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© MVG/Johannes Kernmayer

Hannes Hofer

Redaktion 03.05.2024

Das größte inklusive Unternehmernetzwerk

Seit 240 Jahren bestimmt die Monopolverwaltung über das Geschäft mit Tabakwaren und die Trafik-Vergabe. MVG-Chef Hannes Hofer im Interview.

••• Von Alexander Haide

Mehr als 4.600 Trafiken gibt es in Österreich, wobei 1.218 von Menschen mit Behinderungen geführt werden. Wer Tabak verkaufen darf, entscheidet die Monopolverwaltung (MVG). Im Mai feiert die MVG ihren 240. Geburtstag – Grund genug, mit ihrem Geschäftsführer Hannes Hofer ausführlich über die Zukunft zu plaudern.


medianet:
Wenn Sie auf die lange Geschichte des Tabakmonopols zurückblicken – wie betrachten Sie die Entwicklung der vergangenen 240 Jahre?
Hannes Hofer: Im Jahr 1784 hat Kaiser Josef II. das Tabakmonopol gegründet und die Führung der Trafiken den Kriegsinvaliden und Kriegswitwen vorbehalten. Diese Marktform war auch Teil seines Bestrebens, die staatlichen Einnahmen zu erhöhen und gleichzeitig die Wirtschafts- und Verwaltungsstrukturen des Reiches zu modernisieren. Das Vollmonopol ist mit Eintritt in die EU gefallen, die Trafiken und das Einzelhandelsmonopol blieben aber bis heute bestehen.

Auch die fiskal- und sozialpolitische Idee des damaligen Regenten hat überlebt, und 1979 wurde der Kreis der Berechtigten auf Zivilinvalide erweitert. Bis heute, 240 Jahre später, funktioniert dieses System und hat sich bewährt, weiterentwickelt und transformiert. Heute gilt es weltweit als Vorzeigemodell für Inklusion und verantwortungsvollen Umgang mit sensiblen Genusswaren.


medianet:
Was relativ unbekannt ist – die MVG hat das größte inklusive Unternehmernetzwerk des Landes geschaffen. Erklären Sie bitte kurz die wichtigsten Vergaberichtlinien von frei werdenden Trafik-Stand­orten.
Hofer: Frei werdende Standorte werden ausschließlich an Menschen mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent vergeben. Melden sich mehrere Personen, so wird die Konzession an den sozial bedürftigsten Bewerber vergeben. Heute werden 1.218 Tabakfachgeschäfte von Personen mit Behinderungen geführt.

medianet:
Über welche Qualifikationen sollten angehende Trafikanten verfügen, was sind die Voraussetzungen?
Hofer: Wie gesagt, ist der Behinderungsgrad, der vom Sozialministeriumservice festgestellt wird, das wichtigste Kriterium. Die Bewerber müssen auch auf jeden Fall in der Lage sein, als selbstständige Unternehmer die Trafik zu führen. Um das zu gewährleisten, muss ein Eignungstest absolviert werden. Die Ausbildung zum Tabakfachhändler wird in einem Kurs und durch Praxistage ermöglicht.

medianet:
Mit dem EU-Beitritt wurde die MVG gegründet. Was sind die Aufgaben dieser unabhängigen Stelle?
Hofer: Das Monopol stellt sich als Einzelhandelsplattform dar. Trafikanten wickeln als Konzessionsnehmer des Staates den operativen Handel ab. Die MVG ist also vom Gesetzgeber bevollmächtigt, das Tabakmonopol zu verwalten und tritt als Moderatorin unter den Plattform-Partnern wie Industrie, Großhandel, Wirtschaftskammer, etc. auf. Das passiert im engen Austausch mit dem Finanzministerium, dem Eigentümer der Monopolverwaltung.

