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Anna Muhr 18.01.2019

Künstliche Intelligenz als Mitarbeiter der Zukunft

Eine Studie von Capgemini analysiert den Einsatz von KI bei den weltweit größten Einzelhändlern.

••• Von Anna Muhr

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) wirkt sich schon jetzt auf alle Branchen aus. Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren laut Experten aber noch massiv verstärken – auch und vor allem im Einzelhandel. Dabei geht es um Produktivitäts- und Effizienzsteigerung, aber natürlich nicht zuletzt auch um ein verbessertes Kundenerlebnis. Die weltweiten Ausgaben von Handelsunternehmen für KI-Tools sollen sich in den kommenden Jahren mehr als verdreifachen, so lauten Schätzungen von Analysten: von derzeit etwa 2 Mrd. USD (1,7 Mrd. €) auf rd. 7,3 Mrd. USD (6,4 Mrd. €) in 2022.

Den Nutzen der KI haben also die meisten erkannt. Das sieht auch Andreas Hornich, Head of Insights & Data bei dem Tech-Consultingunternehmen Capgemini in Österreich, so: „Die Händler weltweit scheinen nun zu wissen, wie wichtig die Künstliche Intelligenz für ihre zukünftige Wettbewerbsfähigkeit sein wird. Das Bewusstsein ist da und erste Schritte wurden eingeleitet. Der großflächige Einsatz in der Praxis ist jetzt der nächste Meilenstein.”
Der hauseigene Think-Tank von Capgemini, das Capgemini Research Institute, hat diesbezüglich kürzlich die Studie „Retail Superstars: How unleashing AI across functions offers a multibillion dollar opportunity” vorgelegt. Dafür wurden im August 2018 Führungskräfte von 400 global agierenden Handelsunternehmen in USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, China, Indien, Italien, Spanien und Schweden befragt, die bereits KI-Anwendungen implementieren und sich dabei in unterschiedlichen Stadien befinden. Gemeinsam repräsentieren sie 23% des Umsatzes im globalen Einzelhandelsmarkt. In einem zweiten Schritt wurden außerdem die weltweit 250 umsatzstärksten Einzelhändler (Stand: 2017) im Hinblick auf ihren Umgang mit KI analysiert.

Große Erwartungen

Die Ergebnisse zeigen zunächst: Von den 250 umsatzstärksten Handelsunternehmen setzt etwas mehr als ein Viertel (28%) bereits heute Künstliche Intelligenz aktiv ein. Das entspricht einer Steigerung von elf Prozent gegenüber 2017, in 2016 waren es überhaupt erst vier Prozent. Die meisten davon sind große Kaufhausketten wie etwa der US-Riese Walmart (42%), gefolgt von Modehändlern (33%) und dem Lebensmittelhandel (29%).

Die Studie räumt auch mit einem gängigen Vorurteil auf: Entgegen der Vermutungen, zerstört die KI keine Arbeitsplätze. 71% der Benutzer gaben sogar an, dass KI heute Arbeitsplätze schafft, wobei sich über zwei Drittel (68%) dieser Jobs auf einem recht erfahrenen Niveau bewegen. Dagegen erklärten 75%, dass KI bislang keinerlei Arbeitsplätze ersetzt habe. Diejenigen die sagten, dass Arbeitsplätze eingespart wurden, schätzen die Zahl auf 25 oder weniger. Einig sind sich die Händler bezüglich des Einflusses von KI auf die Kundenbeziehung und Umsätze: 98% der Befragten, die KI in kundennahen Funktionen einsetzen, erwarten bis zu 15% weniger Kundenbeschwerden, während 99% der Befragten einen Anstieg der Umsätze von bis zu 15% erwarten.

Dualer Ansatz

Der Kundenbezug ist aber nur die halbe Miete, auch zu diesem Schluss kommt die Studie. Um die Chancen für zukünftiges Wachstum, den erwarteten Nutzen und eine realistische Umsetzung zu berechnen, analysierte das Capgemini Research Institute auch 43 konkrete Anwendungsfälle für KI.

Das Ergebnis: Rund drei Viertel der Anwendungsfälle im Einzelhandel sind verbraucherorientiert. Einzelhändler, die sich auf die KI in Vertrieb und Marketing konzentrieren, verlieren dabei aber leicht andere Bereiche wie Lieferkette, Beschaffung und Logistik aus den Augen, bei denen die KI auch für Quick-Win-Möglichkeiten angewendet werden kann. Heute sind nur 26% der KI-Anwendungsfälle auf den Betrieb ausgelegt, die aber hinsichtlich der Renditen zu den profitabelsten gehören. Zu den herausragenden Beispielen zählen die Verwendung von AI für Beschaffungsaufgaben (7,9% Return on Investment), die Verwendung von Bilderkennungsalgorithmen zur Diebstahlerfassung im Geschäft (7,9%) und die Optimierung der Supply-Chain-Routenplanung (7,6%). Eine digitale und optimierte Lieferkette bietet große Chancen, da KI hier deutlich mehr Effizienz bringt.
Hier sieht Capgemini enormes Potenzial: Laut der Studie können Einzelhändler in der Zukunft mehr als 300 Mrd. USD (260 Mrd. €) einsparen, indem sie einen dualen Kunden- und Betriebsansatz verfolgen und die KI-Anwendungen über die gesamte Lieferkette hinweg skalieren. Bei der Prüfung der aktiven KI-Anwendungen zeigte sich jedoch, dass nur ein Prozent dieser Projekte zur vollständigen, flächendeckenden Implementierung geeignet ist.

Komplexität reduzieren

Das Manko ist laut Capgemini, dass Händler sich auf komplexere Projekte mit höherer Rendite konzentrieren. Einzelhändler, die KI anwenden, arbeiten acht Mal häufiger an Projekten mit hoher Komplexität als an einfacher zu skalierenden „quick wins”. Bei den bisherigen Implementierungen fehle zudem der Fokus auf die Benutzerfreundlichkeit: „Der Großteil der Unternehmen legt bei KI Wert auf Kosten, Daten und Return on Investment, statt zu beobachten, welche Steine sie ihren Kunden damit in den Weg legen. Langfristig werden sich loyale Kunden nachhaltiger in finanziellen Kennziffern niederschlagen”, prognostiziert Experte Andreas Hornich von Capgemini.

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