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© APA Hans Klaus Techt

Redaktion 10.10.2019

Presserat fordert verantwortungsvollere Berichterstattung zum Thema „Gewalt gegen Frauen“

Der Senat fordert die Medien auf, mit mehr Achtsamkeit und Sensibilität über Gewaltverbrechen an Frauen zu berichten und auf den Persönlichkeitsschutz der Opfer zu achten.

WIEN. Der Senat 1 des Presserats beschäftigt sich regelmäßig mit Artikeln zu Gewalt gegen Frauen, in denen Gewalttaten bis hin zu Mord verharmlosend dargestellt werden. Von den 73 Mordopfern im Jahr 2018 waren 41 weiblich. Aus aktuellem Anlass – dem fünffachen Mord in Kitzbühel – fordert der Senat die Medien auf, bei diesem Thema besonders sensibel vorzugehen.

Zunächst weist der Senat darauf hin, dass die Medien beim Thema „Gewalt gegen Frauen“ einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Bewusstseinsbildung leisten können. Bei Berichten über konkrete Gewaltverbrechen ist allerdings stets auf die Würde der Opfer zu achten. Das Leid, das die betroffenen Frauen und ihre Angehörigen erfahren, darf durch die Berichterstattung nicht vergrößert werden, etwa durch die Bekanntgabe grausamer oder intimer Details oder die Veröffentlichung von Fotos ohne Genehmigung (siehe Punkt 5.4 des Ehrenkodex für die österreichische Presse). Zudem ersucht der Senat, bestimmte in der Berichterstattung verbreitete Bezeichnungen wie „Ehe-, Beziehungs- oder Familiendrama“, „Eifersuchtsmord“ oder „erweiterter Suizid“ kritisch zu hinterfragen. Derartige Bezeichnungen sind nach Auffassung des Senats geeignet, die erlittene Gewalt zu verharmlosen. Auch dadurch wird das Leid der Opfer und Angehörigen vermehrt. Im Zusammenhang mit Gewalttaten sollte auch der Begriff „Sex“ nicht verwendet werden, da dieser eine erotische und einvernehmliche Komponente aufweist. Eine Vergewaltigung ist keine „Sextat“. Der Senat empfiehlt stattdessen den neutralen Begriff Sexualverbrechen.

Medien sollten darüber hinaus sich nicht einseitig auf die Perspektive des Täters oder dessen Anwalt konzentrieren. Eine ausgewogene Berichterstattung erfordert es, der Perspektive des Opfers ausreichend Raum zu geben, etwa durch Einholung von Statements der Angehörigen oder Opferschutzeinrichtungen. Falls das Opfer oder die Angehörigen keine Stellungnahme abgeben wollen, ist dies zu respektieren (siehe Punkt 8.2 des Ehrenkodex). In manchen Fällen kommt es auch zu einer Täter-Opfer-Umkehr bzw. zu einer ungerechtfertigten Entlastung des Täters. Dazu die folgenden Beispiele: „Sie wurde ermordet, weil sie ihm die Kinder vorenthielt; weil sie zur letzten Aussprache nicht bereit war; weil sie einen neuen Freund hatte.“

Schließlich weist der Senat auf ein besonderes Negativbeispiel hin: Ende 2018 berichtete eine Tageszeitung über einen Gewalttäter, der einen Monat lang Frauen verfolgte, um diese anzusprechen. Er habe sich dabei denkbar „ungeschickt“ angestellt und letztendlich „aus Frust“ auf eine Frau mit einer Eisenstange eingeprügelt. Die Gewalttat wurde als „missglückter Flirt“ betitelt, wenngleich die Überschrift vom betreffenden Medium später geändert wurde. Der Senat betont, dass sexuelle Belästigung und schwere Körperverletzung nichts mit „Flirten“ zu tun haben, sondern mit Gewalt und Machtausübung.

Zielführend ist es zudem, am Ende eines Artikels auf Hilfseinrichtungen für Frauen hinzuweisen (z.B. auf die Frauenhelpline unter 0800/222555, die österreichweit kostenlos erreichbar ist). (red)

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