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© EY/Robert Herbst

Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich.

Redaktion 08.01.2024

EY Start-up-Barometer 2023

Nach dem Boom: Gutes Start-up-Jahr in Österreich trotz schwieriger Rahmenbedingungen – wenig Wachstumsfinanzierungen .

WIEN. Weltweit wurden in den Jahren 2021 und 2022 alle Rekorde in Hinblick auf Start-up-Finanzierungen gebrochen. Insbesondere bei den Finanzierungsvolumina wurden in diesen beiden Boom-Jahren spektakuläre Höhen aufgrund von starkem Wettbewerb auf Seite der Investor und den dadurch sehr hohen Unternehmensbewertungen erreicht. Mit der Zinswende, der steigenden Inflation, einer Flaute bei Börsengängen und wachsenden geopolitischen Unsicherheiten hat sich das Marktumfeld 2023 stark gedreht und weltweit gingen Bewertungen und damit auch Finanzierungsvolumina deutlich zurück.

Die österreichische Start-up-Szene verzeichnet trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen ein gutes Jahr: Die Anzahl der Finanzierungsrunden für heimische Start-ups stieg um 22 Prozent von 151 auf die neue Bestmarke von 184 – damit haben so viele heimische Start-ups wie noch nie innerhalb eines Jahres ein Investment lukriert. Der bisherige Höchstwert wurde 2020 markiert, als insgesamt 153 Abschlüsse gezählt worden waren.

Gleichzeitig sank – wie weltweit überall zu beobachten – der Gesamtwert dieser Investitionen gegenüber 2022 deutlich um fast ein Drittel (32 %) von rund einer Milliarde Euro auf ein Gesamtvolumen von 695 Millionen Euro. Gegenüber dem bisherigen Höchstwert aus 2021, als ein Gesamtvolumen von gut 1,23 Milliarden Euro realisiert worden war, bedeutet dies einen Rückgang um sogar 44 Prozent. Dieser Rückgang ist allerdings vor allem auf die geringere Anzahl an Großdeals im Umfang von mehr als 100 Millionen Euro zurückzuführen: Diese trugen 2021 675 Millionen Euro bei und 2022 550 Millionen Euro. 2023 kam es zu keinem Abschluss in dieser Größenkategorie. Rechnet man die beiden Ausnahmejahre 2021 und 2022 heraus, brachte 2023 mit Abstand das bisher höchste Finanzierungsvolumen – vor dem Boom lag diese Bestmarkte bei 262 Millionen Euro im Jahr 2020.

Das sind Ergebnisse des Start-up-Barometers Österreich der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Berücksichtigt wurden Unternehmen mit Hauptsitz in Österreich, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt.

„Nach zwei Boom-Jahren mit neuen Bestmarken bei Finanzierungsvolumina und Bewertungen sieht man überall auf der Welt den Trend ‚Back to the Old Normal‘. Für die österreichische Start-up-Szene war 2023 trotz der schwierigen Rahmenbedingungen ein starkes Jahr, in dem mehr Unternehmen denn je zuvor frisches Kapital bekommen haben. Natürlich fallen darunter auch Überbrückungsfinanzierungen, um Liquidität zu sichern. Diese werden allerdings zumeist diskret mit Bestandsinvestor durchgeführt, die Mehrheit der veröffentlichten Kapitalspritzen waren strategische Wachstumsrunden. Der Wermutstropfen sind wie schon in den Vor-Boom-Jahren die großen Anschlussfinanzierungen: Für Scale-ups ist es momentan enorm schwer, zwei- bis dreistellige Millionenfinanzierungen zu bekommen, um die nächste Stufe ihres Wachstumsplans zu erreichen“, sagt Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich.

