WIEN. Das Handelsgericht Wien hat nun kürzlich die Klage in einer ersten Instanz abgewiesen – ein Etappensieg für Fahrnberger und ein „wichtiger Beleg dafür, dass es keinerlei Einschüchterungsversuche für kritische Medienbeobachtung geben darf“, so Rubina Möhring, die Präsidentin von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich.
Der „Tweet des Anstoßes“, der den Boulevard-Journalisten und früheren Chefredakteur von krone.at, Richard Schmitt, zu einer Klage von Helge Fahrnberger, Mitarbeiter beim Medien-Watch-Blog Kobuk.at und Unternehmer, veranlasste, lautete: „Wenn Richard Schmitt was schreibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht stimmt, recht hoch. Wenn’s um Verkehr geht, steigt sie gegen 100%.“ Hintergrund ist ein Bericht in der Kronen Zeitung zur Verkehrstotenstatistik. Im richterlichen Erst-Urteil heißt es dazu, dass der „durchschnittlich verständige Leser der Kronen Zeitung den Eindruck“ gewinne, die erwähnten „elf Verkehrstoten seien auf Unfälle von Fußgängern mit Fahrrädern zurückzuführen. Der Satz davor und der Satz danach handeln ausdrücklich von Radfahrern, nur der entscheidende Satz dazwischen nicht. Nur bei besonders sorgfältigem Lesen und Kenntnis der Verkehrstotenstatistik könnte auffallen, dass der mittlere Satz einen Themenbruch darstellt. Eine derartige Aufmerksamkeit kann dem durchschnittlichen Konsumenten dieses Boulevardmediums nicht unterstellt werden, der von ihm wahrgenommene Inhalt ist falsch.“ Das Handelsgericht Wien hat als Erstinstanz die Klage Schmitts abgewiesen. „Er (Anm.: Richard Schmitt) muss, wenn das erstinstanzliche Urteil bestätigt wird, meine Anwaltskosten ersetzen sowie für die Gerichtskosten und seine eigenen Anwaltskosten aufkommen, in Summe sind das etwa 10.000 Euro“, so Helge Fahrnberger von Kobuk.at, dem Medien-Watch-Blog von Studierenden der Lehrveranstaltung „Multi-Media-Journalismus“ am Publizistik-Institut der Uni Wien. Der Richter habe sein Urteil „im Wesentlichen damit“ begründet, „dass durchschnittliche User meinen Tweet als Äußerung einer negativen Meinung über Schmitt verstehen. Für durchschnittliche Leser sei leicht erkennbar, dass es sich um eine stilistische Übertreibung zwecks persönlicher Kritik an den Publikationen von Richard Schmitt handelt. Der Tweet ist durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt", erläutert Fahrnberger.
„Dieses erstinstanzliche Urteil ist ein wichtiger Beleg dafür, dass es keinerlei Einschüchterungsversuche für kritische Medienbeobachtung wie jene durch den Blog Kobuk.at geben darf“, sagt Rubina Möhring, die Präsidentin von „Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich“. „Gerade, wenn der Verdacht im Raum steht, dass einflussreiche und reichweitenstarke Boulevardmedien fälschliche Informationen verbreiten, braucht es ein Korrektiv wie solche Blogs, die auf tendenziöse und bedenkliche Berichte hinweisen.“ Für eine Berufung gegen das Urteil hat Schmitt noch bis zum 29. September 2020 Zeit. Fahrnberger geht davon aus, dass es eine Berufung geben wird. "Dass innerhalb weniger Tage eine Spendensumme von 11.215 Euro zusammengekommen ist, damit ich mich gegen die Einschüchterungsklage zur Wehr setzen kann, ist eine wunderbare Welle der Solidarität”, so Helge Fahrnberger. (red)