Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
KEIN EXIT. CETA wär vorerst einmal abgehakelt, da steht der Brexit wieder im Mittelpunkt der politischen Schaubühne: Brexit heißt Brexit, sagt Großbritanniens Premierministerin Theresa May gern. Ja, aber. Denn: Man könne sehr wohl „seine Meinung ändern, während der Prozess läuft”, sagte John Kerr, früher britischer Botschafter bei der EU, gegenüber der BBC. Er ist Autor von Artikel 50 des Lissabon-Vertrags, der – eben! – mögliche Ausstiege regelt. Dem wiederum widerspricht Generalstaatsanwalt Jeremy Wright: Ein Austrittsgesuch nach Artikel 50 sei „unwiderruflich”, hatte dieser zuletzt vor dem Londoner High Court postuliert.
Einmal hü, einmal hott
Gestern öffnete sich der Vorhang zum nächsten Akt: Der Londoner High Court nämlich gibt der Klage gegen einen Alleingang der britischen Regierung statt und räumt dem Parlament beim Brexit-Entscheid jetzt doch ein Mitspracherecht ein. „Nicht notwendig”, hatte die Premierministerin im Vorfeld argumentiert. May kann die Sache nun vor dem Obersten Gerichtshof abschließend klären lassen.
Eine Parlamentsmehrheit gilt übrigens auch nicht als sicher. Ist also ein Brexit auch dann ein Brexit, wenn die Entscheidung im Widerspruch zu geltenden Gesetzen getroffen wurde? Und wie reagieren die Briten, falls ihr eigenes Parlament ihnen einen Strich durch die Rechnung macht? Mit Erleichterung, weil es so ernst doch nie gemeint war; mit Zorn, weil: Jetzt erst recht?
Selbst wenn die Briten aus dem Brexit-Gesetzesdickicht unbeschadet wieder auftauchen, ist die Sache übrigens noch lange nicht gegessen. Das Austrittsabkommen muss, so die Lissabon-Verträge, auch noch mit einer qualifizierten Mehrheit der verbliebenen 27 Mitgliedsstaaten beschlossen werden. Ja, was also, falls Polen jetzt mit viel Verve, Engagement und Überredungskunst eine Anti-Brexit-Koalition zu schmieden beginnt, schlicht, um den fremdarbeiterfeindlichen Insulanern eins auszuwischen? Alles also verlorene Liebesmüh?