WIEN. Am Donnerstag, 10. Juni 2021, findet die letzte Stiftungsratsitzung vor der ORF-Generaldirektorenwahl am 10. August statt. Dabei wird das Prozedere bis zur Wahl fixiert. Die Räte werden die Sitzung allerdings auch nutzen, um dem bisher einzigen Kandidaten für die Wahl und zugleich derzeitigem ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz ihre Anliegen näherzubringen. Die Vorbereitung des multimedialen Newsrooms ist dabei dem Leiter des bürgerlichen "Freundeskreises", Thomas Zach, besonders wichtig.
Mit 16 direkt der ÖVP zuordenbaren und zwei bis drei weiteren den Bürgerlichen nahestehenden, unabhängigen Stiftungsräten existiert derzeit eine türkise Mehrheit im obersten ORF-Aufsichtsgremium des ORF. Diese könnte über die Bestellung des nächsten Generaldirektors im Alleingang entscheiden. Die Bedenken und Anliegen des ÖVP-"Freundeskreises" dürften somit für die künftigen Bewerber um den obersten Posten im größten Medienunternehmen des Landes nicht unwesentlich sein.
Der Leiter des türkisen "Freundeskreises" sieht etwa den Status der Vorbereitungen für den multimedialen Newsroom am Küniglberg "ganz klar" als Thema der Woche. "Viele Kollegen aus dem Stiftungsrat, aber auch Redakteursvertreter haben große Sorge, dass wir nicht ausreichend vorbereitet sind und die Einbindung der Mitarbeiter nicht in einem angemessenem Umfang erfolgt", sagte Zach der APA. Es wirke so, als würden viele das Projekt noch immer als "Umzugsprojekt" sehen. Tatsächlich handle es sich aber um die "größte Veränderung des ORF in Jahrzehnten", meinte er.
Bekanntlich werden TV, Radio und Online schrittweise ab 2022 zusammengeführt. Die neue Situation für Hunderte Mitarbeiter müsse "von Anfang an bestmöglich funktionieren", meinte Zach und pochte erneut auf die Prinzipien Binnenpluralismus und Vielfalt. Überlegungen für einen zentralen Chefredakteur habe man bereits einen Riegel vorgeschoben. Doch es gehe auch um die Arbeitsweise und wie Abläufe organisiert werden. Erst daraus ergebe sich dann eine passende Führungsstruktur, wobei die Vorgabe des Stiftungsrats klar auf ein Team abziele, so Zach. Er möchte ein Gesamtkonzept präsentiert bekommen, in dem alle aufgekommenen Sorgen beantwortet werden.
Sehr bedeutsam für den ORF sei zudem der geplante ORF-Player, der mangels gesetzlicher Rahmenbedingungen "leider noch nicht all das machen kann, was wir wollen", sagte Zach. Über all das, was bereits passieren kann, werde man aber regelmäßig informiert.
SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer will ausloten, wo Wrabetz' Schwerpunkte liegen. Von Interesse sei für seinen "Freundeskreis" etwa, auf welchem ökonomischen Fundament der ORF in den kommenden Jahren steht. Klar sei, dass es kein "weiteres Sparen um des Sparens willen" geben könne. Man sei gut durch die Coronakrise gekommen, habe aber Ausfälle im Gebührenzahlerbereich verzeichnet, so der Leiter des roten "Freundeskreises" zur APA. Lederer erwartet sich, dass Gespräche mit der Regierung über deren Refundierung geführt werden.
Zudem fordert er eine verstärkte Regionalisierung des digitalen Contents. Derzeit habe man zu wenige Kräfte für die Entwicklung digitaler Inhalte in den Landesstudios. "Hier warten wir auf gute Antworten und Analysen des Generaldirektors." Die Kandidaten für die ORF-Wahl im August sollten laut Lederer klarstellen, dass ihnen ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis auch bezüglich der zu besetzenden Direktorenposten ein Anliegen ist. Es gebe genug "tolle, inhaltlich engagierte Frauen".
Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in Führungspositionen erachtet auch Lothar Lockl, der für die Grünen im Stiftungsrat spricht, als sinnvoll. In vielen erfolgreichen Unternehmen sei das selbstverständlich. "Der ORF darf nicht hinterherhinken; das wäre beschämend", sagte Lockl der APA. Überall, wo Neubestellungen anstehen, müsste für ein ausgewogenes Verhältnis gesorgt werden. Die Ausrede, es gebe keine geeigneten Frauen, könne er nicht gelten lassen.
Zudem messe er Wrabetz, aber auch die zukünftigen Bewerber an der Stärkung des öffentlich-rechtlichen Auftrags und damit der Stärkung der Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit. Wichtig sei außerdem ein Fokus auf Digitalisierung und nicht zuletzt die Attraktivität des ORF für junge Journalisten. Das Medienunternehmen müsse die anstehenden Pensionierungen nutzen, um jüngere Mitarbeiter an sich zu binden. Dafür brauche es neue Jobbilder und neue Formen der Zusammenarbeit.
Die Wiederkandidatur von Wrabetz für den Generaldirektorposten erachtet Lockl als positiv, weil "er den ORF sehr erfolgreich über drei Perioden geführt hat". Aber man kenne die weiteren Bewerber noch nicht. Was es brauche, sei jedenfalls "Mut und Ambition nach vorne", aber auch eine "gewisse Form der Stabilität", so Lockl. Auch Lederer attestiert Wrabetz "beste Voraussetzungen". Schließlich habe er eine gute ökonomische Basis unter schwierigen Bedingungen geschaffen und ein Zukunftskonzept vorgelegt, das vom gesamten Stiftungsrat angenommen wurde. Jedoch stehe er absolut dafür, anderen eine faire Chance zu geben. Er empfiehlt potenziellen Kandidaten, sich "rasch" zu deklarieren, damit man noch "vernünftig mit ihnen sprechen" könne. Überraschende Kandidaturen Ende Juli seien für ihn jedenfalls zu spät.
Zach würde es für den ORF als gut erachten, "wenn wir nicht vorzeitig in ein Wahlkampffieber kommen". Derzeit gebe es ausreichend Themen, die bearbeitet werden müssten. Die gesetzlich geregelte Frist sieht er als geeigneten Zeitraum für Bewerbungen an. Da die Führung des größten Medienunternehmens Österreichs und damit eine wichtige Funktion ausgeschrieben wird, wären ein "Wettbewerb der besten Konzepte" und damit weitere Bewerber "mehr als wünschenswert".
Die Geschäftsführungsperiode des amtierenden ORF-Direktoriums läuft Ende 2021 aus. Spätestens ein halbes Jahr davor, also am 30. Juni, muss laut ORF-Gesetz der Posten des Generaldirektors sowohl intern als auch durch Verlautbarung im Amtsblatt der Wiener Zeitung ausgeschrieben werden. Der Ausschreibungstext dürfte für wenig Aufregung sorgen, er orientiere sich an der vergangenen Ausschreibung des Generaldirektorpostens, erklärte der Vorsitzende des Stiftungsrats, Norbert Steger, der APA. Angepasst habe man ihn lediglich dort, wo es gesetzlich nötig war.
Die Ausschreibungsfrist dauert vier Wochen. Jeder Stiftungsrat kann laut Steger Kandidaten nachnominieren. Auch genügt einem Bewerber die Stimme eines Rates, um zu einer Präsentation eingeladen zu werden. Am 10. August erfolgt die Wahl. In der darauffolgenden Stiftungsratsitzung, die diesmal am 16. September stattfinden wird, bestellen die Räte gewöhnlicherweise maximal vier zentrale Direktoren sowie neun Landesdirektoren auf Vorschlag des gewählten Generaldirektors. Mit 1. Jänner 2022 beginnt die fünfjährige Amtsperiode der neuen ORF-Geschäftsführung. (red)