WIEN. Noch stärker als die meisten anderen Zweige der Lebensmittelindustrie von Gas abhängig, hielt der Ukrainekrieg die Milchwirtschaft 2022 in Atem: „Sollte Russland den Gashahn zudrehen bzw. es zu Ausfällen kommen, steht der Betrieb still, inklusive der Abholung der Rohmilch bei allen Bauern”, wies Nöm-Geschäftsführer Alfred Berger bereits vor zwölf Monaten gegenüber medianet auf die dramatische Situation hin.
Das Damoklesschwert fiel nicht – und die Milchwirtschaft kam letztlich mit einem blauen Auge davon; in anderen Worten: mit gewaltigen Kostensteigerungen bei Energie und Rohstoffe und eine Erhöhung der Erzeugerpreise von 30%.
Strukturwandel hält an
Die Belastungen für die Molkereien konnte man „nur bedingt weiterreichen”, den schließlich gefundenen Kompromissen sei ein „zähes Ringen mit dem Handel” vorangegangen, wie VÖM-Präsident Helmut Petschar im Rahmen einer Pressekonferenz Ende März betonte.
Entsprechend blieben der Milchwirtschaft von einem beträchtlich anmutenden Umsatzwachstum von rund 25% (3,05 auf 3,8 Mrd. €) inflationsbereinigt nur 0,2%. Weil auch die Kosten in Relation zu den Erzeugerpreisen auf Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe nicht Schritt hielten, verringerte sich auch die Zahl der Milchbauern neuerlich von 23.868 auf 23.178 – und damit um satte 2,9%.
In puncto Konsum verzeichnet laut Petschar insbesondere der Bereich der Markenprodukte eine Verringerung der Nachfrage – der Konsument sei merklich „preissensibler geworden”.Den rückläufigen Biomilch-Anteil (19,4 auf 18,9%) führt der Geschäftsführer der Kärntnermilch indes primär auf strengere Auflagen zurück.
Branchenweite Energiewende
Berglandmilch-Geschäftsführer Josef Braunshofer fasst die Situation aus Sicht des Marktführers zusammen: „Neben den üblichen Herausforderungen wie dem Wettbewerb mit unseren heimischen und europäischen Mitbewerbern, der sich merkbar schwieriger gestaltenden Suche nach Arbeitskräften und der sinkenden Anzahl unserer Milchbauern waren wir im letzten Jahr und sind wir nach wie vor mit enormen Preissteigerungen in den Bereichen Energie, Verpackungen, Logistik und Personal konfrontiert.”
Zugleich seien auch „das Thema Klimawandel und dessen Auswirkungen präsenter denn je”, man investiere daher „sehr stark in den Ausbau nachhaltiger Energiequellen”. Das deckt sich mit Berichten Petschars, der von branchenweiten „Schritten in Richtung Energiewende” spricht – die Kärntnermilch baue aktuell ein Biomassekraftwerk, viele Betriebe würden auf Photovoltaik umsatteln.
Was die Zukunft anbelangt, erwartet Braunshofer, dass sich „die Beliebtheit von Milch und Molkereiprodukten sogar noch etwas erhöhen wird” – der mittelfristige Ausblick sei in Summe „verhalten positiv”. (red)