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Redaktion 14.05.2021

Kommunizierende Gefäße

Am 10. August wird die neue ORF-Führung gewählt; dabei gilt es auch die ­Ebenen darunter zu berücksichtigen – ein freies Spiel der Kräfte der anderen Art.

••• Von Dinko Fejzui

WIEN. Offiziell wird am 10. August zunächst genau eine Person gewählt: Der oder die neue ORF-Generaldirektor/in – und erst dann wird die Managementcrew darunter gewählt.

In Wahrheit muss aber zu diesem Zeitpunkt bereits ein Personalpaket vorliegen, das mehrere Management­ebenen nach unten reicht. Nicht nur die Direktoren, sondern auch die Landesdirektoren, eventuell bis hin zum Führungspersonal des neuen multimedialen Newsrooms. Und da wollen viele das alte Spiel spielen: Wenn Person A der einen Fraktion in der einen Ebene einen Posten bekommt, muss eine Person B aus einer anderen Interessengruppe ebenfalls einen wichtigen Posten erhalten.

Da die ÖVP derzeit mit den ihr zugeordneten Stiftungsräten erstmals seit Langem eine Mehrheit hat, könnte sie, beziehungsweise der Kanzler, den neuen ORF-Generaldirektor im Alleingang bestimmen. Aber so einfach ist das auch innerhalb der ÖVP nicht. So wird beispielsweise auf der Ebene darunter kein Kandidat gegen den Willen des jeweiligen Landeshauptmanns Landesdirektor. Und trotz der ÖVP-Mehrheit in Stiftungsrat werden auch die Grünen ihre Interessen anmelden.

Die große Frage, die über allem schwebt, ist aber: Bleibt Alexander Wrabetz, der dann in seine vierte Amtszeit gehen würde, weiterhin ORF-Chef? Für ihn sprechen sein bisheriger Track-Record, die Quoten im Pandemie-Jahr 2020, und auch der ORF selbst gilt in puncto Corona-Management als Vor­zeige-Medienbetrieb in Europa. Auch weiß die ÖVP, was sie von Wrabetz erwarten kann und wo seine roten Linien sind. Vor allem aber, wie es ein ORF-Insider ausdrückte: „Mit jedem neuen ÖBAG-Chat über die Postenschacher der Regierung, der auftaucht, stiegen die Chancen von Alexander Wrabetz, wiedergewählt zu werden, denn alles andere ist ein für alle gut sichtbarer Griff nach Posten” – ein öffentliches Bild, welches Kanzler Kurz wiederholt sinkende Umfragewerte bescheren könnte.

Was ist bei Neuwahlen?

Doch nicht alle sind sich so sicher. Andere mit der Sache Vertraute gehen davon aus, dass Sebastian Kurz bis zur letzten Minute zuwarten wird und am Ende kurz vor der Wahl entscheidet, einen ihm genehmen Kandidaten an der ORF-Spitze zu installieren.

Eins ist jedenfalls sicher: Ist abzusehen, dass die Türkis-Grüne Koalition, die derzeit wieder etwas runder zu laufen scheint, vor oder rund um den 10. August warum auch immer zerbricht, wird die ÖVP auf jeden Fall bei der Wahl diesen Sommer ihre Mehrheit im Stiftungsrat nutzen und einen eigenen Kandidaten auf den ORF-Chefposten hieven.

Denn würde man Wrabetz in einer politisch dann volatilen Periode zum ORF-Generaldirektor wählen, und es käme danach zu vorzeitigen Nationalratswahlen, die dann mit einem für die ÖVP nicht ganz günstigen Ausgang endeten, könnte die ÖVP aufgrund des Beschickungsmodus der ORF-Gremien ihre Mehrheit dort dann verlieren und hätte damit keine Möglichkeit mehr, Wrabetz danach abzuberufen und durch einen ihr genehmen Medienmanager zu tauschen.

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