••• Von Sabine Bretschneider
WIEN. Noch sind längst nicht alle Infos publik gemacht, die die rund elf Mio. Dokumente einer Anwaltskanzlei in Panama bergen. Es darf angenommen werden, dass zahlreiche Politiker, Prominente, Funktionäre und Unternehmer bereits an Krisenzenarien für den Fall der Fälle basteln – oder auch nicht, wie das dilettantische Schauspiel rund um den isländischen Premier vermuten lässt. Der Vorstandsvorsitzende der in die Panama Leaks involvierten Hypo Vorarlberg, Michael Grahammer, zog am Mittwochabend die Reißleine und trat zurück.
Fazit: Man sollte rechtzeitig drauf schauen, dass man's hat, wenn man's braucht: die richtige Krisen-PR-Strategie nämlich. medianet sprach darüber mit den Krisen-PR-Spezialisten Rudolf Melzer, Managing Director der Melzer PR Group, und Axel Zuschmann, Geschäftsführender Gesellschafter von Ecker & Partner.
Angekündigte Katastrophen
medianet: Die Enthüllungen im Zuge der ‚Panama Papers' könnten auch in Österreich einige Personen bzw. Unternehmen beunruhigen. Die Recherchen waren ja seit Monaten bekannt, dennoch wurde etwa der isländische Premier offenbar von den Enthüllungen überrascht. Sollte man für diese Art von Kommunikations-Gau nicht von vornherein einen Krisenplan in der Schublade haben?
Rudolf Melzer: Zuerst muss festgehalten werden, dass Krisenkommunikation keinesfalls als Mittel zur Vertuschung illegaler Handlungen in Politik oder Wirtschaft missverstanden werden darf. Aber: Ja, auf jeden Fall sollte man auf schwierige Situationen vorbereitet sein. ‚Be prepared', lautet schon ein alter Pfadfinderspruch.
Das Absolvieren von Medientrainings, die die verschiedensten Arten von kommunikativen Krisen behandeln, ist die wichtigste Voraussetzung, damit man im Falle einer spontanen Anfrage nicht unvorbereitet ist. Das Medientraining sollte für Manager so sein, wie für Berufsfahrer der Erste-Hilfe-Kurs.
Axel Zuschmann: Professionelle Kommunikation heißt auch, sich selbst und sein Unternehmen regelmäßig auf mögliche Schwachstellen und heikle Themen abzuklopfen. Zumindest eine Basis-Planung – Sprachregelungen für verschiedene Szenarien, die Sprecherrolle, eine Auflistung der wichtigsten Stakeholder, die anzusprechen sind, und ein Krisenteam, das auf Knopfdruck parat ist – sollte daraus resultieren.
Ein Breitbandantibiotikum gegen Krisen aller Art gibt es nicht – sehr wohl aber Regeln, die in jedem Fall Gültigkeit haben (siehe Infobox).
medianet: Konkret gefragt: Für Unternehmen mit Offshore-Firmen in Panama wird es eng. Allein die Verknüpfung mit auftauchenden Begriffen wie ‚Umgehung von Sanktionen', ‚Putins Oligarchenzirkel' und ‚organisiertes Verbrechen' reicht für einen riesigen Imageschaden.
Was würden Sie einem betroffenen, aber noch nicht ‚publizierten' Unternehmen jetzt raten? Vorausgesetzt, es handelt sich nicht um illegale Machenschaften, sondern um ‚steuerschonende', legale Vorgänge …
Zuschmann: Vorbereiten auf den Fall, dass die Causa öffentlich wird. Wenn das der Fall ist, Anfragen kommen und der Druck zunimmt, muss man Größe zeigen, Fehler eingestehen und die Verantwortung dafür übernehmen.
Gleichzeitig muss man aber auch die Rahmenbedingungen thematisieren: dass es sich um ein moralisches bzw. politisches und kein strafrechtliches Problem handelt, und dass steuerschonende Anlagen ein Massenphänomen sind, von dem eine ganze Industrie gut lebt. Fehler einzugestehen heißt nicht, sich selbst zum Sündenbock zu machen.
medianet: Im Falle illegaler Machenschaften – ist hier Krisen-PR noch zu etwas nütze, oder hilft hier ohnehin nur mehr der Anwalt?
