••• Von Paul Christian Jezek
Disruptive Veränderungen bergen große Herausforderungen, bieten aber gleichzeitig auch enorme Chancen: Die Paper & Biorefinery Mitte Mai stand ganz im Zeichen dieses Wandels.
Turning Challenges into Chances: Unter diesem Motto, dem Perspektivenwandel von Herausforderungen zu Möglichkeiten, ging die Veranstaltung in der Messe Graz mit rund 420 Teilnehmern über die Bühne. Hochrangige Vertreter aus Wirtschaft und Forschung diskutierten dabei die künftigen gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen sowie Chancen und Risiken für die Papierindustrie im Zusammenhang mit den neuen Trends und zukünftigen Veränderungen. Der digitale Wandel sowie die Transformation der Wirtschaftsweise in eine Bioökonomie bieten große Möglichkeiten für die Branche, welche seit Jahren die biobasierte Kreislaufwirtschaft „lebt”.
Die biobasierte Gesellschaft
Der neue Präsident der Vereinigung der österreichischen Papierindustrie Christian Skilich (Mondi AG) appellierte an die Branche, die Chance der Digitalisierung zu nutzen: „Die Art, wie die Industrie arbeitet, wird sich verändern. Sie bietet uns die Möglichkeit, effizienter, besser und kundengerechter zu werden. Wer nicht auf den Zug aufspringt, wird auf der Strecke bleiben.”
In Vertretung von Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger stellte Generalsekretär Josef Plank die Pläne der Regierung im Kampf gegen den Klimawandel vor: „Die Papierindustrie ist bereits jetzt ein wichtiger Teil der Bioökonomie. Bündeln wir die Kräfte und entwickeln sie gemeinsam weiter.”
Im Economy.Forum gab Verbund-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Anzengruber einen Einblick in die Energiewirtschaft von morgen.
Joachim Schönbeck von Andritz zeigte anlagentechnische Lösungen auf, um den zukünftigen Ansprüchen in der Produktion gerecht zu werden. Marco Lucisano vom Forschungsinstitut RISE Bioeconomy erklärte, wie die Transformation von einer fossilen in eine biobasierte Gesellschaft gelingen kann.
Anhand von Sappi führte R&D Director Math Jennekens vor, welche Chancen der Wandel hin zur biobasierten Gesellschaft für die Papierindustrie bietet.
Stefanie Lindstaedt vom Institut für Wissensmanagement an der TU Graz stellte vor, wie die Papierindustrie Künstliche Intelligenz (KI) für die Produktion nützen kann. Zudem standen neben zwei Wissens.foren zu den Themen „Bioeconomy” und „Recycled Fiber” überwiegend technische Themen auf dem Programm – koordiniert vom Papierinstitut der TU Graz unter Prof. Wolfgang Bauer.
Im Rahmen der Veranstaltung wurde auch der Heinzel-Mondi-Sappi-Award vergeben:
• Melanie Mayr für „Fines Characterization and their impact on technological properties in papermaking applications”
• Marion Frey, Daniel Widner, Jana S. Segmehl, Kirstin Casdorff, Tobias Keplinger und Ingo Burgert für „Delignified and Densified Cellulose Bulk Materials”
• Alexey Khakalo für „Advanced Structures and Compositions for 3D Forming of Cellulosic Fibers”.
Steigende Umsätze
„Die Papierindustrie hat sich durch die effiziente Nutzung des Rohstoffs Holz zur Leitbranche der Bioökonomie entwickelt”, sagt Christian Skilich. Im Energiebereich gebe es noch Potenzial im Bereich Abwärme und Regelenergie, wo die Industrie als Energiepartner wichtige Beiträge für die Netzstabilität leisten könnte.
Skilich nennt aber auch die Hindernisse auf diesem Weg: „Standortnachteile in Österreich wie die hohen Energienebenkosten oder die geförderte Verbrennung von Biomasse müssen endlich ausgeräumt werden.”
Durch umbaubedingte Stillstände und die Schließung einer Papiermaschine fiel die Papierproduktion 2017 um 2,7 Prozent auf 4,9 Millionen Tonnen.
Durch die gute Konjunktur konnte allerdings ein Umsatzwachstum von 0,7 Prozent auf 4,0 Milliarden Euro erzielt werden; analog dazu sank auch der Holzeinsatz um 2,2 Prozent auf 8,6 Millionen Festmeter Holz und damit einhergehend die Zellstoffproduktion um 2,8 Prozent auf 2,1 Millionen Tonnen.
Der Altpapiereinsatz ging ebenfalls um 4,4 Prozent zurück, die Altpapierpreise liegen weiter auf hohem Niveau.