Gute Langzeitentwicklung – aber schwierige Situation für Start-ups auf Wachstumskurs hält an
Die Entwicklung des österreichischen Start-up-Ökosystems sei in Anbetracht der Rahmenbedingungen umso höher einzuschätzen, so Haas: „In den letzten zehn Jahren hat sich das österreichische Start-up-Ökosystem von einem niedrigen Niveau kommend sukzessive professionalisiert und gut entwickelt. Heimische Start-ups und Scale-ups sind voll am Radar internationaler Investorengruppen angekommen, unsere Förderlandschaft ist internationale Top-Klasse und insbesondere im Frühphasenbereich haben wir mit einer sich gut entwickelnden Business-Angel-Landschaft gute Rahmenbedingungen. Mit dem Start-up-Paket wurde zumindest ein wichtiger erster Schritt gesetzt, um Gründungen und Mitarbeiterbeteiligungen zu vereinfachen. Österreich hat prinzipiell gute Voraussetzungen, um auch im internationalen Vergleich ein starker Start-up-Standort zu werden. Damit wir dort auch wirklich ankommen, muss vor allem an drei Hebeln gezogen werden: Unternehmer- und Gründertum fördern, bürokratische Hürden noch stärker abbauen und vor allem bessere Rahmenbedingungen für Investments von institutionellen und privaten Anleger schaffen, beispielsweise über die Etablierung eines Dach-Fonds. So könnte auch das strukturelle Problem der Wachstumsfinanzierungen für Scale-ups made in Austria angegangen werden“, so Haas.

„Gerade für Scale-ups ist die Zurückhaltung der Investor in Kombination mit sinkenden Bewertungen, hoher Inflation und der Zinswende ein gefährlicher Cocktail, der sich 2024 fortsetzen wird. Wir werden nächstes Jahr eine weitere Konsolidierung erleben, dazu gehören leider auch Downrounds – also Finanzierungsrunden mit niedrigen Bewertungen als bei der letzten Runde –, Insolvenzen und Mergers bzw Asset Deals, bei denen Mitbewerber in Schieflage übernommen werden. Wie sich das gesamte Start-up-Jahr 2024 wird, hängt wesentlich von drei Fragen ab: Wird es wieder eine Zinswende geben? Öffnet sich das IPO-Fenster wieder nachhaltig? Und wie entwickelt sich die Stimmung der Investor? Klar ist: Starke Founding Teams mit nachhaltigen Geschäftsmodellen und einem klaren Plan, wie Markt-Traction und Profitabilität erreicht werden können, werden auch in diesem Umfeld nach wie vor Finanzierungen bekommen“, sagt Haas.

Für Start-ups sei in der aktuellen Finanzierungssituation laut Haas folgendes besonders wichtig: „Wir sehen aufgrund der veränderten Marktbedingungen wieder mehr Vorsicht auf Seiten der Investor und deutlich mehr Fokus auf Due Diligence und genaue Prüfung der Geschäftsmodelle und Zahlen, auch weil der Wettbewerbsdruck um den Zuschlag bei Finanzierungsrunden zurückgegangen ist. Das ist gerade für Start-ups mit guter, durch Zahlen belegbarer Marktperformance und nachhaltigen Geschäftsmodellen und Skalierungs-Plänen eine Chance. Bei Entscheidungen für Start-up-Investments sind immer zwei Themen wichtig: Potenzial und ‚Path to Profitability‘ – nach wie vor sind beide Kriterien essenziell, der Fokus hat sich aber stärker auf die Frage nach Plänen, das Unternehmen profitabel zu machen, verlagert.“

Volumen pro Runde geht auf Vor-Boom-Niveau zurück
Die Finanzierungsrunden wurden 2023 im Vergleich zu den beiden Vorjahren bedeutend kleiner. Das durchschnittliche Volumen der Deals, bei denen eine Summe veröffentlicht wurde, ging deutlich um rund die Hälfte (51 %) von 8,92 Millionen Euro (2022) auf 4,35 Millionen Euro zurück. Im Rekordjahr 2021 lag das durchschnittliche Volumen getrieben von wenigen Mega-Runden bei rund zwölf Millionen Euro. Damit liegt das durchschnittliche Volumen einer Finanzierungsrunde in Österreich – bei deutlich mehr abgeschlossenen und veröffentlichten Runden – wieder auf dem Vor-Boom-Niveau im Jahr 2020 (4,5 Millionen Euro).

