Gastkommentar ••• Von Martin Andree
KÖLN. Die Medien waren immer die Grundlage unserer Demokratie – sie erzeugen die Öffentlichkeit und den Kitt des gemeinsamen Verständnisses, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Durch die Digitalisierung und den Vormarsch des Web 2.0 sollte diese Öffentlichkeit sogar noch verbessert, die Mitbestimmung der Bürger gesteigert werden.
Aber in den letzten Jahren zeigt sich die dunkle Seite dieser Entwicklung: Die digitale Öffentlichkeit wird von wenigen Monopolisten kontrolliert. Diese nutzen zur Maximierung der Aufmerksamkeit Algorithmen, die Hass, Häme und Hetze sogar belohnen – weswegen innerhalb der Plattform-Monopole die Öffentlichkeit systematisch zersplittert und zerstört wird.
„Ein riesiger Friedhof”
Ebenso werden die redaktionellen Medien zerstört. Weil die analogen Geschäftsmodelle wegbrechen, können die Redaktionen in Zukunft nur digital überleben. Aber dort haben sie kaum eine Chance. Unsere Messungen zeigen: Die digitale Vielfalt aus vielen Millionen Domains und Apps ist eine Fata Morgana.
In der Realität der Nutzung geht der Traffic hauptsächlich in monopolistische Plattformen – der Rest des Internets ist ein riesiger Friedhof. Big Tech hat das freie Netz abgeschafft – durch Netzwerkeffekte, geschlossene Standards, Killer-Akquisitionen und Monopolmissbrauch. Die Lobbyisten der Big Five haben eine digital-feudalistische Fehlregulierung geschaffen, welche die Monopole überhaupt erst hervorgebracht und unangreifbar gemacht hat. Freier und fairer Marktzugang existieren nicht mehr. Durch dieselben Mechanismen, die unsere Demokratie zerstören, werden zugleich auch die Wirtschaft und die Unternehmen immer abhängiger von den Plattformen.
Dabei wäre es leicht, die digitalen Medien zu öffnen und das Netz zu befreien. Journalistische Inhalte, Redaktionen, Blogger hätten wieder eine Chance. Ein konkretes Maßnahmenpaket zeigt: Wenn wir wollten, könnten wir das Netz befreien und die Demokratie retten.
Martin Andree ist Professor für Medienwissenschaft mit Schwerpunkt auf digitalen Medien an der Universität zu Köln. Soeben erschien sein letztes Buch, „Big Tech muss weg! Die Digitalkonzerne zerstören Demokratie und Wirtschaft – wir werden sie stoppen” (Campus). Er ist Verfasser von sechs weiteren Büchern, unter anderem des viel beachteten „Atlas der digitalen Welt”. Sein Studium absolvierte er in Köln, Münster, Cambridge und Harvard.