••• Von Paul Hafner
WIEN. Nach dem massiven Ausgabensprung im E-Commerce in Österreich im ersten Pandemiejahr hat sich das Wachstum des Onlinehandels 2021 deutlich eingebremst. Kletterten die Umsätze 2020 von 7,2 auf 8,4 Mrd. € – ein sattes Plus von fast 17% –, stehen die erwirtschafteten 8,9 Mrd. € des Vorjahres für ein vergleichsweise moderates Plus von rund sechs Prozent.
EU-weit zeichnet sich ein ähnliches Bild ab, wenngleich – v.a. aufgrund der vor der Pandemie verhältnismäßig niedrigen Onlineshopping-Durchdringung in Märkten wie Bulgarien und Rumänien – auf deutlich höherem Niveau: Ein Umsatzanstieg von 266,5 auf 310,6 Mrd. € steht für ein Plus von 16,6%; im Jahr davor betrug das Wachstum 26,4%.
„Der große Sprung ist bereits 2020 passiert. 2021 hingegen ist die Online-Revolution ausgeblieben. Die Kundinnen und Kunden haben offenbar gelernt, mit der Pandemie-Situation umzugehen und ihr Shopping-Verhalten wieder etwas normalisiert”, fasst Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich, die Ergebnisse des EU-27-Online-Shopping-Reports zusammen, den das Institut für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) an der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) im Auftrag der Bundessparte Handel erstellt hatte.
Besonders bemerkenswert: Während die Zahl der Online-Shopper (16 bis 74 Jahre) im EU-Schnitt gegenüber 2020 von 65% auf 66% noch einmal minimal anstieg, hat sie sich in Österreich von 66% auf 63% sogar reduziert. Dass die Anzahl der Online-Shopper rückläufig ist, kann man durchaus auch als wirkliche Auszeichnung für den stationären Handel sehen”, folgert Trefelik.
2,5 Mio. kaufen nicht online
„Durch die anhaltenden Lockdowns war 2021 bereits das zweite Jahr, in dem sich für den Onlinehandel ein ,window of opportunity' aufgetan hat, eine zweite riesige Gelegenheit, sich zu profilieren – von der Ausgangslage her war das ein schweres Jahr für den stationären Handel und ein ,Chancenjahr' für den Onlinehandel. Vor diesem Hintergrund muss man die Zahlen interpretieren ”, führt IHaM-Vorstand Christoph Teller aus, und analysiert: „Angesichts der Tatsache, dass es den ,Betriebstyp' E-Commerce jetzt doch schon recht lange gibt, und wir uns seit zwei Jahren in einer Pandemie befinden, muten die Zahlen eher moderat an. Man muss sich vor Augen führen, dass deutlich über 30 Prozent – in Zahlen, 2,5 Mio. von 6,6 Mio. Menschen – nicht online gekauft haben – das ist schon bemerkenswert.”
Boom bei Jungen gestoppt
Überraschend mutet auch die Entwicklung der Online-Shopping-Durchdringung nach Alterskohorten an: Sie ging bei den 16- bis 24-Jährigen von 87 auf 78%, bei den 25- bis 34-Jährigen von 86 auf 79% und bei den 35- bis 44-Jährigen von 83 auf 73% zurück. „Wir beobachten bei den jüngeren Konsumenten eine Pendelbewegung — sie richten sich wieder mehr am stationären Handel aus”, so Ernst Gittenberger, Leiter des Centre of Retail and Consumer Research an der JKU.
Während der Anteil bei den 55- bis 64-Jährigen (47%, –2%) und bei den 65- bis 74-Jährigen (30%, +2%) mehr oder weniger stagniert, hat er sich bei den 45- bis 54-Jährigen von 62 auf 70% recht deutlich erhöht. Bis dato ausgabentechnisch klar hinter den drei jüngeren Kohorten-Gruppen, stellte sie 2021 mit 14,7 Mrd. € (+3 Mrd. €) die lukrativste Käufergruppe dar.
Kaufkraftabfluss
Nicht vergessen werden darf, dass der größte Teil der Ausgaben im E-Commerce ins Ausland abfließt:. Wanderten 2015 bereits 54% des Onlineumsatzes ins Ausland, betrug der Anteil 2021 bereits 63%. „Die ausländischen Online-Plattformen haben zugenommen; für die heimischen Händler ist wichtig, dass sie es schaffen, bestehende Kunden zu halten und ihren Kundenstamm auszubauen”, so Iris Thalbauer, Geschäftsführerin der Handelssparte der WKÖ.
Jedenfalls, so Trefelik, lasse sich konstatieren: „Der Restart, auch wenn wir in vielen Bereichen noch vom Vorkrisenjahr entfernt sind, ist geglückt, die Onlinewelle hat uns nicht weggeschwappt, und die heimischen Händler haben die Zeit genutzt, ihr Angebot auszubauen und zu optimieren.”
Entlastungen gefordert
Weil der (internationale) E-Commerce auch weiterhin – wenn auch abflachend – wachsen werde, müsse „der stationäre Handel gestärkt werden, etwa durch eine leichtere Erreichbarkeit, und es muss faire Spielregeln geben – sowohl zwischen Online- und Offline-Anbietern als auch zwischen den großen Online-Plattformen und den kleinen Online-Händlern”. Dazu würde etwa die Einführung einer Mindest-Ertragssteuer auf OECD-Ebene zählen, „aber auch eine Abfederung der steigenden Energiepreise für alle heimischen Handelsbetriebe” sei in der derzeitigen Situation ein wichtiger Punkt.