••• Von Christian Novacek
Die Spar-Gruppe blickt auf ein bewegtes, letzten Endes aber auch irgendwie sensationelles Jahr 2020 zurück: Der Umsatzsprung um 16,5% im Lebensmittelhandel in Österreich war deutlich über dem Marktwachstum von zehn Prozent und ging mit dem erstmaligen Erlangen der Marktführerschaft einher.
Spar-Vorstandssprecher Fritz Poppmeier spricht im großen medianet-Interview über den Anspruch, der mit der Rolle des Marktführers einhergeht, und darüber, wie sich Handelstrends durch die Coronakrise gewandelt haben – und wie man als Händler darauf reagieren muss.
medianet: 2020 war ein außergewöhnliches Handelsjahr – wie war es aus der Spar-Perspektive?
Fritz Poppmeier: Es ist uns sehr gut gelungen, die Nahversorgung und damit ein Stück Normalität aufrechtzuerhalten. Um diese Normalität aufrechtzu-erhalten, war allerdings neben einem hohen Einsatz unserer Mitarbeitenden sehr viel Geld notwendig, speziell für Investitionen in Sicherheits- und Hygienemaßnahmen. Aber für uns kam nie ein anderer Weg infrage, weil das oberste Gebot die Sicherheit der Kunden und der Mitarbeitenden ist.
medianet: Letztlich hat sich das rasche Reagieren auf die Krise aber gelohnt.
Poppmeier: Ja, da dürfen wir uns freuen: Nach zehn Jahren Wachstumsführerschaft haben wir 2020 die Marktführerschaft geschafft. Fix ist, dass wir die halten und ausbauen wollen. Ob es uns gelingt, das ist jeden Tag eine Herausforderung. Wir sind aber sehr gut motiviert, wir haben gute Leute und wir haben das Kundenvertrauen. Das ist eine super Basis, und selbstverständlich lautet unser Anspruch: Wir haben das jetzt geschafft und das wollen wir bleiben: Marktführer!
medianet: Ein Megatrend, der durch Corona befeuert wurde, ist der Onlinehandel. Wie steht Spar dazu?
Poppmeier: Grundsätzlich ist es so: Wenn sich die Gewohnheiten der Menschen ändern, muss der Handel immer reagieren. Und die Krise führt sicher dazu, dass das Thema Onlinehandel stärker wird. Die Krise beschleunigt Dinge. Aber ich glaube nicht, dass Onlinehandel gerade bei den Lebensmitteln bedeutet, dass jetzt alles in Richtung online geht. Online sehen wir mehr als gute Ergänzung.
medianet: Eine Ergänzung mit wie viel Potenzial in Prozent am Gesamterlös?
Poppmeier: Der Onlineumsatz bewegt sich nach wie vor im niedrigen einstelligen Bereich im Vergleich zum Gesamtumsatz – eine klassische Ergänzung zum stationären Handel.
medianet: Was wird denn besonders gern gekauft im Interspar-Onlineshop?
Poppmeier: Jene, die sich fürs Onlineshopping entscheiden, kaufen eigentlich alles, denn bei uns stehen 20.000 Artikel zur Wahl. Ganz stark geht Tiefkühlware, und super gelaufen ist die Weinwelt. Aber Online-Food-Handel ist kein Geschäft, es ist vielmehr eine Dienstleistung, welche die Kundschaft von der Nummer 1 im LEH erwartet.
medianet: Gibt es Pläne, im E-Commerce einmal flächendeckend zu agieren?
Poppmeier: Wir konzentrieren uns auf Wien inklusive Mödling, auf Salzburg inklusive Hallein – da funktioniert’s auch super, wird von den Kunden sehr gut bewertet und angenommen. Aber wir weiten das im Moment nicht weiter aus, weil die letzte Meile eben sehr teuer ist. Wir sind bei über 100 Euro Durchschnittseinkauf, und obwohl das so ist, ist es kein Geschäft.
medianet: In dem Kontext wäre vielleicht anzuführen, dass stationäre Supermärkte in Österreich ohnedies nicht gerade rar gesät sind.
Poppmeier: Ja, und ich sage: Seien wir froh, dass wir in Österreich so eine tolle Ladenstruktur haben, und auch sehr viele kleinere Gemeinden über attraktive Lebensmittelgeschäfte verfügen. Schließlich geht es gerade bei Lebensmitteln um Einkaufen mit allen Sinnen und das ist nur im stationären Geschäft möglich.
medianet: Und wie spiegelt sich diese Ihre Sicht im stationären Geschäft wider?
Poppmeier: Zum Beispiel sehe ich, dass bei uns das Thema Frische überproportional wächst.
medianet: Gerade da hätte ich gemeint, dass die schmalen Sortimente bei Obst & Gemüse im Diskonter stärker punkten?
