WIEN. Mit Beginn der Massenmotorisierung in den 1950-Jahren begann auch die Umgestaltung unserer Städte: Aus Gassen wurden Straßen. Ganze Häuserzeilen wurden für Fahrspuren geopfert und Parkanlagen zu Stellflächen für immer mehr und immer größere Autos. „Die Folgen dieser autogerechten Gestaltung sind auch heute noch äußerst deutlich spürbar”, sagt Verkehrsforscher Harald Frey vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien im Gespräch mit der APA. „Die Städte präsentieren sich als Maschinenlagerplätze, nicht für die Menschen”, prangert Frey besonders das erlaubte Abstellen von Autos im öffentlichen Raum an. Zwar habe seit den 1970er-Jahren ein allmähliches Umdenken stattgefunden, großflächig sei aber wenig passiert.
Virus Auto verändert Menschen
Werde der öffentliche Raum einer Stadt am Auto ausgerichtet, werden nachweislich menschliche Beziehungen erschwert und unterbunden, sagt Frey. Und das, was der Wiener Verkehrsforscher Helmut Knoflacher einmal „Virus Auto” nannte – sobald ein Mensch ins Auto steigt, verändert sich sein Wesen –, sei nach wie vor aktuell. Und das, obwohl fachliche Argumente klar für eine Veränderung des Verkehrssystems zugunsten von Radfahrern, Fußgängern und des Öffentlichen Verkehrs sprechen würden. Egal ob in Wien, Graz, Linz oder Salzburg – „der Virus verliert an Kraft, wenn Menschen sehen, wie öffentlicher Raum aussehen kann, wenn er menschlich gestaltet ist. Lebendige Städte mit hoher Lebensqualität sind mit Autoverkehr aber nicht vereinbar.”
Zur Reparatur brauche es dabei nicht immer langfristige Strategien. „Tempo 30 als Maximalgeschwindigkeit und Tempo 20 in Begegnungszonen könnten rasch eingeführt werden”, so Frey. Auch die Aufhebung der Stellplatzverpflichtung in der Bauordnung wäre sehr effektiv. Auch unabhängig davon wird es in Zukunft für das Auto in der Stadt eng werden, prognostiziert Frey. „Wenn es anders schneller, bequemer und kostengünstiger geht, stellen sich viele irgendwann die Frage, wofür sie dann ein Auto überhaupt noch brauchen.” (red)