••• Von Georg Biron
WIEN. Paris, Sharm el Sheikh, Istanbul, Jakarta, Ouagadougou – überall auf der Welt ist Terror möglich. Und natürlich ist auch die Tourismusbranche davon extrem betroffen. Zwar meldete Anfang der Woche die UN-Tourismusorganisation (UNTWO), dass die globale Branche mit 1,2 Mrd. Auslandsreisenden im Jahr 2015 einen Zuwachs von 4,4% verzeichnen konnte, doch vor allem die europäischen Urlauber überlegen sich ganz genau, wohin die Reise heuer gehen soll.
„Wir stehen an zahlreichen Orten auf dem Planeten einer globalen Bedrohung gegenüber”, so Taleb Rifai, Generalsekretär der UNTWO. Doch der Terrorismus hätte meist nur kurzfristige Auswirkungen auf die Besucherzahlen, glaubt Rifai: „Die Branche erholt sich nach den Attacken rasch wieder.”
„Schwenk hin zu Fernreisen”
„2015 war eine Hochschaubahn der Gefühle – und auch der Zahlen”, so Martin Fast, Geschäftsführer der Rewe Austria Touristik. Dass es 2016 besser laufen könnte, soll in erster Linie dem Geschäft mit weiter entfernten Destinationen zu verdanken sein: „Es ist ein Schwenk hin zu Fernreisen zu beobachten.” Die Malediven etwa seien schon im abgelaufenen Tourismusjahr mit einem Umsatzplus von 19% „ein Shootingstar” gewesen.
Sicherheit auf Reisen – so eine von Ruefa in Auftrag gegebene Gallup-Umfrage – ist für 72% der Österreicher wesentlich bei ihrer Urlaubsentscheidung. Für 38% ist eine ausführliche Beratung im Reisebüro ein wichtiger Faktor für eine sichere Urlaubsplanung – beispielsweise die Informationsbeschaffung über Reisewarnungen, Einreisebestimmungen, etc.
Fokus auf Sicherheit
„Eine umfassende, auf das Ziel abgestimmte Reiseversicherung deckt im Fall der Fälle alles ab – vom Storno über Gepäckschäden bis zur medizinischen Versorgung inklusive Rückholung mit Ambulanzjet”, erklärt Wolfgang Lackner, CEO der Europäischen Reiseversicherung AG. Speziell bei den Fernreisen sei die Wahl einer ausreichenden Versicherungssumme sehr wichtig, denn „aus Asien oder den USA könnten sich die Rückholkosten nach einem Krankenhausaufenthalt schon im sechsstelligen Euro-Bereich bewegen”, so Lackner.
Außerdem hält Lackner die Online-Registrierung auf der Seite www.reiseregistrierung.at für sinnvoll. Das Bürgerservice des Außenministeriums unterstützt bei Notfällen im Ausland rund um die Uhr und ist weltweit 24 Stunden unter der Nummer +43 1 90115 4411 erreichbar.
Mit der Reiseregistrierung bietet das Außenministerium allen Österreichern die Möglichkeit, ihre Kontakt- und Reisedaten in ein Online-Formular einzutragen. „Im Fall einer Krise oder Naturkatastrophe können wir sie dann rascher kontaktieren, informieren und ihnen in schwierigen Situationen zur Seite stehen”, so Österreichs Außenminister Sebastian Kurz. Aktuelle Reisewarnungen existieren derzeit für Afghanistan, den Irak, den Jemen, für Libyen, Mali, Mauretanien, Niger, Somalia, Südsudan, Syrien und die Zentralafrikanische Republik. Partielle Reisewarnungen des Außenministeriums gibt es auch für Länder wie etwa Ägypten, Indien, Marokko und Tunesien (http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reisewarnungen).
Tourismus und Terrorismus
Der Tourismus entwickelte in den vergangenen Jahrzehnten eine herausragende Bedeutung in der Weltwirtschaft und wird vom World Travel and Tourism Council (WTTC) als größte Industrie der Welt mit einem enormen Wachstumspotenzial bezeichnet. Durch die Globalisierung und den Technik-Fortschritt wird es für Reisende immer einfacher, in kürzester Zeit weit entfernte Destinationen zu besuchen.
