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© Christian Dusek Ja! Natürlich

Redaktion 29.03.2024

Raus aus dem Stall, hinein ins Wiesenglück

Ja! Natürlich bringt die Revolution in den Hühnerstall: Freiland ist etabliert, das Bio-Ei wächst zweistellig.

••• Von Georg Sohler

Wer am Weg nach Gramatstetten einen Blick nach hinten wirft, sieht die Schlote der voestalpine entlang der Donau dampfen. Kommt man dann am Bauernhof der Familie Kaiser an, sieht man einen großen, lagerhallenartigen Bau neben dem klassischen Mühlviertler Bauernhaus. Der Kopf will es kaum glauben, dass hier, nur eine gute Viertelstunde vom Trubel von Österreichs drittgrößter Stadt entfernt, Bioeier in bester Qualität unter strengsten Standards und zum Wohle von Tier und letztlich Mensch herkommen. Es hätte auch alles anders kommen können, und die Einladung von Ja! Natürlich wäre an einen anderen Hof gegangen.

Neben dem Freilandgehege der Hühner grasen asiatische Buckelrinder; fast hätten diese aus Asien stammenden Zebus auch heute noch heimische Milchkühe als Nachbarn. Die waren schon da, seit 1995 wurde hier Biomilch produziert. Es waren Gedanken an die Zukunft, die dann aus dem Milch- einen Eierbetrieb machten. Renate und Andreas Kaisers Vorfahren bewirtschaften das Gehöft schon so lange, dass die aktuelle Generation nicht einmal mehr genau weiß, wie lange dieser schon in Familienbesitz ist. Und damit das so bleibt, überlegten sie vor bald zehn Jahren, wie sie Grund und Boden weiterbewirtschaften können. „2012 haben wir den Milchviehbetrieb übernommen”, erzählt Renate Kaiser. Geplant war eine Erweiterung; wegen des Bandscheibenvorfalls von Andreas brauchte es aber etwas anderes. Nachdem sich die Familie „umgeschaut” hatte – andernorts nennt man es Marktanalyse –, kam man auf die Geflügelexperten „Die Eiermacher” und die Idee mit Eiern. „Seit sieben Jahren dürfen wir mit unseren 3.000 Hühnern Eier produzieren.” Das Ganze wird auf den 15 ha Nutzgrund gemacht, wie ihr Mann ausführt und auch einen Benefit einbringt: „Die Flächen sind geringer bei den Hühnern, man ist unabhängiger.” Es war also ein bisschen Zufall bzw. Unglück mit dabei – mittlerweile ist die Familie Kaiser aber hochzufrieden.

Von Hendln …

Die Bio-Landwirtschaft bietet ihnen über den Bio-Standard hinausgehende Tierwohl-Maßnahmen wie Sandbadehütten für die Gefiederpflege oder strukturierten Grünauslauf mit Sträuchern oder Obstbäumen, die zur Verfügung gestellt werden. Das entspricht ganz der Natur des Huhns, das gerne im Sand „badet” und sich unter Gehölzen versteckt, insbesondere in den heißen Sommermonaten. Neben dem gentechnikfreien Bio-Futter fressen die Hühner, was sie an Samen, Körnern, Kräutern, Insekten oder Würmern in der Erde und auf der Wiese finden. Bio, das war der Familie wichtig. Schließlich wäre es auch anders, konventionell, gegangen.

Die erwähnte Halle ist der Stall, in den sich die Hühner vor allem vormittags zum Legen der Eier zurückziehen, dazu gibt es einen Wintergarten als Zwischenbereich. Dort haben sie Frischluft und Tageslicht, sind aber vor Wind und Wetter geschützt. State-of-the-art, wie alle Anwesenden erklären. „Vor 30 Jahren war die Frage, ob man Eier auch in Freilaufhaltung produzieren kann”, erzählt Andreas Steidl, Geschäftsführer von Ja! Natürlich. „Ich bin ja seit 20 Jahren dabei und wir haben uns überlegt, wie die Ausläufe sein können.” Im Zentrum stand in Sachen Bio die Frage, was man den Tieren anbieten müsse, damit sie sich wohler fühlen. Dabei gibt es auch Rückschläge. So wurde auch versucht, ein Huhn zu züchten, das sowohl viele Eier legt und auch Fleisch ansetzt: „Das schließt sich aus, es gibt aktuell keine eierlegende Wollmilchsau.” So gibt es eben jene Hühner, die Fleisch ansetzen, und eben diese hier bei der Familie Kaiser, die weiße Eierrasse Sandy.

