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Dinko Fejzuli 15.04.2016

Schweigekanzler, ein ­internationales Phänomen

Wolfgang Schüssel wurde von den Medien als solcher tituliert. Aktuell finden die ­Deutschen, dass ihre Kanzlerin Merkel vor allem an den falschen Stellen schweigt.

Kommentar ••• Von Dinko Fejzuli


UNIKAT. „Wer öffentlich oder vor mehreren Leuten einen anderen beschimpft, verspottet, am Körper misshandelt oder mit einer körperlichen Misshandlung bedroht, ist, wenn er deswegen nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.”

So lautet der Paragraf 15 Österreichisches Strafgesetzbuch und regelt den Tatbestand der Beleidigung, wobei es (fast) egal ist, ob der Beleidigte Mizzi Huber oder Heinzi Fischer heißt.
„Fast” deshalb, weil im Unterschied zu einem beleidigten Bundespräsidenten die Mizzi Huber selbst entscheiden kann, ob sie sich beleidigt fühlt, und dann eben klagt oder nicht. Für den Staatsmann Fischer müsste aber die Behörde, wie es so schön heißt, „von Amts wegen” einschreiten; tut es aber in der Regel nicht.
Das Strafmaß ist übrigens das selbe, egal ob man die Mizzi Huber oder den Bundespräsidenten beleidigt. Die (theoretische) Höchststrafe ­beträgt drei Monate Haft.

Der lange Schatten des persischen Schahs

Anders sieht die Sache in Deutschland aus. Hier droht dem Satiriker und TV-Macher Jan Böhmermann wegen eines Gedichts, in dem er den türkischen Staatspräsidenten aufs Korn nimmt, im schlimmsten Fall eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren, geregelt im Paragraf 103 des deutschen Stafgesetzbuchs.

Ironie in der Sache: Im deutschen Volksmund heißt der Paragraf 103 auch „Schah-Paragraf” und zwar deshalb, weil sich das damalige Oberhaupt des Iran, der nicht gerade für seine demokratische Gesinnung bekannte Schah Reza Pahlavi, gegen öffentliche Angriffe gegen ihn in Deutschland juristisch wehrte und sich dabei immer auf diesen Paragrafen berief.
Aktuell regt sich in Deutschland immer mehr öffentlicher Unmut in der Causa Böhmermann – vor allem deshalb, weil, so finden die Kritiker, die deutsche Kanzlerin an den genau falschen Stellen in dieser Sache schweige.
Konkreter Vorwurf: Während sie aus politischer Räson zu den Schließungen von regierungskritischen Zeitungen und TV-Stationen durch den türkischen Präsidenten Erdogan geschwiegen habe, hätte sie sich als Reaktion auf die Satire von Jan Böhmermann gegen Erdogan völlig unnötig zu Wort gemeldet und, ohne Anlass und ohne dazu berufen zu sein, dafür auch noch entschuldigt.
Sie habe also an der falschen Stelle geschwiegen – genauso wie an einer zweiten falschen Stelle das Wort ergriffen.

Digitale Gegenwehr

Und genau diese Vorgangsweise scheint nicht nur Jan Böhmermann, der mittlerweile übrigens unter Polizeischutz steht, sondern auch vielen „Normalbürgern” nicht zu passen.

Eine Onlinepetition zur Unterstützung des Satirikers haben binnen weniger Tage über 170.000 Menschen unterschrieben, und es ist kein wirkliches Ruhmensblatt für die deutsche Bundes­regierung, dass ihr hier schon die EU-Kommission in Form von deren Präsidenten Juncker, wenn man ehrlich ist, korrigierend zur Seite springen muss, wenn er meint, die Causa bringe die Türken Europa nicht wirklich näher.

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