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Gianna schöneich 20.01.2017

Snapchat – stoppt die Ignoranz

Google investiert, Disney schließt ­Verträge ab. Doch ­hierzulande zeigt man sich unbeeindruckt von Snapchat.

••• Von Gianna Schöneich

 

Und wieder einmal scheint ein Trend an Österreich vorbeizugehen. „Unsere Zielgruppe nutzt diesen Kanal nicht”, „Bisher gibt es keine buchbaren Werbeformen”, lauten die Statements aus der Branche. Statistiken gibt es wenige, Snapchat hält sich bedeckt.

Fakt ist: Google hat bereits in das Unternehmen investiert, Disney unterzeichnet große Broadcast-Verträge mit dem Messenger-Dienst, dieser möchte sein Büro in Großbritannien stärken, und in den USA investieren Unternehmen mehrere Hunderttausend Dollar täglich, um sogenannte Geofilter auf Snapchat zu schalten – wir sollten über Snapchat sprechen.

In drei Jahren wird es hart

„Die bisher fehlenden Statistiken sind meiner Meinung der Grund, weshalb Snapchat für so viele Unternehmen noch uninteressant ist. Man kennt die europäische Community nicht genau. Dennoch sollte man sich als Unternehmen bewusst machen: Wer sich heute einen Snapchat-Account zulegt, wird es noch leicht haben, eine Community aufzubauen. In drei Jahren, wenn jedes Unternehmen Snapchat aktiv verwendet, wird es hart und man wird sehr tief in die Tasche greifen müssen”, erklärt Christoph Teufel im Interview mit medianet.

Übernahme des Accounts

Teufel ist Blogger, hat einen Snapchat-Account und gehört zu den „etwas aktiveren Nutzern Österreichs”. In dieser Woche reiste er nach Straßburg und übernahm den Snapchat-­Account des Europäischen Parlaments. Der Sinn hinter dem Ausflug: Teufel bringt auf diese Weise seine Community zum Account des Europäischen Parlaments.

Wer die App Snapchat auf sein Smartphone lädt und öffnet, öffnet sofort die Kamera. Es geht hier um Fotos, Videos. Man sucht Freunde, Bekannte oder Unternehmen, welchen man gern folgen möchte. Es ist möglich, privat Fotos oder Videos zu versenden; diese verschwinden ab dem Zeitpunkt, wo man sie öffnet, nach einigen Sekunden wieder. In der sogenannten Story bleibt der Content 24 Stunden erhalten und ist öffentlich.
Zu kurz? Zu lang? Eine Frage über die man streiten kann. Auf der einen Seite ist der generierte Content höchstens 24 Stunden sichtbar und verschwindet dann eben. Andererseits, erklärt Teufel: „Man hält sich die User bei der Stange, sie müssen immer wieder in meinen Kanal sehen, um Neues zu erfahren.”

Proaktive User

Content erreicht den User tatsächlich nur, wenn der diesen möchte. So muss beispielsweise die Story eines Unternehmens aktiv geöffnet werden. „Das sind echte Views, von denen wir hier sprechen. Der User scrollt nicht aus Versehen über meine Inhalte. Er ist proaktiv und möchte den Content sehen – das unterscheidet Snapchat von allen anderen Plattformen”, so Teufel.

Snapchat setzt neben aktiven Usern auch auf die Schnelligkeit: „Es ist eigentlich nicht möglich, lang zu überlegen, wie bearbeite ich meinen Content. Gedanken zu Hashtags, Verlinkungen und so weiter fallen weg, große Bildbearbeitungen sind nicht möglich. Ich mache ein Foto oder ein kurzes Video und poste es. Dennoch gibt es verspielte und kreative Lösungen, seine Story zu gestalten.”
Ikea, Billa oder Coca-Cola nutzen den Kanal, um nur wenige zu nennen. Was zu sehen ist? Ein Blick hinter die Kulissen. „Snapchat ist kein Kanal, auf dem Produktfotos gepostet werden. Das hat auf Snapchat nichts zu suchen. Die User wollen wissen, was in den Unternehmen vor sich geht”, erklärt Teufel. Wer auf Snapchat aktiv ist, schafft es, starke Verbindungen zu den Konsumenten aufzubauen. Es geht nicht um den Verkauf oder die Anpreisung von Rabatten, sondern um mehr – um eine ­Beziehung.
Snapchat scheint hierzulande noch mit Vorurteilen kämpfen zu müssen. Eine junge Zielgruppe würde sich auf dem Kanal herumtreiben – was auch richtig ist. Allein in den USA erreicht Snapchat täglich 41% der 18- bis 34- Jährigen.
Dennoch dürfe man nicht vergessen, dass Snapchat schneller altere als Facebook, erklärt ­Teufel.

Werbeform: Geofilter

Bisher gibt es in Europa tatsächlich noch keine buchbaren Werbeformen für Snapchat. Dennoch sollten die Zahlen in den USA aufhorchen lassen.

Sogenannte Geofilter können über das mit Snapchat geschossene Foto oder gedrehte Video gelegt werden. Sie unterscheiden sich je nach Standort des Users. Erstellt werden können diese von den Usern selbst, eingereicht werden muss der Filter bei Snapchat, nach kurzer Zeit kommt die Benachrichtigung, ob dieser freigeben wird. Möchten Unternehmen Markennamen bzw. die Filter für Promotions heranziehen, kostet das. Der erste Geofilter mit Markenlogo wurde im vergangenen Jahr von McDonald's gebucht, der Preis ist nicht bekannt. Generell belaufen sich die Kosten auf nicht ortsgebundene Video-Lenses zwischen 450.000 und 750.000 USD pro Tag, normale Videowerbung auf Snapchat 20 USD je 1.000 Abrufe.
Mit dem Tool „Discover” hat sich Snapchat außerdem auch Medien ins Boot geholt: CNN oder National Geographics halten hier Stellung. Mit Wischbewegungen geht es durch die Inhalte. Zwischen diesen kann Werbung geschaltet werden – eine ganz neue Form des Magazins.
Neben dem verstärkten Fokus auf die Niederlassung in Großbritannien und den Investitionen sorgt auch eine Brille für Aufregung: Snap Spectacles ist eine Sonnenbrille mit inkludierter Kamera. „Snapchat ist das wohl erste Unternehmen, das diese Idee erfolgreich umsetzt. Die Google Glasses konnten sich nicht durchsetzen.” Die Brille von Snapchat ist hingegen jetzt schon ein Verkaufsschlager. In den USA werden täglich an verschiedenen Orten Automaten aufgestellt, die die Brille ausgeben. 24 Stunden vor ihrer Aufstellung wird der Standort bekannt gegeben: „Die Menschen pilgern zu den Automaten”, erzählt Teufel.

Große Erwartungen

Mit dem stärkten Fokus auf das Office in UK erwarten die europäische Community und Teufel viel. Nicht nur den Verkauf der Brillen, der bisher nur über eBay möglich ist. Neue Features, interessante Werbeformen: „Viel zu wenig Unternehmen sind auf Snapchat. Dabei wäre der Aufwand relativ gering und man kann eine große Community erreichen. Ganz ohne Plan geht es natürlich nicht. Doch die momentanen Entwicklungen sollten die Marketer definitiv zum Nachdenken und letztlich Handeln anregen.”

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