MONTREAL/WASHINGTON. Wer Nachrichten über soziale Medien bezieht, glaubt eher Falschinformationen in Bezug auf COVID-19. Das hat eine Studie unter der Leitung der McGill University ergeben. Social-Media-User halten daher beispielsweise Social-Distancing-Richtlinien seltener ein als Menschen, die eher auf traditionelle News-Medien setzen. Ähnliches zeigt auch eine Analyse des Pew Research Center. Demnach sind Amerikaner, die News vor allem über Social Media beziehen, auch in Sachen politischer Themen schlechter informiert.
Unsinn im Social Web
"Plattformen wie Twitter und Facebook werden zunehmend zur Primärquelle für Nachrichten und Falschinformation für Kanadier und Menschen rund um die Welt", sagt Aengus Bridgman, Politikwissenschafts-Doktorand an der McGill. Um die Rolle sozialer Medien bei der Verbreitung von Unsinn besser zu verstehen, haben er und seine Kollegen knapp 2,5 Mio. Tweets und 9.000 Nachrichtenartikel analysiert, die sich mit COVID-19 in Kanada befassen. Das Ergebnis: Social-Media-Nutzer halten das Virus aufgrund dort viel eher zirkulierender Fake News für weniger gefährlich und pfeifen daher oft auf Social Distancing - werden also zum Gesundheitsrisko.
Die Analyse des Pew Research Center zeichnet für die USA ein ähnliches Bild. In dem Land, das Verschwörungstheorien liebt, glaubt ohnehin ein Drittel der Bevölkerung, dass die COVID-19-Pandemie "sicher" oder "wahrscheinlich" von mächtigen Leuten geplant war. Unter jenen, die soziale Medien als ihre wichtigste Nachrichtenquelle sehen, liegt der Anteil der Verschwörungs-Gläubigen aber sogar bei 44 Prozent. Andererseits folgen nur 23 Prozent der Social-Media-Nutzer Neuigkeiten zu COVID-19 überhaupt aufmerksam; unter Amerikanern, die nationale Nachrichtsender oder Kabel-TV-News bevorzugen, ist es dagegen die Hälfte.
Politische Unbildung
Auch abseits von COVID-19 ist jenes knappe Fünftel der Amerikaner, das sich für Nachrichten vor allem auf Social Media verlässt, laut Pew Research schlechter informiert. 57 Prozent der für die Analyse Befragten, die sich dort über Politik und die bevorstehenden Wahlen zu informierten glauben, konnten höchsten fünf von neun Fragen zum politischen Wissen richtig beantworten. Nur 17 Prozent hatten acht oder neun Richtige. Unter Amerikanern, die andere Nachrichtenquellen bevorzugen, gibt es in der Regel deutlich weniger politisch Un- und weit mehr Hochgebildete. Einzig das Lokalfernsehen als Haupt-Informationsquelle schnitt noch schlechter ab als soziale Medien. (red)