Zurückzuführen ist das insbesondere auf einen deutlichen Anstieg bei Finanzierungen in der Frühphase bei gleichzeitigem Ausbleiben von Mega-Runden. 2023 wurden immerhin vier Finanzierungsrunden mit einem Volumen von jeweils mehr als 50 Millionen Euro gezählt, das ist ein Deal mehr als im Vorjahr. Allerdings wurde kein einziger Deal im Umfang von mehr als 100 Millionen Euro verzeichnet, im Vorjahr gab es davon zwei (GoStudent, TTTech Auto).

In allen Größenklassen von bis zu 50 Millionen Euro übertraf die Anzahl der Abschlüsse in 2023 jeweils deutlich die Deal-Anzahl des Vorjahres: Die Anzahl der Frühphasen-Finanzierungen bis zu einer Million Euro stieg deutlich um ein Fünftel von 84 auf 102. Bei den ersten Wachstumsrunden zwischen ein und zehn Millionen Euro gab es einen leichten Zuwachs um rund zwölf Prozent von 39 auf 44 und bei Runden zwischen zehn und 50 Millionen Euro gab es eine Verdoppelung von fünf auf zehn Runden.

„Zwischen Anfang 2021 und Mitte 2022 wurden Finanzierungsrunden zu noch nie dagewesenen Bewertungen abgeschlossen. Im Langzeitvergleich sind diese drei Halbjahre als Sondereffekt einzuordnen. Mit dem geänderten Marktumfeld hat auch eine Konsolidierung stattgefunden, der überhitzte Wettbewerb ist merkbar abgekühlt. Damit sind auch die Bewertungen wieder deutlich zurückgegangen, was sich in kleineren Finanzierungsrunden widerspiegelt. Die Zeit des großen Risikos ist vorübergehend zu Ende, Investorengruppen finanzieren deutlich selektiver und mit weniger Kapitaleinsatz. Dass es in Österreich so viele Finanzierungsrunden wie noch nie gegeben hat, unterstreicht die in den letzten Jahren deutlich gestiegene Professionalität und Attraktivität des heimischen Start-up-Ökosystems“, so Haas.

Größte Finanzierungsrunde des Jahres für PropTech Gropyus
Die größte Finanzierungsrunde 2023 schloss das österreichisch-deutsche PropTech Gropyus mit rund 100 Millionen Euro ab. Dahinter folgen das Salzburger Logistik-Scale-up MYFLEXBOX mit rund 75 Millionen Euro, die nachhaltige Online-Plattform Refurbed mit rund 54 Millionen Euro, das oberösterreichische CleanTech-Unternehmen neoom (zwei Runden mit insgesamt 41 Millionen Euro), sowie der Lieferketten-Spezialist Prewave. Von den Start-ups mit den zehn größten Finanzierungsrunden des Jahres haben sechs ihren Sitz in Wien, zwei in der Steiermark und je eines in Oberösterreich und Salzburg.

Wien bleibt Start-up-Hotspot – Steiermark überholt Oberösterreich
Erneut gab es in Wien besonders viele Investitionen, die Hauptstadt konnte ihren Vorsprung als Start-up-Hotspot gegenüber den anderen Bundesländern wieder klar behaupten: Mit 104 Finanzierungsrunden vereinigten die Hauptstadt-Start-ups mehr als jede zweite hierzulande gezählte Finanzierungsrunde (57 %) auf sich und damit prozentual genauso viele wie im Vorjahr, als sich der Marktanteil ebenfalls auf 57 Prozent belief.

Auf Rang zwei folgt in diesem Jahr die Steiermark, die mit 23 Finanzierungsrunden – und damit um 44 Prozent mehr als im Vorjahr (16) – Oberösterreich überholt. Dort gab es 17 Finanzierungsrunden und damit um ein Fünftel weniger als 2022 mit 21.

