MARKETING & MEDIA
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Redaktion 26.04.2024

The winner takes it all: Die Kür der Besten

Die Kreativszene traf sich wieder zur medianet X night – und Österreichs Wirtschaft im Panoramablick.

••• Von Sascha Harold

Am 26. April war es wieder so weit. Die wichtigsten Entscheidungsträger der österreichischen Kommunikationsbranche kamen in der Raiffeisen Halle im Wiener Gasometer zur Preisverleihung der diesjährigen ­medianet xpert.awards zusammen.

medianet-Gründungsherausgeber Chris Radda ließ in seiner Keynote zunächst die Entwicklungen des Werbe- und Medienmarktes im vergangenen Jahr Revue passieren. Während er die Situation auf dem Werbemarkt, angesichts der wirtschaftlich angespannten Situation mit einem Befriedigend bis Genügend bewertet, benotet er die Situation auf dem Medienmarkt mit einem „glatten Nicht-Genügend”. „Wir haben die Situation, dass die allermeisten Verlage in den roten Zahlen stecken oder mit Mühe eine schwarze Null erwirtschaften und nicht wissen, wie sie ihr Geschäftsmodell aufrechterhalten sollen”, so Radda.

Zug zu digitalen Plattformen

Festzumachen sei das nach wie vor an der Verlagerung von Werbegeldern an die großen internationalen Online-Plattformen. Hinzu kommen die hohen Druckkostensteigerungen der vergangenen Jahre, die Printmedien das Leben schwer machen. Einen Lichtstreif macht Radda indes aus: „Das Werbegeld insgesamt vermehrt sich, und es gibt vereinzelt Initiativen, die versuchen, Bewusstsein für Werbebuchungen in österreichischen Medien zu schaffen, auch auf deren digitalen Angeboten, die inzwischen konkurrenzfähig sind. Bei einigen regionalen Tageszeitungen – vor allem im Westen – hat sich der Reichweitenverfall zudem immerhin eingebremst.”

Im zweiten Schwerpunkt seiner Keynote widmete sich Radda der Rolle Künstlicher Intelligenz. Während zuletzt vor allem neue Tools in der Bild-, Video- und Textgenerierung für mediales Aufsehen gesorgt haben, sieht der medianet-Herausgeber einen anderen Bereich als richtungsweisend an: „Natürlich verändern Tools in der Bild- und Videobearbeitung Dinge in der Kreation. Die wahre Revolution wird aber insofern stattfinden, dass hochspezialisierte KI-Agents Teilbereiche des wirtschaftlichen Lebens automatisieren werden (Agentification). Das wird die gesamte Arbeitswelt verändern.” Es werde in Zukunft nicht mehr unterscheidbar sein, ob Kunden mit menschlichen oder virtuellen Mitarbeitern in Kontakt stünden. Dies sei ein neues, boomendes Geschäftsfeld insbesondere für Marketing-Agenturen und Absatz-Berater.

Branche ist bereits aktiv

Das Bewusstsein für die neuen Herausforderungen und Chancen durch die Entwicklungen in Sachen KI ist in der Branche durchaus präsent. Das zeigen unter anderem die Interviews mit den Preisträgern der diesjährigen xpert.awards, in denen das Thema eine große Rolle spielt.

Zukunft für Agenturen

Exemplarisch dafür steht Heimat Wien, die heuer das Ranking der Digitalagenturen für sich entscheiden konnte. Gründer und CEO Markus Wieser bestätigt Raddas Überlegungen: „Bei Heimat Wien steht KI eigentlich schon jetzt nicht mehr für künstliche, sondern für kollegiale Intelligenz, weil unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Tools arbeiten, als wären es Kollegen, die ihnen zeitraubende Tasks abnehmen. Und ich glaube, das kann auch die Zukunft von Agenturen sein: Teams aus menschlichen und künstlichen Expertinnen und Experten arbeiten zusammen an schnelleren kreativen Lösungen. Stets – und das wird und soll sich nicht ändern – mit menschlicher Letztverantwortung.”

biz.talk: medianet X-Night 2024 - Die Oscars der Kommunikations-Wirtschaft

Die Keynote von Chris Radda im O-Ton
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde,
 
ich danke euch allen, wir sind bis auf den letzten Platz ausverkauft. Danke für diese enorme Unterstützung in schwierigen Zeiten für Medienhäuser!
 
Schauen wir uns die Kapitel Werbemarkt, Medienmarkt – wie alle Jahre – auch heuer genauer an und geben wir ein paar Anregungen für die Weiterentwicklung des Agentur-Geschäfts.
 
Der Werbemarkt
Soviel vorweg: Das Schlimmste scheint überstanden zu sein. Der Tiefpunkt der Werbekonjunktur war in allen Marktanalysen im Sommer letzten Jahres festzumachen. Der Herbst 2023 zeigte dann – bis heute – eine langsame Erholung der Werbekonjunktur. Am deutlichsten sichtbar in den monatlichen Focus Bruttowerbe-Spendings, hartnäckiger zu bemerken in den Umfragen des WIFO-Werbeklimaindex der Wirtschaftskammer wo es vor allem um die Stimmungslage und Erwartungen der Agentur-Chefs, also euch, geht.
 
