MARKETING & MEDIA
© Martina Berger

Die Coronakrise ist erst der Auftakt zu einer großen Veränderung, so Alexander Hofmann, Executive Creative Director – VMLY&R Vienna und Sebastian Bayer, CEO VMLY&R Vienna in einem gemeinsamen Kommentar.

Redaktion 25.03.2020

„Zeit für mehr Sinn“

Die Coronakrise ist erst der Auftakt zu einer großen Veränderung, so Sebastian Bayer, CEO VMLY&R Vienna.

WIEN. Die Coronakrise verändert gerade die Welt, wie nichts in diesem Jahrtausend vor ihr. Doch das was jetzt passiert, ist erst der Anfang dieser Veränderung.

Denn mit dem Ende der Quarantäne wird die Welt höchst wahrscheinlich nicht zu ihrer alten Normalität zurückkehren. Weltanschauungen und Werte ändern sich gerade massiv. Und die Marketing- und Kommunikationsbranche wird sich sehr schnell darauf einstellen müssen.

Erkenntnisse aus China zeigen, dass manche Branchen direkt profitieren und einen wahren Schub erleben werden, weil die Menschen, die im Moment dazu gezwungen sind, sich mit anderen Möglichkeiten der Kommunikation und der Frage, wie sie Waren und Dienstleistungen erhalten können, auseinander setzen müssen. Wege und Dinge, die in der aktuellen Lage gut funktionieren und das Leben angenehmer und leichter machen, wird man danach auch beibehalten. Bei vielem wird man vermutlich gar nicht mehr zum Prä-Corona-Verhalten zurückkehren. Bei manchen Dingen werden wir uns in ein, zwei Jahren denken: Komisch, dass wir das je so gemacht haben. Darüber wurde ja vielerorts schon geschrieben, unter anderem – sehr lesenswert – von Matthias Horx.

Aber was heißt das für unsere Branche? Krisen-Experten gehen davon aus, dass eine Krise drei grundsätzliche Phasen durchläuft.

1. Die Ausbruchsphase
Die erste Phase – in der wir uns momentan und in der unmittelbaren Zukunft befinden – ist davon gekennzeichnet, dass die Menschen nach und nach realisieren, was sich gerade alles ändert. In den wenigsten Fällen ist das ein punktueller Schock, sondern meistens ein fortschreitender Prozess, der sich mehr und mehr manifestiert. Verunsicherung steigt, Verhalten ändert sich, man versucht soviel wie möglich von zu Hause aus zu machen und nicht außerhalb der eigenen „vier Wände“ erledigen zu müssen – „e-everything“ heißt das Phänomen. Menschen reflektieren die Situation und suchen Wege, mit den geänderten Rahmenbedingungen umzugehen. Der analoge und digitale Medienkonsum geht drastisch nach oben, da Menschen Information und Antworten suchen.

Implikationen für die Kommunikation sind daher: Fokus auf relevante, informative Kommunikation, die hilft, den Menschen zumindest ein wenig Sicherheit und Ruhe zu geben. In dieser sensiblen Phase sollte jedenfalls immer die Frage gestellt werden, was das Unternehmen, die Marke im Moment wirklich sinnvoll beitragen kann. Das betrifft aber nicht nur essenzielle Bereiche wie Gesundheit, Nahrung, notwendige Infrastruktur, Kommunikationswege oder Ähnliches, sondern auch „Soft-Sektoren“, die Zerstreuung oder Unterhaltung bieten (Sport, Filme, Spiele, Musik), Sinn stiften (anderen helfen können, Ratgeber sein) und Perspektiven zu eröffnen (Bücher, Weiterbildungsangebote, etc.).

