Finale Zusätzlich zu den am Dienstag beschlossenen Maßnahmen fordern die Vertreter von Wirtschaft und Industrie weitere Impulse für den heimischen Wirtschaftsstandort (Bild: Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner am Dienstag nach dem Ministerrat zur Steuerreform).
Wien. Lang war sie heftig diskutiert worden, gestern wurde sie beschlossen: Die Steuerreform hat am Dienstag den Ministerrat passiert; bis zuletzt war in der Regierung noch in Sachen Grunderwerbssteuer und Konteneinschau gefeilscht worden. Die wichtigsten Neuerungen: Wie erwartet, wird die Konteneinsicht vorerst ohne richterlichen Beschluss kommen. Weiteres dazu will man erst im parlamentarischen Prozess klären. In der Regierungsvorlage ist einstweilen zwar Rechtsschutz, aber kein Richterbeschluss im Einzelfall vorgesehen, die Einsicht soll nur im Zuge eines Abgabenverfahrens möglich sein, und das Vier-Augen-Prinzip soll gelten.
Entlastung für Selbstständige
Verständigt hat man sich laut Finanzminister Hans Jörg Schelling auch darauf, dass die automatische Arbeitnehmerveranlagung für Geringverdiener ab 2017 – für das Veranlagungsjahr 2016 – kommen soll. Bei der Grunderwerbssteuer soll der Freibetrag für Betriebe von 900.000 € bleiben, die Deckelung beträgt 0,5% des Grundstückswerts bei Betrieben. Weiters festgelegt wurde, dass die Grunderwerbssteuer auf fünf Jahre aufgeteilt werden kann. Auch bei der Registrierkassenpflicht gibt es Änderungen vom ursprünglichen Entwurf: Der Strafrahmen bei Manipulation wurde von 50.000 auf 25.000 € gesenkt, kleinere Vereinsfeste sind künftig von der Registrierkassenpflicht befreit und elektronische Belege seien auch möglich, hieß es zur APA. Es gebe zudem eine Zertifizierungsmöglichkeit für größere Betriebe. Auch die Regelungen für steuer- und abgabenfreie Mitarbeiterrabatte wurden geändert: Anstatt der geplanten zehn Prozent vom marktüblichen Preis und maximal 500 € stehen nun 20% und 1.000 € zu.
Zu den wichtigsten Änderungen gehören auch Entlastungsmaßnahmen für Selbstständige. So wurde die Senkung der Mindestbeitragsgrundlage von derzeit rund 724 € auf 406 € entschieden. In Kraft treten soll die Maßnahme mit 1.1.2016. Die Absenkung der Mindestbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung auf die Geringfügigkeitsgrenze soll mit 1.1.2018 starten.
Das Wifo hat die Auswirkungen der Steuerreform 2015/16 auf die Wertschöpfung der einzelnen Wirtschaftssektoren mit dem ökonometrischen Input-Ouput-Modell „Fidelio” geschätzt.
Positive und negative Folgen
Positive Auswirkungen werden vor allem für Handel, Realitätenwesen, Finanzwesen und Verkehr erwartet. Die Modellsimulation liefert aber auch für den Sektor „Beherbergung und Gastronomie” mäßige Zugewinne. In der Sachgütererzeugung ergeben sich – mit Ausnahme des Nahrungsmittelbereichs – nur geringe (positive) Effekte, in erster Linie wegen des hohen Importanteils vieler Sachgüter.
Negative Auswirkungen sind laut Modellsimulation in den öffentlichen Dienstleistungen zu erwarten, in der öffentlichen Verwaltung, im Gesundheits- und Sozialwesen sowie Unterricht und Erziehung.
Während sich etwa AK-Chef Rudolf Kaske zufrieden damit zeigt, dass „den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mehr netto im Geldbörsel bleibt”, hat Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), keine Freude mit der Steuerreform. Es würden fünf Mrd. € verteilt, „die wir nicht haben”. Ausgabenseitig habe die Regierung keine Maßnahmen ergriffen. „Das ist keine wirkliche Reform”, so Kapsch am Rande einer Pressekonferenz. Das einzig Positive sei die Entlastung der Arbeitnehmer, aber für die Wirtschaft gebe es nichts.
Kernpunkt der Steuerreform ist eine 5,2 Mrd. € schwere Entlastung der Lohn- und Einkommenssteuerpflichtigen. (sb/APA)