WIEN / ROTTERDAM. Heute Abend, am 20. Mai 2021, ist es so weit: Im zweiten Halbfinale tritt Vincent Bueno, unser ESC-Star, in Rotterdam an und kämpft um einen Platz im großen Finale diesen Samstag. Begleitet wird Bueno vor allem von einem Team des ORF, der als EBU-Mitglied national für den Song Contest verantwortlich ist. Auch Stefan Zechner ist als Delegationsleiter mit dabei. Heuer ist pandemiebedingt alles anders. Nicht wie üblich vor Ort, sonder via Telefon sprach medianet mit dem Delegationsleiter über den diesjährigen Song Contest und welche Auswirkungen Corona auf den Großevent aus seiner Sicht hat
medianet: Hier ist alles anders; wie läuft Ihr Alltag ab?
Stefan Zechner: Alles, was anders ist, ist der Pandemie geschuldet. Das Einschränkendste ist, dass wir das Hotel in der Zeit, in der wir quasi nicht dienstlich unterwegs sind, nicht verlassen dürfen. Das permanente Testen kennen wir von zu Hause, um ja kein Risiko einzugehen, das ist also nichts Neues für uns. Interessant ist, dass andere Länder das viele Testen nicht gewohnt sind oder auch, dass sie FFP2-Masken nicht tragen müssen. Für uns ist das normal, weil wir das auch in Wien im Unternehmen machen.
medianet: Wie läuft der Kontakt zu den Medien und vor allem zu den Fans ab?
Zechner: Der Kontakt zu Fans und Medien läuft meist digital und über Social Media. Da hat der Gastgeber großartige Dinge gleistet. Es gibt ein digitales Pressecenter, das sehr gut funktioniert, aber der direkte Kontakt zu den Fans fehlt natürlich. Foto und Autogramm-Stunden fallen weg.
medianet: Heute ist unser großer Tag, wie schätzen Sie die Chancen von Vincent Bueno ein?
Zechner: Ich glaube, dass die Chancen gut sind, wie übrigens jedes Jahr. Ich glaube auch, dass er sehr gute Chancen bei der Jury hat. Er hat eine ausgezeichnete Stimme und ist technisch sehr gut. Ansonsten ist es natürlich schwer, eine Voraussage zu treffen, hängt doch auch viel von der jeweiligen Tagesverfassung der Konkurrenz ab.
medianet: Gibt es auch Dinge, die man beibehalten könnte?
Zechner: Die digitalen Möglichkeiten, Pressekonferenzen, Meet and Great digital zu machen, ist auch großartig, weil es Menschen, die künftig auch nicht vor Ort sind, damit daran teilhaben können. Und auch für Journalisten ist es einfach, weil sie, egal wo auf der Welt sie sind, ihre Fragen stellen können.
medianet: Zur Freude aller gibt es doch Publikum im Saal – wie war das Gefühl?
Zechner: Richtig, der ESC findet mit Menschen live vor Ort statt. Es wird einem, nach über einem Jahr Einschränkungen, der Wert von Live-Events bewusster. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass solche Events nicht selbstverständlich sind, es wurde uns ein Spiegel vorgehalten und die Freude ist groß, dass es nun Publikum gibt. Es ist aber auch eigenartig, denn als wir gesehen haben, dass Menschen eng an eng sitzen, war das auf den ersten Blick ungewöhnlich, aber ich glaube, wir werden uns schnell wieder umgewöhnen (lacht).
medianet: Wie läuft der Alltag der österreichischen Delegation ab?
Zechner: Die offiziellen Termine finden natürlich statt, wir werden alle getestet, es werden alle Vorsichtsmaßnahmen eingehalten, aber ansonsten ist man im Hotelzimmer. Das Essen nimmt man am Zimmer ein, aber trotz der Einschränkungen sind wir uns bewusst, dass diese notwendig sind, damit wir am Song Contest teilnehmen können. Und hier freue ich mich besonders, dass wir da mit einem sehr verantwortungsbewussten Künstler zusammenarbeiten, der das alles auch sehr ernst nimmt. Hätte ich jetzt einen 18-Jährigen, der mir am Abend ausbuchst, weil er sich nicht an die Regeln halten kann, wäre das alles anders ...
medianet: Wie sehr hebt sich die Inszenierung von Vincent Bueno von jener der anderen ab?
Zechner: In meiner Wahrnehmung gibt es einige Nummern, die überinszeniert sind. Wir haben eine langsame Nummer, die ruhig ist, das hilft sicher, sich auf den Song zu konzentrieren. Ich hoffe, dass das ein Vorteil für uns ist. Bei den anderen Ländern herrscht zum Teil das Motto 'Die Pandemie ist vorbei, wir zeigen, wie man das Leben feiern kann' und da schießen einige eventuell über das Ziel hinaus. Vor lauter Flackern und Blinken nimmt man den Song nicht mehr wahr ...
medianet: Wie groß ist die Delegation heuer?
Zechner: In der ersten Woche waren wir nur fünf Personen; das hat aber auch damit zu tun, dass Vincent allein ist und wir keine Tänzer und keinen Background dabei haben. Unser Choreograf Marvin Dietmann und unser Songwriter arbeiten außerdem auch bei anderen Delegationen mit. Derzeit sind wir zu acht und heute kommt noch die Fernsehdirektorin Kathrin Zechner, um uns zu unterstützen. Dass wir weniger sind, hat auch damit zu tun, dass diesmal für die Vorberichterstattung ein Kamerateam weniger mit dabei ist. Es ist alles etwas kleiner, kompakter und in Anbetracht der Rahmenbedingungen sehr gut organisiert.
medianet: Wer hat Siegerchancen?
Zechner: Das beantworte ich nicht (lacht). Ich bin so oft falsch gelegen, denn das persönliche Gefühl und der eigene Geschmack überkreuzt sich manchmal mit den Song Contest-spezifischen Gegebenheiten und dann liegt man gerne einmal daneben. (red)