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Eva Kaiserseder 23.02.2018

„Einkaufszentren leiden an Verwechselbarkeit”

Centerprise-Gründer Gerald Liebscher erklärt, warum regionale Mieter in Shoppingtempeln unbedingt verstärkt eingebunden werden sollten.

••• Von Eva Kaiserseder

Peter Pointner, Andrej Neuwirth und Gerald Liebscher haben vor Kurzem die Centerprise Group gegründet. Das Ziel: Einkaufszentren neues Leben einzuhauchen. Gerald Liebscher, der zuletzt Geschäftsführer der Millennium City und des Millennium Towers war, stand medianet Rede und Antwort.

 

medianet: Die ‚Wiederbelebung des stationären Handels' hat sich Centerprise auf die Fahnen geschrieben. Steht es wirklich so schlecht um ihn?
Gerald Liebscher: Der Druck durch das Onlinegeschäft auf den stationären Handel ist natürlich schon gestiegen. Dennoch hat der stationäre Handel jetzt und auch in Zukunft seine Berechtigung. Es werden sich die guten Konzepte auch langfristig behaupten können. Ein gutes Konzept muss jedoch mit der Zeit gehen und vor allem den Kundenerwartungen entsprechen. Und hier haben viele Händler deutlich Nachholbedarf.

Wesentlicher als die umsatzrelevanten Auswirkungen ist allerdings die Tatsache, dass die Expansion vieler Filialisten derzeit kaum vorangetrieben wird, vor allem aufgrund der Unsicherheit der zukünftigen Entwicklung.

 

medianet: Sie selbst waren Geschäftsführer der Millennium City: Wie sind die heimischen EKZ derzeit aufgestellt; wo sieht es gut aus, wo besteht Handlungsbedarf?
Liebscher: Hier muss man sehr stark differenzieren. Jene Center, die mit der Zeit gegangen sind und auch investiert haben, sind im Wesentlichen sehr gut aufgestellt. Hier gibt es weder mit der Auslastung, mit der Miethöhe oder auch beim Umsatz Einschnitte. Überwiegend sind hier sogar sehr positive Entwicklungen zu beobachten.

Es gibt aber auch ein Vielzahl – vor allem kleinerer – EKZ, die den Schritt in die Gegenwart nicht gemacht haben und bereits jetzt über substanzielle Leerstände und damit einhergehend Umsatzrückgänge klagen. Oft scheitert es an der Entscheidungsfreudigkeit und auch den Investitionsmöglichkeiten der Eigentümer. Jedoch muss man klar sagen, dass hier jeder einzelne Tag ohne Investition, ohne neues Konzept und ohne den Willen zur Veränderung ein verlorenerer Tag ist. Die Kunden wandern ab und es wird immer schwieriger und auch teurer, diese wieder zurückzugewinnen.


medianet: Welche Veränderungen im Mietermix lassen sich derzeit beobachten? Wie haben sich hier die vergangenen Jahre entwickelt?
Liebscher: International geht die Tendenz schon seit Jahren sehr stark in Richtung einer Erhöhung der Aufenthaltsqualität. Mittlerweile wurde dies auch in Österreich erkannt und es wird nunmehr sehr intensiv versucht, diese durch geänderte Architektur und ein neues Angebot für den Kunden zu erhöhen. Ein sehr wesentlicher Teil dieser Veränderung ist ein deutlich höherer Anteil an Gastronomie und auch Entertainment in Einkaufszentren.

medianet: Die Entwicklung hin zu steigendem Gastronomieangebot und kleiner werdenden Handelsflächen – wird dieser Trend anhalten?
Liebscher: Bislang betrug der Anteil an Gastronomie und Entertainment in Einkaufszentren rund sieben bis zehn Prozent. Die Tendenz geht derzeit in die Richtung, dieses Angebot auf bis zu 30 Prozent zu erhöhen. Dies bringt – vor allem, wenn es auch in Kombination mit einer Veränderung der Architektur einhergeht – deutlich längere Aufenthaltsdauer, eine gesteigerte Aufenthaltszufriedenheit und auch eine viel höhere Identifikation mit dem einzelnen Shoppingcenter. Da dieser Prozess aufgrund aufrechter Mietverträge bei bestehenden Centern meist nicht kurzfristig umsetzbar ist, wird diese Entwicklung sicherlich noch die nächsten Jahre anhalten.

