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Redaktion 26.06.2020

So wirkt sich Corona auf die Jugend aus

Weniger Egoismus, mehr Gemeinsinn – aber ein nachhaltiger Wertewandel ist nicht in Sicht.

••• Von Britta Biron

Egoistisch und individualistisch – so könnte man das Lebensmotto der österreichischen Jugendlichen vor Ausbruch der Pandemie benennen. 79% der von tfactory und dem Institut für Jugendkultur Ende 2019 Befragten vertraten die Meinung „Ich will machen, was ich will, und die anderen sollen machen, was sie wollen”; bei der Erhebung während des Lockdowns waren es dagegen nur 23%. Nicht nach Vorschrift und Plan leben, sondern das tun, was Spaß macht, war vor Corona für knapp drei Viertel das Credo der 16- bis 29-Jährigen, jetzt liegt die Quote nur noch 48%.

Mehr Gemeinsinn

Zwar herrscht weiterhin die Meinung vor, dass jeder für sein eigenes Geschick verantwortlich ist und daher Chancen, die sich bieten, bestmöglich nutzen soll, um im Leben erfolgreich zu sein, aber gleichzeitig sehen sich die Jugendlichen jetzt auch stärker als Teil der Gemeinschaft. Für ältere Mitmenschen Besorgungen erledigen oder Support in Sachen IT bieten, wie z.B. WhatsApp oder Skype einrichten, kann sich knapp mehr als die Hälfte der Befragten als Beitrag für die Allgemeinheit vorstellen, immerhin 15% würden sich im akuten Notfall auch als freiwillige Helfer in der Altenbetreuung engagieren. Allerdings sinkt die Hilfsbereitschaft mit der Menge an Zeit und Energie, die man dafür investieren müsste. Ein tägliches einstündiges Telefonat mit den Großeltern kommt nur noch für vier von zehn Teens und Twens infrage.

Und immerhin ein Viertel der Befragten will sich in der Krise überhaupt nicht einschränken – eine Ansicht, die übrigens von mehr Männern (34%) als Frauen (20%) vertreten wird.
Geändert hat sich auch die Einstellung zur Familie, allerdings nicht unbedingt im positiven Sinn. 30% der Befragten konstatieren, dass die häusliche Isolation die Spannungen in der Familie verstärkt habe. Besonders die 16- bis 19-Jährigen empfinden das beengte Zusammenleben als unangenehm und 45% glauben, dass sich die Familienmitglieder aufgrund der Beschränkungen zunehmend auf die Nerven gehen.

Kanzler als Corona-Held

Interessant ist das Umfrageergebnis beim Thema Politik: 60% der Probanden – und zwar unabhängig von Geschlecht, Alter, Bildung, Religion oder nationalem Hintergrund – gaben an, dass ihre Wertschätzung für Sebastian Kurz in der Krise gestiegen sei. Werner Kogler und Rudolf Anschober konnten dagegen nur wenige Corona-Pluspunkte einfahren und diese auch „nur” bei Vertretern bildungsnaher Milieus.

In der Gunst der Teens und Twens kräftig zulegen konnte ein Medium, mit dem die Zielgruppe davor schon länger nichts mehr am Hut gehabt hatte: Die Mehrheit der Befragen (69%) gab an, während des Lockdowns Informationen zur Ausbreitung des Virus, den aktuellen Stand der Forschung sowie und die Bemühungen zu seiner Eindämmung via ORF bezogen zu haben; die Sozialen Netzwerke spielten als Infoquelle dagegen kaum eine Rolle.
Das gute Abschneiden des ORF dürfe nach Ansicht von Beate Großegger, Leiterin des Instituts für Jugendkulturforschung und Autorin der Studie, aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer mehr junge Menschen zu traditionellen Medien auf Distanz gehen. Selbst in der heißen Phase des Lockdowns hatten 25% der Befragten angegeben, sich aktuelle Informationen über Corona nicht (mehr) aus Fernsehen, Radio oder Tageszeitung zu holen.

Zukunftsängste

Wie die junge Generation die Krisenerfahrung verarbeiten und welche (nachhaltigen) Konsequenzen sie daraus ziehen wird, werde stark von den Chancen abhängen, die sie für sich selbst sehen.

Und aktuell ist der Ausblick eher trüb. Zwei Drittel rechnen im Zuge der Pandemie mit einer Weltwirtschaftskrise, 80% mit einem drastisches Ansteigen der Arbeitslosigkeit. Wie nicht anders zu erwarten, sehen vor allem junge Österreicher aus unterprivilegierten und bildungsfernen Schichten schwierige Zeiten auf sich zukommen.
„Angst vor Arbeitslosigkeit und Unsicherheit, was persönliche Zukunftsplanung betrifft, könnten dazu führen, dass sich die nachrückende Generation allem voran auf Selbstbehauptungswerte, die sie in der Krise ja niemals wirklich vergessen hat, besinnt und alles daran setzt, im täglichen Konkurrenzkampf um Lebenschancen mit wettbewerbsorientierter Ich-Bezogenheit zu bestehen. In der Sorge um die eigene Zukunft könnte sie auf all das, was das ‚Team Österreich' gemeinsam geschafft hat, möglicherweise allzu schnell vergessen”, erklärt Großegger. Wer dies verhindern möchte, müsse jungen Menschen möglichst rasch ein Gefühl der Sicherheit, Orientierung und Planbarkeit zurückgeben. „Hier sind die Politik, Führungskräfte in Wirtschaftsunternehmen, aber auch Schulen und Universitäten gefordert, und auch wir alle, die wir mit jungen Menschen zu tun haben und ihnen im Alltag begegnen.”

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