… und Hähnen

Das kann sich sehen lassen. „Es ist immer schön, vor Ort zu sein und zu sehen, wie es den Tieren geht und wie sie sich verhalten”, erklärt dann Klaudia Atzmüller, die zweite Geschäftsführerin von Ja! Natürlich. Sie freut sich darüber, wie in Sachen Bioeier engagierte Bauern und eine Marke selbst Dinge bewegen können: „Unser Ansatz ist mittlerweile eine Branchenlösung.” Denn mit dem Wohl der Hühner hielten sich die Pioniere nicht auf. Männliche Tiere, die bekanntlich keine Eier legen, wurden früher geschreddert. Gemeinsam mit Manfred Söllradl, Geschäftsführer von „Die Eiermacher”, probierte Steidl herum, wie man mit den Hähnen umgehen kann: „Die Initiative gegen das bis dahin übliche Töten der männlichen Küken hatten wir mit ‚Vier Pfoten' über mehrere Jahre entwickelt und getestet und schließlich konnte sich die gesamte Bio-Branche in Österreich darauf einigen.”

Die aufgezogenen Gockel werden bei Ja! Natürlich als Gockelwürstel oder Moosdorfer Mini-Gockel verwertet. Die zehn bis 15 Hähne wirken beruhigend auf die Hühner. Damit sind die Eier noch besser. Bei diesem Produkt achten Herr und Frau Österreicher traditionell besonders auf die Herkunft und Haltungsform der Legehennen. 2,2 Mrd. Eier werden hierzulande jährlich gegessen, 13% sind Bio, weitere 31% aus Freilandhaltung. Der (leicht) rückläufige Bio-Anteil bei Eiern liegt laut AMA bei 19%. Damit liegen die Eier ungefähr gleichauf hinsichtlich Bio-Anteil wie Kartoffel (20,4%), Frischgemüse (22,7%) und werden nur von Joghurt natur (24,7%) und Frisch- und ESL-Milch (28,3%) überholt. Butter, Käse (rund 10%) sowie Fleisch & Geflügel (6,9%) und Wurst & Schinken (3,3%) können da nicht mithalten.

Gut davon leben

Der Eiermacher-Geschäftsführer betont: „Dieses Projekt hat nicht nur die Bio-Branche verändert, sondern auch gezeigt, dass wirtschaftlicher Erfolg und Tierwohl Hand in Hand gehen können.” Die Ei-Produktion verlangt weniger (körperliche) Arbeit der Bauern als Milchvieh. Hühner legen ihre Eier irgendwann zwischen Früh und Vormittag. Das wird auch die drei Kinder freuen, denn die „Hendln” zu haben, lässt mehr freie Zeiteinteilung zu – Stichwort Work-Life-Balance. Renate erinnert sich noch an die Zeit mit den fixen Stallzeiten bei den Kühen. Wie kommt es zu diesem etwas freieren Arbeiten? „Junge Hühner brauchen dabei ein bisschen mehr Zeit, ältere, geübtere schaffen es früher”, gibt sie einen Einblick in das Verhalten ihrer Tiere. „Wenn man das Verhalten der Hühner gut liest, dann kann man sich den Tag gut einteilen”, sagt sie weiter. Der Sohn und die zwei Töchter können sich über die Entscheidung freuen, das zeigen die Zahlen recht deutlich: Ja! Natürlich verkauft rund 40 Mio. Bioeier (von insgesamt 80 ausgewählten Betrieben) – vor 20 Jahren waren es halb so viele, und der Markt wächst.

Für den gegenwärtigen Markt braucht es rund 150.000 Legehennen, die Herden werden alle zwölf bis 14 Monate erneuert. Die Kaisers haben noch 3.000 – das Mindestmaß, um davon leben zu können. Es sollen oder können vom Platz am Hof her einmal doppelt so viele sein. Dafür müsse aber der Markt mitwachsen, die Investitionskosten pro Stall plus Gehege gehen in die Hunderttausenden Euros. Hierbei wird man sehen, was die Zukunft bringt und natürlich auch, was die Vorstellungen des Nachwuchses sind.

Abschied aus Gramatstetten

Den Abschluss bildet ein Rundgang durch die Halle. Innen drinnen schaut es auf den ersten Blick nach Industriebetrieb aus, selbst ein Marketing-geschultes Auge erwartet sich irgendwie etwas anderes. Doch das ist State-of-the-art in Sachen Bio-Haltung. In Kombination mit dem Freigelände und der spürbaren Hingabe der Kaisers für eine gute Haltung und Tierwohl ergibt sich ein gutes und auch realistisches Bild von Bio-Freilandhaltung. Nicht schlecht, diesen einmal zu haben.

Bei der Rückfahrt geht es schnell vom Land, wo die Lebensmittel herkommen, wieder zurück in die Industriestadt, wo die Menschen leben, die diese Nahrungsmittel verzehren – gerade jetzt zu Ostern, da 20% mehr Eier gegessen werden als zu anderen Jahreszeiten. Der kleinstrukturierten Bio-Landwirtschaft Österreichs hilft dies, auch wenn es stressig ist.
Der Hunger könnte schließlich auch anders gestillt werden, aber dank der Bio-Pioniere von Ja! Natürlich setzen immer mehr auf Bio-Qualität. So einen Bio-Betrieb kann man herzeigen. Dass die Familie Kaiser gut davon leben kann, erfreut abschließend.

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