Zuschmann: Hier hilft der Anwalt. Krisen-PR kann Unrecht nicht zu Recht machen. Aber gezielte Kommunikation kann bei Schuldeingeständnis, tätiger Reue und Verantwortung für das Geschehene den Imageschaden begrenzen. Die Öffentlichkeit verzeiht jemandem, der illegal gehandelt hat und seinen Fehler einsieht und einbekennt, eher als jemandem, der sie belügt.
Melzer: Illegal ist illegal – in solchen Angelegenheiten sollte man nur mehr in Kooperation mit einem Anwalt kommunizieren. Und das sehr korrekt.
medianet: Und wie sollten Personen, die mit öffentlicher Aufmerksamkeit rechnen müssen, reagieren? Schon im Vorfeld in die Offensive gehen? Abwarten und einen Experten zu Rate ziehen?
Melzer: Das ist komplett abhängig von der Situation. Im Bedarfsfall kann beides sinnvoll sein: offensiv kommunizieren oder abwartend bleiben.
Zuschmann: Solange ein Fall nicht öffentlich ist, empfiehlt sich eine genaue Vorbereitung der Kommunikation mit Expertenunterstützung. Schnellschüsse provozieren oft Fehler und verhindern eine langfristig erfolgreiche Strategie.
medianet: Wird Steuerhinterziehung heute noch als Kavaliersdelikt wahrgenommen?
Melzer: Als Kavaliersdelikt gilt Steuerhinterziehung auf keinen Fall. Gerade in Österreich sind Wirtschaftsdelikte in letzter Zeit sehr hart bestraft worden. Hier ist für tendenziell gefährdete Personen und Unternehmen in der Kommunikation absolute Vorsicht geboten.
medianet: Kann sich ein Fußballer wie Lionel Messi eher zu solchen Konstruktionen bekennen als ein Politiker oder Wirtschaftskapitän?
Zuschmann: Auch wenn man Politikern mehr Verantwortung zuschreibt als Spitzensportlern – moralisch ist das gleich zu bewerten. Kommunikativ hat es der Sportler leichter. Ihm wird man eher glauben, dass er sich bei den Details einer Konstruktion nicht auskennt und auf seine Berater vertraut hat …
medianet: Und wie kommuniziert man im Falle der Verwicklung in solche Affären mit den Geschäftspartnern, den Kunden, den Lieferanten …?
Melzer: Im Normalfall sollte man umgehend auf Kunden, Lieferanten sowie andere Stakeholder zugehen und sie entsprechend über den Stand der Dinge informieren. Vertrauensbildende und -erhaltende Maßnahmen müssen so schnell wie möglich eingeleitet werden.
Zuschmann: Das hängt vom Grad der Verwicklung und der Öffentlichkeit des Falls ab. Eine bloße Erwähnung in einem Print-Artikel wird man nicht allen Geschäftspartnern gegenüber kommentieren; bei einer großen Story hingegen erwarten sich Kunden, Lieferanten, etc. zumindest eine Stellungnahme – ob auf der Website, persönlich oder per Schreiben bzw. E-Mail, ist im Einzelfall zu entscheiden. Eine Presseaussendung ist in diesem Fall ohnedies ein ‚Muss'.
medianet: Taugen Rechtfertigungsstrategien von Großkonzernen wie Amazon oder Facebook hier als mögliche ‚Benchmarkstrategie'? Ist die Schaffung von Jobs ein Argument, das wichtiger ist als eine hohe Steuerleistung?
Melzer: Das Job-Argument ist für Steuerhinterziehung sicher keine Rechtfertigung.
medianet: Abschließend: Wirken sich eine Affäre wie Panama Leaks oder dessen Vorgängerskandale spürbar auf die Auftragslage von auf Krisen-PR spezialisierten Beratern bzw. Agenturen aus?
Melzer: Kurzfristig wirkt sich solch eine Affäre eher nicht aus. Mittel- und langfristig aber fördern diese Geschehnisse die Bereitschaft von Managern, sich auf das Thema einzulassen bzw. an Trainings und Workshops zu Krisen-PR teilzunehmen.