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© J.J. Kucek/TU Graz

Redaktion 12.11.2021

Validierte Testfahrten durch virtuelle Welten

Steirische Forscher haben eine Methode entwickelt, um Tests von fahrerlosen Fahrzeugen zu erleichtern.

••• Von Jürgen Zacharias

Es ist erstaunlich, welche Realitätsnähe digitale Bilderwelten in den vergangenen Jahren bekommen haben. Als vor fünf Jahrzehnten der Atari-Automatenklassiker Pong in die Spielhallen geschoben wurde, versetzten uns schon ein paar Linien, ein umhersurrendes Viereck und zwei Zähler für den Punktestand in einen Ausnahmezustand. Heute zeichnet auf Wunsch jeder Billigcomputer atemberaubende Landschaften mit Tausenden Bäumen, Pflanzen, Charakteren, Gebäuden, Tieren, Wolken und Fahrzeugen auf den Bildschirm. Seit Jahren werden selbst komplexe Sachverhalte simuliert, auf Knopfdruck lässt sich heute jedes beliebige Szenario durchspielen.

Neues Regulativ als Fingerzeig

Allerdings: Allem Fortschritt zum Trotz werden Simulationen in vielen Bereichen immer noch wegen ihres angeblichen Mangels an Realismus hinterfragt. Das galt bislang auch für den Bereich des hochautomatisierten Fahrens. Bislang deshalb, weil steirische Forscher nun dieser Tage einen Durchbruch in diesem Bereich vermeldet haben.

Wissenschaftler von TU Graz, Joanneum Research, AVL und Fraunhofer Austria haben laut eigenen Angaben eine Methode entwickelt, mit der Testfahrten durch hochgradig realistische Fahrsimulationsstudien validiert und der Freigabeprozess für automatisierte Fahrsysteme substanziell vereinfacht werden können. Möglich gemacht wurde diese Innovation durch das Inkrafttreten des ersten weltweiten Regulativs für automatische Spurhaltesysteme (Automated Lane Keeping Systems, ALKS) mit Anfang des Jahres.

Zulassungsdilemma gelöst

„Bis dahin gab es keine standardisierten Prüfverfahren, mit denen komplexe Aufgaben wie etwa das wechselseitige Zusammenspiel zwischen Mensch und System (Übergabeprozeduren) überprüft werden hätten können”, weiß Arno Eichberger, Leiter des Forschungsbereichs Automated Driving & Driver Assistance Systems am Institut für Fahrzeugtechnik der TU Graz. Dieses Gesetz habe das Dilemma der Zulassung aufgelöst, so Eichberger weiter: „Bisher wussten Zulassungsbehörden nicht, wie sie autonome Systeme abprüfen und zulassen sollten. Die Fahrzeughersteller wussten wiederum nicht, welche Anforderungen die Systeme erfüllen müssen, um zugelassen zu werden.”

Intelligentes System

Im Regulativ sind nun erstmals die Zulassungskriterien hoch­automatisierter Systeme bis zu einer maximalen Geschwindigkeit von 60 km/h anhand eines Stauassistenten festgeschrieben. Bei Aktivierung des Assistenten geht die Steuerungsverantwortung über auf die Maschine. Der Fahrer oder die Fahrerin darf die Hände vom Lenkrad nehmen, muss aber im Fall eines Funktionsausfalls augenblicklich wieder übernehmen. Das System muss erkennen, dass die Person am Steuer in der Lage ist, das zu tun.

Innovativer Ansatz entwickelt

Basierend auf diesem Regulativ, haben Eichberger und seine Forschungspartner in den vergangenen Monaten eine effiziente Methode entwickelt, mit der die Übernahmebereitschaft in einem Fahrsimulator sicher, effizient sowie in hohem Grade realistisch überprüft und die Ergebnisse zur Zertifizierung von ALKS-Systemen herangezogen werden können.

Gefragt waren Prozesse, die die Validität der Fahrsimulation mit dem Fahrversuch nachweisen. Als Grundlage dafür diente der direkte Vergleich – Fahr­simulation und Realfahrt mussten möglichst gut übereinstimmen.
Bildlich gesprochen, handelt es sich bei der maschinellen Wahrnehmung um die Sinnesorgane des Fahrzeugs. Sie hat die Aufgabe, die Fahrzeugumgebung – von der Landschaft bis hin zu anderen Verkehrsbeteiligten – exakt zu erfassen, damit das Assistenzsystem entsprechend reagieren kann. Eichberger: „Wenn das gleich ablaufen soll wie in der Realität, müssen die Umgebungen in der Simulation bis auf den Zentimeter genau mit der realen Umwelt übereinstimmen.”

Hoher Detaillierungsgrad

Diese Genauigkeit erreichen die sogenannten Ultra High Definition-Karten von Joanneum Research. „Neben Objekten der Verkehrsinfrastruktur wie Verkehrszeichen, Fahrbahnmarkierungen oder Leitschienen sind auch Vegetation und Gebäude in diesen 3D-Karten mit extrem hohen Detaillierungsgrad repräsentiert”, beschreibt Patrick Luley, Leiter des Forschungslabors für hoch automatisiertes Fahren des Instituts Digital.

Die hochaufgelöste 3D-Umgebung wird schließlich in den Fahrsimulator übertragen. Hierfür zeichnet das Team von Fraunhofer Austria verantwortlich. Volker Settgast vom Geschäftsbereich Visual Computing: „Wir bereiten die Daten dergestalt auf, dass die 3D-Umgebung in hoher Geschwindigkeit dargestellt werden kann.”
Selbst spiegelnde und transparente Flächen oder windbewegte Bäume und Sträucher können natürlich wahrgenommen werden. Je nach Testszenario können dann weitere Fahrzeuge oder auch Personen in die virtuelle Umgebung eingefügt werden.

Virtuelle Freigabeversuche

Der Validierungsnachweis erfolgt schlussendlich mithilfe von Vergleichsfahrten auf der Realstrecke. „Mit unserer Methode ist es für Automobilhersteller auf einfache Art und Weise möglich, ein bestimmtes Sampling auf der Realstrecke und im Fahrsimulator zu vergleichen und zu validieren. Somit kann der Test schlussendlich von der Realstrecke in den Fahrsimulator übertragen werden”, so Eichberger abschließend.

Der TU Graz-Wissenschaftler und sein Team arbeiten in den nächsten Monaten nun am Aufbau von virtuellen Freigabeversuchen.

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