••• Von Alexandra Binder
Man kombiniere qualitativ hochwertiges koreanisches Barbecue mit einer mexikanischen Tortilla, serviere dazu eine Spezialsauce und verkaufe das ganze als Taco um zwei USD aus einem Truck heraus: Mit einer solchen Idee kann man nicht nur in die Gastrogeschichte eingehen, sondern auch zum „Godfather of the Food-Truck Movement“ werden. Vorausgesetzt man heißt Roy Choi, ist ein gerade arbeitsloser, weil undisziplinierter, US-Spitzenkoch und setzt die Idee in die Tat um.
Hot places to eat
Choi tat´s zusammen mit seinem Kumpel Mark Manguera 2008. Seither kurvt ihr Food-Truck „Kogi BBQ“ durch Los Angeles und füttert die dort ansässige Bevölkerung erfolgreich mit sogenanntem edlen Fastfood durch. Seinem verlorenen Posten als Chefkoch des Nobelhotels Beverly Hilton weinte Choi bald keine Träne mehr nach. Denn Kogi BBQ mauserte sich bereits kurz nach der Eröffnung 2008 zum „hottest place to eat“ in L.A. Ein Jahr nach der Eröffnung machte man der Wirtschaftskrise sei Dank – die Amerikaner geben jetzt weniger fürs Essen aus – einen Umsatz von zwei Mio. USD (1,8 Mio. €), rüstete auf fünf Trucks auf und schrieb die Erfolgsgeschichte weiter. Nicht zuletzt dank Twitter. Choi und Manguera zeigten nicht nur vor, wie erfolgreiches Social Media-Marketing geht und dass Soziale Medien den Food-Truck-Hype ankurbeln, sondern schufen damit auch eine Art urbanen Mythos. Sturm und Drang-Expertin Elin Goethe analysiert den Erfolg der Food-Trucks so: „Die wechselnden Standorte und limitierten Öffnungszeiten schaffen ein Gefühl von Dringlichkeit und machen das Essen an der rollenden Kantine zum Event. Wer weiß, wann der Truck wiederkommt? Der Imbisskunde wird zum Insider, der per Food-Truck-App, Website oder Sozialem Netzwerk seine liebsten Food-Trucks live verfolgen kann.“
Choi, der vom amerikanischen Food Magazine 2010 zum „Best New Chef“ gekürt wurde, sieht die Sache so: „Die Food-Trucks sind heute das, was in den 1960ern die Musik von Grateful Dead war: ein eklektischer Mix verschiedener Stile – und lange, seelenvolle Impro-visationen.“
Hip, innovativ, qualitativ, günstig
Mobile Restaurants in Amerika sind dabei alles andere als neu. Schon Ende des 19. Jahrhunderts tauchten in New York und anderen Großstädten sogenannte Night Lunch Wagons auf, die Schichtarbeiter mit Essen versorgten. Im 20. Jahrhundert kamen mobile Armeekantinen dazu, klingelnde Eiswagen, Hot Dog-Stände, und man importierte die mexikanische Streetfood-Kultur in Form der Taco Trucks. Doch so unterschiedlich die Angebote sind, sie hatten eine Gemeinsamkeit: sie waren billig, ungesund und proletarisch. Die heutigen Food-Trucks? „Verbinden Nostalgie und digitales Zeitalter, Fast Food und gesunde Gourmet-Küche, die Mittagspause mit einem Hauch von Fernreise. Denn die meisten neuen Food- Trucks importieren Straßenkochkunst aus Lateinamerika, Afrika und Asien oder werfen einzelne Zutaten daraus in ihren mobilen Melting Pot“, sagt Goethe und bringt damit auch Chois Konzept auf den Punkt. Der ist zwischenzeitlich das, was man einen gemachten Mann nennt. Und: immer noch Food-Unternehmer. Mittlerweile gehören ihm mehrere Lokale in L.A. und er ist Partner des Szenehotels „The Line“ in Koreatown, das (wohl auch) dank ihm zum hippen Viertel avancierte. „Was viele über mich und meinem Erfolg nicht wissen“, sagt er „alles kommt davon, dass ich nichts zu verlieren habe.“ Dass er da nicht der Einzige ist, liegt auf der Hand. Deshalb fanden sich auch recht bald reichlich Nachahmer, die wegen der Wirtschaftskrise ebenfalls ihren Job verloren hatten, und nun auch mit einem Kleinlaster samt Kohlegrill neu durchstarten wollten. 2014 gab es in den USA schon fast drei Mio. Food-Trucks, die täglich unterwegs sind und mit frisch zubereiteten Speisen aus regionalen Zutaten zum fairen Preis fast 1,5 Mrd. USD (etwa 1,2 Mrd. €) Umsatz pro Jahr machen.
Die Erfolgsstory der Food-Trucks nahm ihren Ausgang naturgemäß auch deshalb in den USA, weil den rollenden Verpflegern dort von offizieller Seite kaum ein Stein in den Weg gelegt wird – abgesehen von einer zweimonatlichen Überprüfung durch das Gesundheitsamt. Diese Milde hat wiederum etwas damit zu tun, dass die Trucks zwischenzeitlich Teil der amerikanischen Kultur sind und Städte wie New York, Chicago, Philadelphia oder Washington schon regelrecht abhängig sind von den „mobilen Kantinen der modernen Business-Welt“.