Poppmeier: Das ist ein Blickwinkel: Man hat ein schmales Sortiment und sagt, das wird sich schnell drehen und wenn es aus ist, ist es eben aus und daher ist es frisch. Aber ich glaube, das hat sich in der Zwischenzeit gewandelt. Wir bieten den Kunden den ganzen Tag lang ein vielfältiges Frischeangebot. Dafür haben wir auch unsere Logistik entsprechend angepasst. Wenn Sie vor einer Spar-Feinkostabteilung stehen und das Sortiment anschauen und dann auch noch eine kompetente Beratung bekommen – dann ist das im Moment in meinen Augen das Top-Erlebnis, das Sie in Sachen Frische in einem österreichischen Supermarkt haben können.
medianet: Ein Trend, der sich 2020 verstärkt hat, ist jener hin zu Bio und bewusster Ernährung. Wie war hier die Entsprechung bei Spar?
Poppmeier: Ich würde sogar sagen, das ist ein Megatrend. Wenn ich mich bewusster ernähre, mich ein bissel mehr bewege, dann geht es mir sofort besser. Nicht nur, dass ich Hoffnung habe, wie man so schön sagt, dass ich gesund alt werde, nein, es geht mir sofort besser! Die Entsprechung sehen Sie anhand der Zuwachsraten unserer Biomarke Spar Natur*pur mit einem Umsatzplus von 28 Prozent oder Spar Premium mit plus 25 Prozent.
medianet: Ihr Mitbewerber hat die Bio-Marken breiter gefächert, um Bio erschwinglicher zu machen. Ist bei Spar eine zweite, preisgünstigere Bio-Eigenmarke vorstellbar?
Poppmeier: Nein, gar nicht! Wir waren von Anfang an der Meinung bei Natur*pur, das muss eine Topqualität sein und es muss auch unter dem Bio-Etikett leistbar sein. Deshalb deckt Spar Natur*pur beides ab und ist eine Erfolgsgeschichte – wir haben über 600 Mio. Euro Natur*pur-Umsätze im letzten Jahr gemacht und sind, denke ich, mit Abstand Bio-Marktführer.
medianet: Vor dem Hintergrund des Bio-Wachstums – wie sehen Sie Ihre Zusammenarbeit mit den Bauern?
Poppmeier: Unsere Partnerschaft mit österreichischen Bauern ist ganz wichtig für uns – es ist eine der Wurzeln unseres Erfolges und es ist auch wesentlicher Baustein unserer Zukunft.
medianet: Wie passen da die Demonstrationen der Bauern gegen Spar ins Bild?
Poppmeier: Das schmerzt uns, aber wir sehen das mehr der Gesamtsituation geschuldet. Es ist nun mal so, dass der Lebensmittelhandel als Reibebaum für viele Probleme verwendet wird, die ganz woanders begründet sind.
medianet: Kommen wir zum unangenehmen Aspekt der Krise, den Rückgängen bei Hervis und in den Einkaufszentren.
Poppmeier: Wenn sie nicht gerade geschlossen waren, haben unsere Einkaufszentren gut abgeschnitten. Aber es fehlt uns die Gastronomie in den Centern, denn: die Gastronomie bringt die Aufenthaltsdauer und -qualität. Auch bei Hervis ist es, wenn er geöffnet war, sehr gut gelaufen. Wir haben bei Hervis die Zeit genutzt, um uns ein wenig neu zu erfinden – in Richtung mehr Sport-Kompetenz und Beratung, mit reduziertem Modeanteil.
medianet: Glauben Sie, dass jetzt gegen Ende der Krise noch die große Pleitewelle kommt?
Poppmeier: Ich glaube, dass sie kommt. Aber in Österreich hat der Staat die Wirtschaft mehr unterstützt als anderswo und ich hoffe daher, dass es bei uns besser laufen wird. Mittelfristig wird es entscheidend sein, dass es uns gelingt, den Leistungswillen und die Leistungsbereitschaft wieder hochzubringen. Es ist doch durch die Krise das ganze Land entschleunigt worden. Wir stehen aber mitten im Wettbewerb und da musst du das Tempo wieder erhöhen.
medianet: Abschließende Frage: Wie sehen Sie Ihre Zusammenarbeit mit der Industrie?
Poppmeier: Wir lieben es ja, tolle Markenartikel zu verkaufen. Die Zusammenarbeit mit unseren Partner-Lieferanten läuft sehr gut. Dass es natürlich immer wieder herausfordernde Gespräche gibt, erstens zum Thema Innovation und zweitens zum Thema Kondition, ist normal.