Mein Eindruck: Die Stimmung ist schlechter als das laufende Geschäft. Auf der Schulnotenskala sehen wir bei medianet – als intensive Beobachter der Branche  – den Werbemarkt zwischen Befriedigend und Genügend, mit sich leicht verbessernden Aussichten nach dem Sommer. Auch die Werbeklimaindex-Erhebung im Jänner 2024 zeigt einen moderaten Anstieg. Die Branchendaten des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft ZAW zeigen, dass der deutsche Kommerzielle Kommunikationsmarkt mit rund 48 Mrd. Euro das Vor-Corona-Niveau noch nicht erreichen konnte und seitwärts geht. Dies trifft mit der angewendeten 1:10-Regel der Marktgröße auch für Österreich zu. Der Kommunikationsmarkt stagniert bei etwa 4,5 Mrd. Euro.
 
Der Medienmarkt
Nennen wir das Kind beim Namen: Der österreichische Medienmarkt ist auf der Schulnotenskala derzeit mit Nicht Genügend zu beurteilen. Dies trifft vor allem auf traditionellen Verlage mit einem– immer noch dominanten Print-Anteil – zu. Die meisten von ihnen schrieben im Jahr 2023 rote Zahlen. Oft leider auch tiefrote Zahlen im zweistelligen Millionenbereich. Enorme Steigerungen der Druck- und Papierkosten, die zum Glück jetzt wieder deutlich fallen, gepaart mit dem Dauerübel des Abflusses von mehr als sechzig Prozent der heimischen Media-Investments in die Internet-Giganten Google, Meta, Tik Tok, Amazon und Co, führen dazu, dass die  Geschäftsmodelle der Verlagshäuser nicht mehr darstellbar sind. Die heimischen Medien haben in der Digitalisierung durchaus Erfolge aufzuweisen. Die Reichweiten ihrer Portale können locker mit jenen der Plattformen mithalten, sie werden aber zu wenig von der werbetreibenden Wirtschaft direkt gebucht. Das wichtige Wort dabei ist ‚direkt‘. Mit Online-Streuplänen, die über die Google- und Meta Programmatic-Buchungs-Plattformen abgewickelt werden, kommen immer weniger Displays bei Österreichs digitalen Portalen an. Nach Abzug der Provisionen von Google und Meta kommt auch nur ein Bruchteil der investierten Werbegelder bei den Verlagen an. Und der TKP wird immer schlechter.
 
Was muss getan werden?
Will man ein Massensterben der heimischen Medien verhindern, muss sich die Politik jetzt wirklich ernsthaft darum kümmern und ähnlich den Stützungen für den ORF auch Hilfsmaßnahmen für die privaten Medien in Gang setzen. Alle bisherigen Förderungen sind zu kompliziert, zu bürokratisch, schließen viele Medien aus und sind der Tropfen auf dem heißen Stein.
 
Die werbetreibende Wirtschaft und deren Agenturen als Dienstleister müssen ihre Investmentstrategien überdenken und mehr in heimische Medien und Digitalmedien direkt investieren. Ja, das ist viel aufwendiger für die Media-Planer. Ja, das ist auch ein bis zwei Prozent teurer für die Kunden. Aber es ist notwendig. Wenn wir alle jetzt dabei sind, den Planeten zu retten, dann sollten wir auch ein- oder zwei Prozent in Kauf nehmen, um auch unsere Medien zu retten. Und damit auch die Zukunft unserer Demokratie, der freien Gesellschaft, der freien Meinungsäußerung zu sichern. Angriffe dagegen gibt es in letzter Zeit mehr als unsere Mägen vertragen können.
 
Der Ausblick
Wenn es zu keinem Weltkrieg kommt, dann sollten die Geschäfte ab jetzt wieder besser laufen. Alle Indikatoren sprechen dafür, zeigen nach oben. Der wichtige Einkaufsmanager-Index der Bank Austria geht in Richtung Expansion, der Handelsverband berichtet von steigender Konsumnachfrage in den Geschäften, der stabile Service-Sektor legt an Dynamik weiter zu. 
 
Was könnt ihr, liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu beitragen? Noch mehr arbeiten? Ja sicher, dass hilft immer. Smarter arbeiten wäre noch besser. Für die Agenturen liegt eine gewaltige Chance im Consultancy-Bereich vor der Haustüre. Nach der Digitalisierung des Marketings, Lead-Generation, Multi-Channel Marketing-Automation etc. liegt nun das Trillionen-Business der KI, der Künstlichen Intelligenz, vor unseren Füßen auf der Straße. Und ich meine nicht das künstliche Generieren von Bildern und Videos in euren Kreations-Units. Es geht im nächsten Schritt der Digitalisierung darum, alle eure Kunden – und auch euch selbst – KI-fit für alle Unternehmensprozesse zu machen. Was bei Marketing-Automation bereits begonnen hat, wird auf alle Geschäftsprozesse übergreifen. KI-Agents werden nicht nur Bilder erzeugen, sie werden die Aufgaben von Mitarbeitern übernehmen. Viele spezialisierte KI-Agents werden die In-Boxes der Mails beantworten und weiterleiten, werden selbsttätig nach prospektiven Kunden – für die Produkte Eurer Kunden – suchen. Die Agentification wird virtuelle Mitarbeiter in allen unseren Unternehmen erschaffen, die neben den physischen Menschen die Geschäfte vorantreiben werden. Für diesen Jahrtausend-Wandel bedarf es der Fachleute, die diese nächste Disruption aufzeigen, erklären, begleiten und mit den Kunden implementieren werden. Und diese Fachleute seid ihr. Ihr alle, die ihr heute hier bei uns seid. Auf gute neue Geschäfte! Let‘s sell virtual soda; da wird die Kohle nur so sprudeln.

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