Aus Kommunikations-Sicht ist es wichtig, nicht um jeden Preis bei der „Wir sind für Sie da“-Kommunikation mitzutun, wenn man eigentlich nicht wirklich etwas Sinnvolles beitragen kann. Weniger ist in dieser Phase in bestimmten Fällen mehr und nicht auf die Nerven zu gehen oft besser als sich krampfhaft zu Wort zu melden. Es ist sicher nicht falsch, die eigenen (finanziellen) Möglichkeiten als Unternehmen zu nutzen, um zu helfen. Trotzdem sollte dabei darauf geachtet werden, dass diese Hilfe nicht aktionistisch und berechnend wirkt, dass man das Bild erzeugt, man täte etwas bloß der positiven Schlagzeile wegen. Gerade Aktivitäten, die weder etwas mit dem eigenen Geschäftsfeld, noch mit der schon vor Corona gelebten Überzeugung der Marke zu tun haben, könnten aufgesetzt wirken und einen Anstrich von „Social White-Washing“ vermitteln. In solchen Fällen ist eine ernstgemeinste Spende an eine bestehende Hilfsorganisation, die wirklich etwas tun kann, vermutlich oft der bessere und glaubwürdigere Weg.

Denn in Zeiten der Krise geht es mehr denn je um Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit, und Menschen werden das Verhalten der Unternehmen während dieser Phase lange im Kopf behalten.

2. Die Erholungsphase
Wenn die Situation überall angekommen ist – und das kann bald der Fall sein –, geht es darum, erste Schritte zurück in die Normalität zu gehen. Doch um hier vorauszugehen, muss man wissen, wer man ist. Und was die größere gesellschaftliche Leistung des eigenen Unternehmens und der eigenen Marke ist. Was kann man beitragen, um den Menschen in dieser Phase Mut und Optimismus zu vermitteln.

Dafür ist es essenziell zu wissen, für was die eigene Marke steht und welche Haltung man lebt. In Krisenzeiten Haltung zu zeigen, ist das, worauf es ankommt, denn bei ruhigem Meer lässt sich ein Boot einfach steuern. Bei Sturm jedoch zeigt sich, wer Kurs halten kann und dafür auch kämpft.

Für die Kommunikation heißt das: Dinge tun und kommunizieren, die zur Marke passen und die den Menschen eine klare Geschichte erzählen: wofür man steht, was man beizutragen hat. In der Erholungsphase beginnen die Menschen wieder nach vorn zu schauen, werden optimistischer und suchen nach Marken und Unternehmen, die diesen Optimismus befördern und dazu beitragen. Mut zeigen, Dinge anpacken und Wege in die Zukunft aufzeigen, sind in dieser Phase wichtig, Blabla hat hier keinen Platz. Dies hat eine große Chance, langfristig etwas für die Marke und das Unternehmen zu tun – wenn es ernstgemeint ist. Das Tun ist in dieser Phase jedenfalls mindestens genauso wichtig wie das Reden.

3. The New Normal
Auf die Erholungsphase wird die Phase der neuen Normalität folgen. Die Welt wird nicht mehr so sein, wie sie davor war. Menschen hatten viel Zeit, darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist, und worauf es ankommt. Das Hamsterrad, in dem viele vor Corona steckten, ist phasenweise stehengeblieben oder hat sich zumindest verlangsamt, und Menschen werden ihre Lebenssituation neu bewerten. Man wird feststellen, dass sich vieles, was vorher essenziell erschien, an Wert verlor. Wie viel muss man tatsächlich besitzen? Wie wichtig ist die Selbstdarstellung auf Instagram? Und vor allem: Wird diese Krise eine neue Solidarität schaffen? Werden wir unsere Bubbles sowie Echokammern und die daraus resultierende Abschottung und Polarisierung aufbrechen? Sicher ist: Die Werte und Einstellungen der Menschen werden sich neu ausrichten; entsprechend werden wir auch Marken und Unternehmen neu beurteilen. Daraus entsteht eine große Chance für Marken, sich (neu) zu positionieren und sich glaubhaft einem tieferen Sinn zu verschreiben.

Die Menschen werden sich künftig mit Unternehmen assoziieren, die bewusster agieren. Die ihre Daseinsberechtigung nicht nur im Profit sehen, sondern einem höheren Zweck folgen, durch den sie für ihre Eigentümer, Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden, die Umwelt und die Gesellschaft etwas Positives leisten. Nützen Sie die Zeit, werden Sie sich bewusst, wofür Sie als Unternehmen und als Marke stehen, was Sie zu dieser neuen Welt beitragen können.

Ihre Kunden und künftigen Kunden werden es Ihnen danken. (red)

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