Einen starken Rückgang verzeichneten die grafischen Papiere um 6,8 Prozent auf 2,6 Millionen Tonnen. Der Spezialpapier-Sektor ging leicht um 1,7 Prozent auf 310.000 Tonnen zurück.
Hingegen entwickelt sich der Verpackungsbereich dank des boomenden Versandhandels und guter Konjunktur weiter positiv (plus 3,0 Prozent auf 2,0 Millionen Tonnen).
Die Investitionen lagen 2017 bei 222 Millionen Euro, für die Zukunft sind weitere große Projekte angekündigt, weshalb für die kommenden Jahre erneut mit einem Wachstum zu rechnen ist.
Steigende Kosten
Neben den Rohstoffen gehören Personal und Energie zu den großen Kostenblöcken.
Die Lohn- und Gehaltskosten betrugen 2017 schon 449 Millionen Euro; sie werden 2018 aufgrund der beschlossenen Kollektivvertragserhöhungen weiter steigen.
Die heimische Papierindustrie ist stark exportorientiert und steht im internationalen Wettbewerb. Insgesamt gehen 87,8 Prozent der Produktion ins Ausland.
Insbesondere bei den Energiekosten sind dafür hohe Hürden zu überwinden. Der Standortnachteil der Fabriken in diesem Bereich beträgt bereits bis zu 25 Prozent – andere Länder gewähren Industriebetrieben Entlastungen z.B. durch die Deckelung der Ökostromkosten oder die Rückvergütung der indirekten CO2-Kosten.
„In Anbetracht der von der EU angedachten Maßnahmen zur Erhöhung des CO2-Preises und der in der österreichischen Klimastrategie angedachten Festlegung eines CO2-Mindestpreises sind dringend Gegenmaßnahmen in Form einer vollständigen Kompensation der indirekten CO2-Kosten erforderlich”, fordert Cord Prinzhorn als Austropapier-Vizepräsident von der Bundesregierung.
Die Holz-Wertschöpfungskette
Die Papierindustrie produziert mittlerweile aus Holz neben Papier und Zellstoff biobasierte Produkte wie Kaugummizucker, Essigsäure oder Vanillin und aus den Reststoffen letztlich noch 1.700 Gigawattstunden Ökostrom.
Demgegenüber steht eine boomende Bioenergiebranche, die mithilfe staatlicher Unterstützung in Höhe von 212 Millionen Euro Holz verbrennt. In der neuen Klima- und Energiestrategie wird gerade im Wärmebereich Biomasse als zukünftige Alternative zu fossilen Energieträgern gesehen.
Begründet wird das mit ausreichender Verfügbarkeit und dem wachsenden Holzvorrat im österreichischen Wald. Diese Schlussfolgerung kann Christian Skilich allerdings nicht bestätigen. „Die Wertschöpfungskette Holz hat in den letzten Jahren intensive Anstrengungen zur Holzmobilisierung unternommen. Diese brachten allerdings nicht das erwartete Ergebnis von 20 bis 22 Millionen Festmetern. Steigende Holznachfrage im Inland bedeutet damit nur mehr Holzimporte sowie höhere Kohlendioxid-Emissionen.”
Die Ökostromförderung soll nun in einem österreichischen Energiegesetz ab 2020 neu gestaltet werden. Hier erwartet die Papierindustrie eine maximale Kosteneffizienz: Um jeden Fördereuro sollte möglichst viel Ökostrom erzeugt werden. Unumgänglich sei auch die Deckelung bzw. Reduktion der Fördermittel, um unerwünschte Kostenexplosionen wie in der Vergangenheit zu verhindern.
Mehr thermische Energie
Neben der Energieeigenversorgung liefert die Branche auch Ökostrom und Fernwärme ins öffentliche Netz. Die Menge entspricht dabei dem Strom und Wärmebedarf von mehr als 80.000 Haushalten. Skilich sieht im Bereich Abwärme noch Reserven: „Insbesondere im Niedertemperaturbereich gibt es enorme Potenziale, die mit Wärmepumpen sinnvoll genutzt werden könnten. Der beste Weg dazu wären Investitionsförderungen für Nah- und Fernwärmeanschlüsse. So würde die Bereitstellung von thermischer Energie aus industriellen Prozessen leichter realisierbar.”
Auch am Strommarkt kann die Papierindustrie zur Energielösung beitragen. Durch eine Öffnung des Regelenergiemarkts und Anreize bei den Energiepreisen und Netztarifen könnten Industriebetriebe ihre Kraftwerksleistungen anpassen und damit außerdem entscheidend zur Netzstabilität beitragen – eine solche Leistung wäre ganz im Sinne eines zeitgemäßen Engpassmanagements bzw. des Redispatch-Markts.