Das mit Abstand meiste Kapital konnten erneut Wiener Start-ups einwerben: Gut drei von fünf hierzulande in Start-ups investierte Euros (61 %) wurden 2023 in Wiener Jungunternehmen investiert. Im Vorjahr lag dieser Marktanteil sogar bei 80 Prozent. Der Standort Salzburg belegt aufgrund der 75-Millionen-Runde für MYFLEXBOX mit einem Marktanteil von rund 13 Prozent Rang zwei vor der Steiermark, deren Start-ups es auf einen Marktanteil von zehn Prozent bringen.

Tech-Start-ups verzeichnen die meisten Deals
Die meisten Finanzierungsrunden wurden 2023 wie schon im Vorjahr im Softwarebereich abgeschlossen. Mit SaaS, Artificial Intelligence, Virtual Reality, Blockchain, Cloud, Cyber Security sowie Data Analytics umfasst dieser Bereich Start-ups mit neuen Technologien. Auch die Bereiche E-Commerce und Health auf den Rängen 2 und 3 verzeichneten jeweils deutlich mehr Finanzierungsrunden als im Vorjahr. Mit 64 Finanzierungsrunden (2022: 39) liegt die Software-Branche deutlich vor E-Commerce-Unternehmen (28; 2022: 19) und Health-Start-ups (20; 2022: 15).

Zwei Branchen brachten es 2023 auf Risikokapitalzuflüsse von jeweils mehr als 100 Millionen Euro: Start-ups aus dem Bereich Software & Analytics sammelten insgesamt 144 Millionen Euro ein (2022: 138), der Bereich ConstructionTech/Green Building konnte aufgrund der 100-Millionen-Euro-Runde für Gropyus 101 Millionen Euro auf sich vereinen. Darüber hinaus erhielten drei Sektoren jeweils mehr als 90 Millionen Euro: Mobility, E-Commerce und Education.

Deutlich mehr Geld für Start-ups im Bereich Nachhaltigkeit
Für Investorengruppen liegt der Fokus bei Investments in Start-ups klar auf den Themen Digitalisierung und neue Technologien. Als zweiter wesentlicher Bereich hat Nachhaltigkeit in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen, 2023 reflektiert sich das erstmals auch deutlich in den Zahlen.

2023 gingen immerhin 36 der insgesamt 184 registrierten Finanzierungsrunden an Start-ups, deren Geschäftsmodell unmittelbar auf Lösungen zum Thema Nachhaltigkeit und Kampf gegen den Klimawandel ausgerichtet ist – 2022 waren es nicht einmal halb so viele Abschlüsse (17). Der Anteil an den gesamten Finanzierungsrunden stieg damit von elf Prozent auf 20 Prozent.

Das Gesamtvolumen der Finanzierungsrunden im Jahr 2023, an denen Start-ups mit Nachhaltigkeits-Fokus beteiligt waren, belief sich auf 175 Millionen Euro – das ist ein Zuwachs von 465 Prozent gegenüber dem Vorjahr, als die Gesamtfinanzierungssumme für Start-ups mit Nachhaltigkeitsbezug auf lediglich 31 Millionen Euro betrug. Dementsprechend stieg der Anteil an der gesamten Finanzierungssumme auch deutlich von drei Prozent auf 25 Prozent.

„Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind die bestimmenden Themen der nächsten Jahre für alle Unternehmen. Start-ups können hier als Innovationstreiber eine essenzielle Funktion einnehmen. In Österreich will nach eigenen Angaben knapp ein Drittel der Start-ups Lösungen für die ökologische Transformation, den Kampf gegen den Klimawandel, die Dekarbonisierung oder Kreislaufwirtschaft bieten. Der Nährboden in Österreich für Green-Innovation-Start-ups ist sehr gut. 2023 schlägt sich das erstmals auch deutlich in den Zahlen nieder. So ging jeder vierte investierte Euro an Start-ups, die mit ihren Geschäftsmodellen das Thema Nachhaltigkeit adressieren. Dieser Trend wird sich weiter verstärken und Investorengruppen werden in diesem Bereich in den nächsten Jahren deutlich öfter und mehr investieren“, so Haas.

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