••• Von Dinko Fejzuli/Elisabeth Schmoller-Schmidbauer
ORF-Content boomt auch am internationalen Markt – das zeigte sich kürzlich wieder auf der Mipcom in Cannes, wo große Nachfrage nach den neuen ORF-Formaten herrschte. Entsprechend zufrieden zeigte sich auch ORF Enterprise-CEO Oliver Böhm.
Gegenüber medianet meint er in einem Statement: „Der ORF-Enterprise ist die internationale Repräsentation der österreichischen Kreativwirtschaft ein Herzensanliegen. Gerade für einen klein dimensionierten Medienmarkt wie Österreich ist die länderübergreifende Zusammenarbeit spielentscheidend. Die Kosten für die Herstellung hochwertiger Inhalte stehen in keiner Relation zur Größe des Heimmarktes – umso wichtiger ist eine tragfähige Zusammenarbeit zwischen Produktionsfirmen, Sender und Vertrieb auf Augenhöhe.”
Aus einer wirtschaftlichen Perspektive spiele eine erfolgreiche Vertriebsarbeit daher eine gewichtige Rolle als zusätzliche Einnahmequelle für bereits fertiggestellte, ausfinanzierte Produktionen, so Böhm.
Und er ergänzt: „Die Content-Vermarktung ist zudem im Falle von Vorabverkäufen ein wichtiger Puzzlestein, um hochwertige, international konkurrenzfähige Inhalte überhaupt erst zu ermöglichen. Der öffentlich-rechtliche ORF nimmt hier gemeinsam mit der ORF-Enterprise seine Verantwortung sehr ernst, grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiterzuentwickeln und damit seinen Beitrag zur Stärkung der heimischen Film- und Produktionsszene zu leisten.”
Neben konkret bezifferbaren Effekten, respektive Lizenzerlösen, sei aber auch „die weltweite Sichtbarkeit von Inhalten aus dem Portfolio der ORF-Enterprise nicht zu unterschätzen. Wir erreichen durch unsere Präsenz auf wesentlichen Marktplätzen Entscheidungsträger, die sich schon einmal als höchst interessante Kooperationspartner für künftige Produktionen herausstellen”, so Böhm weiter.
medianet bat im Nachgang der für den ORF wichtigen Mipcom Armin Luttenberger, Head of Content Sales International zum Interview – über die Dauerbrenner im ORF-Portfolio, die Unterschiede zwischen Dokumentationen und fiktionalem Bereich und die Bedeutung der internationalen Content-Vermarktung für den ORF und die heimische Wirtschaft insgesamt.
medianet: Wonach gab es, neben den Dauerbrennern wie ORF-‚Universum', dieses Jahr bei der Mipcom eine besondere Nachfrage? Gibt es da vielleicht Trends, die sich ändern?
Armin Luttenberger: Der ORF ist seit Jahrzehnten für hochwertige Naturdokumentationen bekannt am Markt und hat mit ORF-‚Universum' eine Benchmark im globalen Angebot gesetzt. Was fiktionales Programm betrifft, dominierten Serien oder Blockbuster aus dem englischsprachigen Raum den Markt. Deutschsprachige Fiktion wurde lange weniger angenommen. So wurde ORF-‚Universum' zu unserer wesentlichen Säule, zunächst ORF-‚Universum-Nature' und seit etwas mehr als zehn Jahren ORF-‚Universum History'. Aus unterschiedlichen Gründen, wie zum Beispiel den US-Autorenstreiks oder Corona und den damit verbundenen Produktionsausfällen, wurden aber auch nicht-englischsprachige Inhalte im fiktionalen Bereich zunehmend nachgefragt. Damit ist auch für uns das Fiction-Segment in den vergangenen Jahren stark angewachsen. Der wirtschaftliche Lizenzierungserfolg der ORF-Enterprise verteilt sich hier mittlerweile rund zur Hälfte auf fiktionale ORF-Originals und Dokumentationen. Das ist natürlich sehr erfreulich, weil wir damit nicht mehr nur vom Erfolg eines Genres abhängig sind, sondern auch tatsächlich mehr in die Breite anbieten können. Das ist für die ORF-Enterprise sehr, sehr wichtig, aber natürlich auch ein wesentliches Asset für Österreich als Film-Standort generell.
medianet: Rückblickend auf das heurige Jahr: Was sind denn die Verkauf-Highlights? Was wird besonders nachgefragt?