Und auch medial werden sie gehypt: Der Kochsender Food Network etwa hat mit „Eat Street“ und dem Quotenrenner „The Great Food-Truck Race“, einem zur besten Sendezeit ausgestrahlten Fernseh-Wettstreit der Lkw-Köche, seit 2011 gleich zwei Food-Truck-Shows im Programm. Jedes Jahr kürt der Sender die 20 besten, häufig sind ehmalige Spitzenköche wie Choi die Sieger. Drei Jahre nach Chois Start, 2011, schwappte die Food-Truck-Welle dann auch nach Europa über. Die rund 60.000 €, um die ein Food-Truck zu haben bzw. umzubauen ist, sind ein überschaubares Risiko, das in Europa auch viele Gastro-Neulinge einzugehen bereit sind. Und damit sind wir auch schon beim größten Unterschied zu den USA. Denn während dort hauptsächlich erfahrene Köche die Trucks betreiben, sind es in Europa eher Newcomer und Aussteiger aus der Kreativbranche, die künftig als Gourmet-Nomaden ihren Lebensunterhalt verdienen wollen. Warum? Die schlichte Antwort: Hohe Mieten fallen weg, ebenso Personalkosten, und man bleibt autark.
Schwierige Ausgangssituation
Dass der Food-Truck-Weg frei nach Xavier Naidoo speziell in Österreich ein steiniger ist, das erfahren die Neulinge aber meist schnell. Wer etwa einen Standplatz auf einem der Wiener Märkte ins Auge fasst, der darf sich am gewünschten Tag bereits um sechs Uhr mit seinem Gewerbeschein dort einfinden, beim jeweiligen Marktservice einen Platz beantragen und hoffen, dass noch einer zu haben ist. Wer eine öffentliche Verkehrsfläche bevorzugt, der muss vorausdenken: Vier Wochen vor dem Verkaufstag muss der Termin eingereicht werden, samt Infos zur Tätigkeit an Ort und Stelle, zu den Ausmaßen der Örtlichkeit sowie zu den angebotenen Speisen, der Abfallentsorgung und vielem mehr. Dann wird vor Ort verhandelt. Das Quartett Marktservice, Polizei, Bezirksvorstehung und Stadtgestaltung widmet sich nicht nur Verkehrsordungsfragen, sondern beurteilt auch, ob der Food-Truck harmonisch in die Umgebung passt. Ganz zu schweigen von jederzeit möglichen Hygienekontrollen, die von einer halben Stunde bis zu acht Stunden dauern können. Interessant in diesem Zusammenhang ist übrigens eine Studie aus den USA, die eindeutig besagt, dass die Hygienevorschriften in Food-Trucks sogar besser eingehalten werden, als in traditionellen Restaurants.
Manchen Urgesteinen unter den heimischen Food-Truckern – 2015 waren es etwa 25 – ist diese Bürokratie längst zu viel geworden: Matthias Hofer und Leonie Mayer Rieckh etwa, die 2013 den Hot Dog-Laden „Hildegard Wurst“ aufzogen, führen heute einen stationären Laden. Und Road-Crêpe-Initiator Marc Schweiger hat Ende 2015 das „MarctStandl“ am Meidlinger Markt eröffnet. Aber nicht nur in Wien, auch in anderen europäischen Großstädten wie Hamburg oder Paris ist es für die Food-Trucker schwierig, einen von der Stadt genehmigten, geeigneten Stehplatz zu finden. Doch die Betreiber sind findig, stellen sich in Absprache mit Unternehmen auf Firmen- oder Privatgelände – Schweiger etwa verkaufte seine Crêpes u.a. auf dem Hof des Wiener Publizistik-Instituts.
Ein weiterer Ausweg, der gern gewählt wird, sind Streetfood-Festivals und -Märkte. Das Jahr 2015 brachte Wien den Food-Truck-Park in der Ottakringer Brauerei, das Street Food Cinema in der Naturarena Hohe Warte, den Street Kitchen Food Market in der Marx Halle (der allein 12.000 Menschen anzog), das erste Wiener Street-Food-Event namens „Diners Club #1“, und die Vienna Food Week mit dem Höhepunkt Vienna Food Festival.
Vienna Food Festival
Zu Letzterem fanden sich rund 70 Aussteller, Straßenküchen und Food-Trucks ein. Und wenn es nach Klaus Buttenhauser, Initiator der Vienna Food Week und des Vienna Food Festivals geht, darf es sogar noch ein bisserl mehr werden. „In Wien hat sich in den vergangenen Jahren eine hochwertige, facettenreiche kulinarische Szene mit kleinen Shops, DIY-Projekten und kreativen Gastrokonzepten entwickelt. Aber was Events betrifft, ist das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft – auch im Vergleich mit anderen europäischen Metropolen.“
Während Österreich übrigens noch mitten in der ersten Welle des Food-Truck-Hypes steckt, haben andere Metropolen diese längst hinter sich – und damit auch die schlechten Imitate erfolgreicher Konzepte. Selbst Fast Food-Riesen wie Taco Bell und Jack in the Box wollten mit eigenen Trucks punkten. Ein Land, das aus diesen Fehlern beispielsweise bereits gelernt hat, ist Kanada, sagt Elin Goethe: „Die Stadt Vancouver startete bereits 2010 das Food Cart Program, das Standorte, Qualität und Vielfalt der Food-Trucks kontrolliert und die Konkurrenz zu stationären Restaurants vermeiden soll.“
Die nächste Gelegenheit, Österreichs Food-Trucker kennenzulernen, haben Sie beim Streetfoodfestival, das zwischen 29. Jänner und 24. April in ganz Österreich über die Bühne geht. www.streetfood-festival.eu/
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