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Gerhard Zeiler, ORF

Redaktion 22.09.2015

TV-Manager Zeiler hält Digitalisierung für unaufhaltbar

Auch Regierungen müssen in der digitalen Welt ankommen - Kritik an "Misserfolgsvermeidungsdenken" in Österreichs Politik - "Auch in der digitalen Welt braucht es Regeln und Gesetze".

Wien. Die Digitalisierung aller Lebensbereiche ist unaufhaltbar. Diese Ansicht vertrat der Fernsehmanager Gerhard Zeiler zum Aufakt der 22. Österreichischen Medientage. Während die klassischen Medien inzwischen in der digitalen Welt angekommen sind, stehe der Wandel anderen Bereichen erst bevor, meinte Medientage-Hauptredner Zeiler. Auch die Politik müsste in der digitalen Welt ankommen.

"Es gibt kein Zurück. Genauso wenig wie wir den Siegeszug der digitalen Medien aufhalten konnten, können wir den technologischen Fortschritt der Robotik verhindern, noch all das, was mit der Bezeichnung 'Internet der Dinge' beschrieben wird, aufhalten oder die Veränderungen der Arbeitswelt , die auf uns zukommen, negieren", so Zeiler. Man könne den Wandel aber so organisieren, dass gesellschaftliche Errungenschaften gewahrt bleiben. "Wenn wir gewisse Voraussetzungen schaffen, wie etwa: Ein modernes Bildungssystem, neue flexible Arbeitszeitmodelle, die Unternehmern und Arbeitnehmern entgegenkommen, moderne, effiziente Regierungs- und Verwaltungssysteme mit so wenig Bürokratie wie möglich. All das sind nur einige der 'Hausaufgaben', die wir in Europa - und ganz speziell in Österreich - in Angriff nehmen müssen."

Auch Institutionen des gesellschaftlichen Lebens wie die EU, nationale Regierungen, Behörden und Ämter welcher Verwaltungsebene auch immer müssten so rasch wie möglich in der digitalen Welt ankommen, erklärte Zeiler in einer sehr politischen Rede. "Und ganz speziell auf Österreich bezogen: Misserfolgsvermeidungsdenken - also das Nichtstun aus Angst, das Falsche zu tun, wegschauen, aus Angst, Verantwortung zu übernehmen, liegen lassen, weil man glaubt die Probleme werden sich schon von selbst lösen - diese Eigenschaften werden uns nicht helfen, den Wandel zu gestalten und der Probleme Herr zu werden. Auch wir müssen anpacken, müssen tun, müssen handeln."

Zugleich warnte Zeiler vor negativen Aspekten der Digitalisierung wie Radikalisierung und Hetze oder dem Verlust von Privatsphäre. "Auch in der digitalen Welt braucht es Regeln und Gesetze - genauso wie in der analogen Welt. Viele Regeln und Gesetze werden die gleichen bleiben, manche müssen ergänzt, manche neu erstellt werden. Der wesentliche Unterschied ist nur, dass wir die Durchsetzung wenn schon nicht global, dann zumindest europaweit organisieren müssen", sagte Zeiler. "Wenn YouTube und Facebook aufgrund von urheberrechtlichem Zwang jedes Video identifizieren können, dann können sie auch das Marketing von Terrororganisationen und Hasspostings von Rechtsradikalen identifizieren und sperren - wenn sie nur wollen. Einheitliche europäische Standards konsequent durchzusetzen auch gegen die großen US-Internetfirmen mag vielleicht nicht einfach sein, aber es ist möglich - wenn wir wollen."

Den Umgang der Medien mit der Flüchtlingskrise hält Zeiler über weite Strecken für richtig. Mit dem Wort "Willkommensjournalismus" könne er "relativ wenig" anfangen. Die vielen Berichte über traurige Schicksale hätten bei vielen Menschen einen Nachdenkprozess ausgelöst. "Ich hoffe, dass das, was wir in Europa aufgebaut haben, eine Mehrheit hinter sich hat. Alles andere bedeutet Spaltung und Radikalisierung." Der TV-Manager, der seit 2012 Präsident von Turner Broadcasting System International ist, und die Geschicke von 160 TV-Kanälen in 200 Ländern leitet, sorgte zuletzt für einiges Aufsehen. Der Sozialdemokrat und frühere ORF-Chef hatte nach den SPÖ-Wahlniederlagen in der Steiermark und im Burgenland seine Bereitschaft erklärt, die Nachfolge von SPÖ-Parteichef und Bundeskanzler Werner Faymann zu übernehmen.

Von Medientage-Veranstalter Hans Jörgen Manstein gab es heuer "ausnahmsweise keine unreflektierte Medienschelte", wie der Fachverleger selbst meinte. "Seien wir froh, dass es so viele Medien in verschiedenen Kanälen gibt." Manstein appellierte jedoch an die Medien, ihre Arbeit und Verantwortung zu hinterfragen, und warnte vor den negativen Folgen der Digitalisierung. (APA)

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