Luttenberger: Im fiktionalen Bereich sind Quotenhighlightswie ‚Soko Kitzbühel', die mit der 20. Staffel geendet hat, Verkaufsschlager, die wir teilweise auf mehrere Kontinente exportieren. Gerade 2020, als die Medienanbieter durch den pandemiebedingten Produktionsrückgang händeringend nach Inhalten gesucht haben, konnten wir einen zusätzlichen Aufschwung insbesondere für Light-Crime-Formate mit vielen Episoden verbuchen. Durch diesen Trend ließ sich auch der Erfolg von ‚Schnell ermittelt' fortsetzen, das wie ‚Soko Kitzbühel' in Italien, Frankreich und Spanien ausgesprochen gut läuft.
In Frankreich feiern die Erfolge mittlerweile auch mit ‚Soko Linz' ihre Fortsetzung. Leichtere Krimis, die nicht zu spät abends ausgestrahlt werden, liegen auf vielen Märkten in der Publikumsgunst vorn und sind eine Stärke im Portfolio der ORF-Originals.
medianet: Wie ist das mit der Serie ‚Vorstadtweiber'?
Luttenberger: Die ‚Vorstadtweiber' funktionieren partiell sehr gut. Im nicht-deutschsprachigen Raum aber nicht im selben Ausmaß wie die Light-Crime-Serien. Im deutschsprachigen Raum ist die Serie ein Phänomen: Egal, wo sie hinlizenziert wird, schiebt die Serie die Quoten nach oben. Außerhalb des deutschsprachigen Raums ist das etwas kniffliger, da gibt es offensichtlich doch kulturelle Unterschiede – dort wird die Serie offensichtlich anders rezipiert oder verstanden.
medianet: Und in Asien – wird da ORF-Content nachgefragt?
Luttenberger: Es gibt Ausreißer, wie beispielsweise der ‚Winzerkönig', den wir vor Jahren nach China lizenziert haben. Und wir verkaufen auch jetzt vereinzelt Formate, die dort gut aufgenommen werden, wie beispielsweise aktuell die erste Staffel von ‚Soko Linz' an AXN in Japan. Was immer ein Renner ist, sind die ORF-‚Universum'-Naturdokus. Da gibt es keine kulturellen Barrieren.
medianet: Gibt es denn spezielle Erwartungen an TV-Produktionen aus Österreich, wie zum Beispiel die schöne Landschaft?
Luttenberger: Ich würde jetzt nicht behaupten, dass die schöne Landschaft per se der ausschlaggebende Grund ist, warum österreichische Inhalte im Ausland konsumiert und gekauft werden. Es ist aber ein sehr schöner Nebeneffekt, dass die Schönheit der Tourismusnation Österreich weltweit tatsächlich auch gesehen und wahrgenommen wird. Ausschlaggebend wird es aber vermutlich nicht sein für die Auswahl. Eine Ausnahme ist ‚Vier Frauen und ein Todesfall', das von einem japanischen Pay-TV-Sender lizenziert wurde. Da haben wir tatsächlich das Feedback bekommen, dass die Zielgruppe in Japan Personen waren, die gerne nach Europa reisen und genau aus diesem Grund von den Landschaften in der Serie angesprochen werden.
medianet: Die Natur- und History-Dokus sind international sehr erfolgreich – wodurch hebt sich der ORF hier von der Konkurrenz vor allem ab?
Luttenberger: Zum einen erzählen ORF-‚Universum-Nature' und ORF-‚Universum History' keine rein österreichischen Geschichten, sondern arbeiten meist Geschichten im europäischen Kontext auf. Zum anderen sind die ORF-‚Universum'-Formate auf einem sehr hohen Niveau produziert – oft mit internationalen Koproduktionspartnern, weil solche Produktionen sehr viel Geld kosten und der österreichische Markt und die hier aufstellbaren finanziellen Mittel alleine dafür zu klein wären.
medianet: Wie ist das im fiktionalen Bereich?