Zu den operativen Aufgaben gehört es, Trafiknachfolgen zu organisieren, Trafikanten während der Laufzeit zu begleiten sowie für eine effiziente Abwicklung der Handelsprozesse zu sorgen, Stamm- und Marktdaten zu sammeln und das Monopol weiterzuentwickeln.


medianet:
In Ihrer Basisstrategie ist festgeschrieben, dass Sie höhere Handelsspannen für Trafiken und die Industrie erzielen wollen. Bedeutet das automatisch steigende Preise?
Hofer: In Maßen steigende Preise sind das wirksame Instrument unserer Basisstrategie. Nur dadurch gelingt es uns, Effekte für die vier Ziele der MVG zu generieren. Gesundheitspolitisch bedeutet der Anstieg der Preise eine Drosselung des Tabakkonsums. Im sozialpolitischen Bereich bewirkt die Teuerung steigende Handelsspannen-Erträge, sichert strukturell die Trafikstandorte ab und sorgt für das Erreichen des fiskal­politischen Ziels von stabilen Steuerereinnahmen, aktuell in der Höhe von 2,7 Milliarden Euro.

medianet:
Wie sieht in Zeiten der Bestrebungen, den Tabakkonsum zurückzudrängen, die Zukunft der Trafiken aus?
Hofer: Das zunehmende Gesundheitsbewusstsein der Gesellschaft bewirkt einen signifikanten und willkommenen Wandel im Tabakkonsum. Produkte, die auf Schadensminderung abzielen, sogenannte Harm-Reduced-Products, bieten hier innovative Alternativen.

Für die Zukunft ist es entscheidend, diese neuen Generationen von Produkten in das bestehende Monopol zu integrieren. Das garantiert nicht nur den Jugendschutz, sondern ermöglicht auch eine Erweiterung der steuerlichen Grundlage auf diese Produkte.


medianet:
Welchen Stellenwert hat die Trafik als klassische Vertriebsstelle von Print-Produkten? Oder schwindet die Bedeutung in Zeiten des digitalen Medienkonsums?
Hofer: Es ist richtig, dass die gedruckte Zeitung nicht mehr den Stellenwert in der Trafik hat wie früher. Aber wir haben über 1.000 Kunden gefragt, weshalb sie in die Trafik gehen. Und 67 Prozent sagen wegen Lotto, und 60 Prozent geben an, dass sie wegen der Zeitungen hingehen. Aber trotzdem muss man sagen, dass 70 Prozent des Ertrages einer Trafik der Verkauf von Tabakwaren ausmacht.

medianet:
Seit vier Jahren gibt es EU-weit ein Track & Trace-Kontrollsystem. Können Sie es erklären?
Hofer: Im Mai 2019 ist das EU-weite Tabakkontrollsystem in Kraft getreten. Dadurch ist es heute möglich, jede Packung Zigaretten, von der Produktion bis zur Trafik, zurückzuverfolgen. Das Ziel des Systems ist, den Schmuggel und Fälschungen einzudämmen.

Die MVG liefert jährlich für 600 Millionen in Österreich zum Verkauf vorgesehene Zigarettenpackungen die Sicherheitscodes. Der Aufkleber gilt, ähnlich wie Geldscheine, dank Sicherheitsfasern, Mikrotext und speziellen UV-Papiers als nahezu fälschungssicher.


medianet:
Lassen Sie uns ein Jahrzehnt nach vorne blicken. Welche Rolle soll, wird und kann die MVG dann spielen?
Hofer: Auch in 240 Jahren wird es Menschen geben – und weil es Menschen geben wird, wird auch die Sehnsucht nach Genuss bestehen bleiben. Es wird immer Zeiten geben, wo man über Verbote nachdenkt, und dann wird es wieder Gegentrends bis hin zu liberalen Regeln geben. Die Gesellschaft wird sich aber einig sein, dass sensible Genusswaren regulierte Märkte brauchen, und die Trafik wird der Ort bleiben, wo man diese Waren bekommt.

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