagger und Treitl zu den Fragen, was ein Cookie eigentlich genau macht und wie der Status quo der Regulierung von Cookies und personalisierter Werbung auf EU-Ebene ist, entwickelte sich eine lebhafte Diskussion unter Einbeziehung von Fragen aus dem Publikum. Treitl legte zu Beginn nahe, die Frage, ob eine Kommerzialisierung von persönlichen Daten auf jeden Fall verboten oder jedenfalls erlaubt sein soll, nicht mit rein datenschutzrechtlichen Scheuklappen zu betrachten. Sie beschrieb treffend das grundrechtliche Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und unternehmerischer Freiheit mit der Datenverarbeitung als Zankapfel in der Mitte.
Schattenkopien unseres Selbst
Wölken beschrieb den Entscheidungsprozess im Europäischen Parlament, als erstes Parlament weltweit für ein generelles Verbot personalisierter Werbung einzutreten. Aus seiner Sicht werden beim Sammeln von Daten Schattenkopien unseres Selbst angelegt. Dies führe dazu, dass Unternehmen unsere Interessen bis ins kleinste Detail kennen und wir letztendlich dadurch manipuliert werden, auch durch die Verbreitung von Desinformation. Dies wolle man nun durch DSA und DMA verhindern. Die Ausgestaltung von Cookie-Bannern beschäftigt auch None of Your Business. „Wir wollen die Einwilligung von Userinnen und Usern und damit die Aufgabe des Grundrechts wieder in eine relativ geordnete Bahn bringen“, so Schrems.
Hohe Komplexität
„Bei diesem Thema kommen rechtliche, wirtschaftliche und technische Fragen zusammen und in der breiten Bevölkerung ist wenig darüber bekannt“, fasste der Werber Tagger die Komplexität des Themas zusammen. Er führte ins Feld, dass eine Einschränkung der Werbemöglichkeiten auch den Erfolg der werbenden Unternehmen schmälern wird. Er stellte die grundsätzliche gesellschaftliche Frage, wie man jetzt werbefinanzierte Inhalte auch anders finanzieren könnte.
Einigkeit herrschte darüber, dass die Diskussion über die Entwicklung von Trackingtechnologien, welche nach wie vor gute Ergebnisse erzielen, ohne dabei einzelne Menschen zu verfolgen, weiter Fahrt aufnehmen wird in nächster Zeit.
Ausblick 2030
Gefragt nach einem Ausblick, welche Situation wir 2030 vorfinden und ob Third Party Cookies dann verboten sein werden, gingen die Prognosen wieder weiter auseinander. „Ich würde mir wünschen, es gäbe sie nicht mehr“, positionierte sich Europaparlamentarier Wölken klar. „Als Aktivist bin ich auch Optimist. Wir werden 2030 intelligentere Lösungen haben“, stellte Schrems in den Raum.
Treitl bezeichnete sich selbst als Realistin und prophezeite „neue Geschäftsmodelle, aber die gleichen Fragen. Wir könnten uns dann eigentlich wieder zusammenfinden“. Tagger spannte in seinem Ausblick den Bogen zur wirtschaftlichen Pandemiebewältigung: „Der Bedarf nach wirksamer Werbung wird steigen und möglicherweise auch der Anteil personalisierter Werbung. Wir werden einen Kompromiss finden müssen.“
Das letzte Wort blieb Schröder mit der Präsentation einer Umfrage unter dem ISPA-Publikum vorbehalten. Ob Third Party Cookies 2030 verboten sein werden, beantworteten 45,7% der Befragten mit der Antwortoption ‚It’s complicated‘. Das wird es wohl tatsächlich noch eine Weile bleiben. (red)
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