Luttenberger: Hier spielt die Originalität und Unverwechselbarkeit der Geschichten zunehmend eine Rolle. Es ist ganz klar, dass die TV-Fiktion, die in Österreich produziert wird – Ausnahmen gibt es natürlich – einfach auch aufgrund der finanziellen Ausstattung nicht auf dem Level stattfindet, wie beispielsweise bei US-amerikanischen Inhalten. Oder auch skandinavische Filme und Serien, wo für die TV-Verbreitung auch schon mit beachtlichem Aufwand produziert wird. Aber da können wir durch andere Dinge punkten, wie durch die Einzigartigkeit der Geschichte, durch Lokalkolorit, aber auch durch eine Beschreibung der Region und der Figuren. Wir lizenzieren zum Beispiel auch Inhalte in die USA, wo es einige Plattformen und Sender gibt, die auf europäische Inhalte spezialisiert sind. Dort wurden dann ‚Landkrimis' gezeigt oder auch ‚Walking on Sunshine'. Die Serie wurde dann sogar in der renommierten New York Times besprochen und empfohlen. Diese Formate haben eine ganz eigene Tonalität, für die es dort auch einen Markt gibt.
medianet: Gibt es Länder, die besonders viel und oft ORF-Formate lizenzieren?
Luttenberger: Das ist genrespezifisch sehr unterschiedlich. Die Naturdokus verkaufen sich weltweit sehr gut. Bei der Fiktion ist der europäische Markt besonders wichtig für uns. Der amerikanische Markt ist sicher insgesamt nicht mehr sehr aufnahmefähig, was die Fiktion betrifft, aber aufgrund von einzelnen Kunden, die dann eben genau dieses Genre bedienen, das wir anbieten können, dann trotzdem wieder interessant und wichtig.
medianet: Der TV-Markt hat sich sehr verändert – es gibt zahlreiche multimedialen Anbieter. Welche Auswirkungen hat das auf den Verkauf von TV-Content?
Luttenberger: Auf der einen Seite gibt es mehr Marktteilnehmer, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Auf der anderen Seite versuchen die Broadcaster, alle Zielgruppen über sämtliche Kanäle zu erreichen und nicht nur über das lineare Programm. Da wird es dann oftmals zu einer Herausforderung, die Erlöse für die Produzenten zu maximieren. Gleichzeitig wurden durch diese Entwicklung eingelernte Muster aufgebrochen, weil sich der Markt sehr viel schneller bewegt, als vor zehn bis 15 Jahren. Die Planungszyklen sind mittlerweile viel kürzer, und man muss sich ständig fragen: Was macht der Mitbewerb? Wie erreiche ich mein Publikum? Was kommt gut an und was funktioniert überhaupt nicht? Zudem kommt die immer wichtigere Frage: Was funktioniert auf welchem Kanal – im linearen Live-TV oder auf der Streaming-Plattform der Broadcaster.
medianet: Inwieweit unterscheidet sich denn die ORF-Enterprise von anderen Vertrieben?
Luttenberger: Der Vorteil bei uns ist, dass wir kein schier unendlich großes Volumen anbieten und damit auch mehr Augenmerk auf einzelne Produktionen legen können und einfach hier vor Ort sind. Wir sind präsent und pflegen mit unserem Team wertvolle Kontakte seit vielen Jahren, wofür die Programmmessen essenziell sind. Wir sind unterjährig laufend mit unseren Partnern in Kontakt und haben kurze Informationswege und gelten als verlässlicher Partner, bei dem man jederzeit anrufen kann. Durch diese Position liefern wir einen echten Mehrwert für die österreichische Produktionslandschaft: Aus den Vertriebserlösen durch die internationale Content-Vermarktung fließen Mittel wieder direkt in die Produktionsfirmen retour. Die Content-Lizenzierung trägt wesentlich zur nationalen Wertschöpfung in der Produktions- und Filmbranche bei.