„Der Tourismus ist durch Terror in Mitleidenschaft gezogen worden”, so der Soziologie und Kommunikationswissenschafter Wolfgang Aschauer von der Uni Salzburg. „Touristen werden oft von den Fundamentalisten als indirekte, symbolische Repräsentanten der westlichen Zivilisation sowie als Ziele für Anschläge betrachtet, wodurch es gelingt, ideologische Ziele in die Welt zu tragen und einheimische prowestliche Regierungen stark zu schwächen.”
Strategisch gelinge es Terroristen, die Wirtschaft und die Politik für Fehlentwicklungen im eigenen Land zu bestrafen, ideologisch könne die Tat als Angriff „gegen den Kapitalismus und gegen die Regierungen gewertet werden”, sagt Aschauer.
Die Medien spielen im Kalkül der Terroristen eine entscheidende Rolle. In Sachen Terrorattentate besteht in der Bevölkerung ein großer Informationsbedarf, in der Regel folgen über längere Zeiträume negative Berichte aus den jeweiligen Regionen. Die Berichterstattung beeinflusst dann nach und nach das Unsicherheitsempfinden. Das Image einer Destination wird schnell negativ, und sehr oft ist ein massiver Einbruch der touristischen Nachfrage die Folge.
Global Terrorism Index 2015
Laut der dritten Ausgabe des Global Terrorism Index (GTI; http://economicsandpeace.org/) des Institute for Economics & Peace (IEP) stieg die Zahl derer, die ihr Leben durch einen Terrorangriff verloren haben, so stark wie nie zuvor. So ist die Zahl der Todesopfer seit dem Jahr 2000 um das Neunfache angestiegen. Allein im Jahr 2014 ist die Anzahl der Menschen, die ihr Leben wegen terroristischer Aktivitäten verloren haben, um 80% angestiegen und hat mit 32.658 den bisherigen Höchststand erreicht; zum Vergleich: Im Jahr 2013 waren es „nur” 18.111.
Der Terrorismus hat sich im letzten Jahr stark ausgebreitet: Die Anzahl der Länder, die mehr als 500 Tote zu beklagen haben, hat sich mehr als verdoppelt. Sie stieg von fünf (2013) auf elf (2014). Neu dabei sind in der 2015er-Ausgabe des GTI Somalia, die Ukraine, der Jemen, die Zentralafrikanische Republik, der Südsudan und Kamerun.
Die wirtschaftlichen Kosten des Terrorismus erreichten 2014 mit 52,9 Mrd. USD (umgerechet ca. 48,4 Mrd. €) ein noch nie dagewesenes Niveau; diese Summe entspricht einem Plus von 61% im Vergleich zum Vorjahr und einem Anstieg um das Zehnfache seit 2000. Dazu IEP-CEO Steve Killelea: „Zehn der elf am stärksten von Terror betroffenen Länder verzeichnen die höchsten Flüchtlingszahlen und die meisten inländischen Vertreibungen. Das zeigt den Zusammenhang zwischen Flüchtlingskrise, Terrorismus und kriegerischen Konflikten.”
Ungefährliche Reiseziele
Im Prinzip ist Terrorismus heute allgegenwärtig. Trotzdem können, meinen die Experten, Urlauber natürlich auch 2016 ziemlich sicher verreisen. „Die Terrorgefahr hat auch die Heimat erreicht. Dennoch: Es gibt Reiseformen, die für Terroristen uninteressant sind, weil sie keine große Aufmerksamkeit mit sich bringen”, so der Tourismusexperte Torsten Kirstges von der Hochschule Wilhelmshaven: „Die Alm im Allgäu, das Ferienhaus an der Côte d'Azur, Wanderurlaub in Österreich. Für all diese Reisen existiert nahezu ein Null-Risiko.” Die Österrreicher jedenfalls lassen sich die Lust am Urlaub nicht vergällen: Laut aktuellem „Reisekompass”, einer jährlich durchgeführten Umfrage der Verkehrsbüro Group, werden rund 90% der Österreicher 2016 verreisen – rund ein Drittel sogar zwei- oder dreimal.