Wien. Der internationale Journalistenpreis „Writing for CEE“ ist am Mittwochabend zum zwölften Mal vergeben worden. Gewonnen hat ihn der österreichische Schriftsteller Martin Leidenfrost. Der Autor wurde für seine Kolumne „Expedition Europa“ ausgezeichnet.
In seinen Essays erzählt Leidenfrost von seinen Reisen durch Europa. So schrieb er etwa über die Rolle der Kosaken im Ukraine-Konflikt, recherchierte die Hintergründe für Selbstverbrennungen in Bulgarien oder machte sich auf die Suche nach nationalen Tabakläden in Ungarn. Er ziehe „unentwegt“ durch Europa auf der „Suche nach Ideen, Irrwitzen, Inspirationen, nach einer Seele von Europa", sagte Leidenfrost. Mit seinen Texten wolle er „gedankliche Brücken zwischen dem einen oder anderen Winkel Europas bauen“.
Grenzen überwinden und Vorurteile abbauen - das sind die Ziele des Journalistenpreises, der seit 2004 von APA und UniCredit Bank Austria für Qualitätsjournalismus über Mittel-Osteuropa (CEE) vergeben wird. „25 Jahre nach Ende des Kalten Krieges steht Europa vor neuen Grenzen und Teilungen. Deshalb brauchen wir derartige Initiativen mehr denn je“, erklärte der diesjährige Laudator Oliver Vujovic, Chef der South East Europe Media Organisation SEEMO, bei der Preisverleihung in Wien.
In seiner Rede mit dem Titel „Die Entdeckung Europas“ ging der Ehrengast des Abends, der Schriftsteller Karl-Markus Gauß, auf die Rolle der Medien in der Flüchtlingskrise ein. Europa werde entweder verklärt oder verdammt. „Aber es kommt darauf an, es zu entdecken.“ Das versuche er mit seiner Arbeit, das täten Journalisten und das mache auch der Preisträger, betonte Gauß. Mit scharfen Worten kritisierte er die unsolidarische Haltung der Länder Ostmitteleuropas in der Flüchtlingskrise. „Es ist eine Schande für diese Länder", dass sie sich „heute so feindselig zeigen“, sagte Gauß. Er betrachte es als „persönliche Niederlage, dass ausgerechnet jene Länder, für die ich mich jahrelang als Herold aufgespielt habe“, sich in der „europäischen Bewährungsprobe, welche die Flüchtlingskrise darstellt“, vor ihrer Verantwortung drücken wollten, so Gauß. „Dieses Versagen ist unentschuldbar, aber nicht unbegreiflich“, erklärte der Salzburger Essayist.
Leidenfrost, der den Preis bereits 2007 gewonnen hatte, überzeugte erneut die international besetzte Jury, die dieses Jahr aus Einreichungen aus 20 verschiedenen Ländern zu wählen hatte. Die Serie "Expedition Europa" erscheint in vier mitteleuropäischen Zeitungen:
"Die Presse", "tyzden", "Neues Deutschland" und "Südostschweiz". „Wenn sich jemand - so wie ich - einbildet, dass er durch Europa reisen und darüber schreiben kann und davon leben kann, dann hat er in der Tat Ermutigung nötig“, erklärte Leidenfrost bei der Verleihung. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert.
APA-Chefredakteur Michael Lang gedachte in seiner Rede der jüngsten Terroranschläge in Paris. Er sprach von einem „Krieg“, der mitten in Europa herrsche. Für die Medien sei daher „die Zeit des Zynismus vorbei“, es gelte nun, sachlich zu informieren und nicht zu polarisieren oder polemisieren. „Die Menschen mit Panik oder Unruhe ins Bett zu schicken ist nicht nur verantwortungslos, sondern schlicht dumm.“ Der Preisträger Martin Leidenfrost tue eben dies gerade nicht, erklärte Lang.
Zu den besten Texten 2015 zählen außerdem:
- Eva Konzett, Marijana Miljkovic und André Kühnlenz: „Chinesische Investitionen in Osteuropa“ (WirtschaftsBlatt)
- Christian Geinitz: „Die Köhler aus dem Kosovo wollen nur noch weg“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
- Elena Stancu: „Roma Coppersmiths in Corcova“ (http://teleleu.eu/caldararii-din-corcova)
- Paul Dobrovolsky : "Internal world of DPR" (Novoe Vremya Magazine)
- Adelheid Wölfl: „Erinnern ohne zu entzweien“ (Der Standard)
Mitglieder der in wechselnder Zusammensetzung tagenden Jury waren 2015 der Preisträger des Vorjahres, Spiegel-Reporter Takis Würger, der polnische Journalist Pawel Bravo, der bulgarische Journalist Ivan Bakalov, die Kommunikationsberaterin Ildiko Füredi-Kolarik, der CEE-Pressesprecher der UniCredit Bank Austria, Tiemon Kiesenhofer, der tschechische Kommunikationswissenschafter Milan Smid, die ungarische Radio-Journalistin Julia Varadi, die österreichische Journalistin Cornelia Vospernik, SEEMO-Chef Oliver Vujovic sowie als Jurysprecherin die stellvertretende Ressortleiterin der APA-Außenpolitik, Alexandra Demcisin. (red)