 

medianet: Wie ließe sich die Flächenauslastung in den EKZ optimieren?
Liebscher: Jeder Betreiber strebt naturgemäß danach, eine möglichst hohe Auslastung zu haben. Allerdings ist das Problem sehr oft, dass sich keine Mieter finden, die die hohen EKZ-Mieten und Betriebskosten bezahlen können oder wollen. Dies ist insbesondere ein Thema für Center mit nicht so hoher Kundenfrequenz. Dazu gibt es mehrere Lösungsansätze: Generell macht es vor allem Sinn, das Konzept und die Ankermieter zu optimieren, um auch Attraktivität für die Vielzahl an Mietern zu bringen, die den Großteil des Centers tatsächlich auslasten. Dann ist auch die Kostenbelastung wieder tragbar für die Mieter. Und es wird in Zukunft immer wesentlicher werden, dass Mieter, die das Center einzigartig machen können, auch wirtschaftlich zusätzlich unterstützt werden. Hier geht es vor allem darum, einen USP für das Center zu schaffen, wobei Individualität und Regionalität eine immer größere Rolle spielen werden.

medianet: Die Centerprise Group will das Thema Regionalität ja verstärkt spielen. Wie will man das ausgerechnet bei Einkaufszentren umsetzen?
Liebscher: Einkaufszentren leiden heutzutage sehr oft an der Verwechselbarkeit der einzelnen Center. Überall die gleichen Marken, die gleichen Restaurants und sehr ähnliche Architektur. Es zeigt sich immer mehr – sowohl international wie auch in Österreich –, dass die Unverwechselbarkeit ein wesentliches Kriterium zur Kundenbindung und Attraktivitätssteigerung ist. Aus unserer Sicht ist es sehr wichtig, regionale Mieter einzubinden. Das kann der lokale Bäcker sein, aber auch die regional gut verankerte Boutique oder der Optiker. Jedenfalls sind es genau diese Konzepte, die ein Center einzigartig machen können. Dies natürlich immer in Kombination mit dem richtigen Gesamtkonzept.

medianet: Flächenwidmungen für neue Einkaufszentren wird es künftig weniger geben. Wie sollen die Betreiber reagieren?
Liebscher: Für die bestehenden Einkaufszentren ist dies oft positiv, da die Befürchtung, durch das nächste EKZ in der Stadt massiv Marktanteile zu verlieren, großteils wegfällt. Allerdings werden auch oft notwendige Entwicklungsschritte, vor allem bei Sanierungen mit teilweisen Erweiterungen des Centers, deutlich erschwert oder verhindert. Und gerade diese Investitionen sind notwendig, um Einkaufszentren am Puls der Zeit zu halten.

medianet:
Centerprise ist auch Scout für Mieter – was macht den perfekten' Standort für Gastro und Einzelhandel aus?
Liebscher: Ein sehr wesentlicher Teil unserer Tätigkeit besteht darin, für Mieter aus der Gastronomie und dem Einzelhandel die perfekten Standorte zu finden. Oft wird von Kunden nur die Kundenfrequenz oder das Standortimage als Kriterium herangezogen, tatsächlich können aus wirtschaftlicher Sicht oft eher unscheinbare Standorte weit interessanter sein, da die Preise deutlich günstiger sein können. Es gibt nicht ‚den perfekten Standort', der für alle gut ist, sondern es muss wirklich individuell auf den einzelnen Mieter eingegangen werden. Daher liegt bei uns der Schwerpunkt auch auf der Beratung, nicht auf dem Verschicken unzähliger Exposés von Flächen.

medianet: Wo sind die klassischen Fallstricke zu verorten, warum ein Shop oder ein Café nicht reüssiert?
Liebscher: Hier gibt es zwei wesentliche Themenbereiche: Einerseits scheitert es sehr oft daran, dass das Konzept für den Standort einfach nicht passt. Es wurde oft zu wenig Augenmerk auf diesen allerwichtigsten Punkt gelegt, meist aus Unwissenheit oder zu wenig Erfahrung der Gastronomen. Der zweite große Fallstrick ist das wirtschaftliche Thema. Viele Betreiber von Gastronomiebetrieben denken immer noch, dass Umsatz das wesentlichste Kriterium ist und nicht der Gewinn. Doch ist der Umsatz immer nur ein Mittel zum Zweck.

medianet: Ihre Prognose für die weitere Entwicklung der heimischen Einkaufszentren?
Liebscher: Es wird sich aus unserer Sicht eine klare Linie abzeichnen: die guten und die schlechten Einkaufszentren. Es wird wenig in der Mitte übrigbleiben. Daher ist es für Einkaufszentrenbetreiber aktuell so wichtig, den Schritt nach vorn zu machen, zu investieren, den Shopmix anzupassen und für den Kunden einen zusätzlichen Mehrwert zu schaffen. Jene, die das verabsäumen, werden immer schwieriger gute Mieter finden. Jene, die die richtigen Schritte setzen, werden erfolgreich in die Zukunft gehen.

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