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© APA/AFP/Olivier Douliery

Redaktion 12.01.2024

Warum Sie im Veganuary nicht vom Fleisch fallen

Die vegane Palette in den Supermärkten wird immer breiter. medianet rückt den Megatrend ins richtige Licht.

••• Von Georg Sohler

Das große Schlemmen zur Weihnachtszeit ist für Hobbyköche mittlerweile ein ziemlicher Spießrutenlauf. Vorbei sind die Zeiten, als gegessen wurde, was auf den Tisch kam. Irgendwann war dann irgendjemand Vegetarier – und musste sich mit Beilagen begnügen. Mittlerweile ist einerseits das Bewusstsein für Nahrungsmittelunverträglichkeiten höher, andererseits gibt es viele Menschen, die aus ethischen Gründen vor allem auf Fleisch verzichten. Bezeichnet werden diese als Vegetarier, auch Pescetarier, Flexitarier und Veganer. Letztere konsumieren gar keine tierischen Produkte.

Vegane Ernährung ist mehr als nur ein Trend, wie etwa der Smart Protein Report 2023 von Innova Market Insights zeigt. Gegenwärtig geben fünf Prozent der Österreicher an, sich rein vegan zu ernähren – Europaspitze. Weitere je zehn Prozent essen als Pescetarier oder Vegetarier (je fünf Prozent) kein Fleisch. Noch einmal 37% erachten sich als Flexitarier – sie essen, wonach ihnen ist bzw. verzichten öfter auf Fleisch. Im Laufe des letzten Jahrzehnts (2013–2022) sank folglich der Fleischkonsum der Österreicher von 65,1 kg auf 58,6 kg und damit um ganze zehn Prozent. In Europa geben 28% an, mindestens einmal pro Woche pflanzenbasierte Alternativen zu konsumieren – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu 2021, als der Wert noch 21% betrug. Die, die alles essen, werden weniger; in der Gen Z ist der Anteil an Veganern deutlich höher. Seit 2014 sorgt darüber hinaus der vegane Jänner als „Veganuary”, ein Kofferwort aus den englischen Begriffen „vegan” und „January”, für mehr Bewusstsein, um aus Tierwohl-, Klimaschutz- oder Gesundheitsgründen weniger Fleisch zu essen. Start-ups und der Lebensmitteleinzelhandel reagieren darauf. medianet hat sich in der Branche umgehört.

Erfolge für Produzenten

Ein in dem Bereich bekanntes Unternehmen ist Revo Foods, spezialisiert auf vegane Fisch­alternativen. Man bilanziert 2023 sehr positiv, wie Gründer Robin Simsa erklärt: „Wir haben im September 2023 stolz unser erstes 3D-gedrucktes, veganes Lachsfilet auf Mycoprotein­basis erfolgreich auf den Markt gebracht.” Andere Produkte aus dem Hause werden zudem laufend verbessert, der 3D-Druck könnte auch auf andere Alternativen angewandt werden. Doch das war längst noch nicht alles: „Neben der Eröffnung unseres eigenen Online-Shops konnten wir unsere Präsenz durch neue Listungen stärken. Wir haben unser Distributionsnetzwerk erweitert und sind nun auch in den baltischen Ländern vertreten.”

Einen besonderen Grundstoff für vegane Alternativen verwendet Wunderkern: Obstkerne. Diese waren bislang ein Abfallprodukt bei der Saft- und Marmeladeherstellung. Das Unternehmen fertigt daraus Milchalternativen oder auch den veganen Kesä. „Ein weiteres Highlight war der durchschlagende Erfolg unseres Kakaos”, freut sich Marketingleiter Dominik Kasper. Laut Eigenangaben tun sich Konsumenten gerade bei diesem Produkt schwer, ihn vom herkömmlichen Milch-Kakao zu unterscheiden.
Einen anderen Zugang im Bereich Food-Start-ups hat Fermify. Das Unternehmen hat einen klaren B2B-Ansatz. „Anstatt Casein (Anm.: Proteinanteil der Milch, der zu Käse weiterverarbeitet wird) als Ingredient oder ein Konsumprodukt zu vermarkten, spezialisiert sich Fermify auf den Verkauf von Präzisionsfermentation-Anlagen, damit unsere Kunden selbstständig Casein-Proteine herstellen können”, erklärt Eva Sommer, CEO und Co-Founder. Trotz schwierigen Marktes konnten sechs Mio. € Finanzierung abgeschlossen werden. Spätestens 2025 wollen einige Unternehmen Produkte mit der Technologie auf den Markt bringen. „Insgesamt resümieren wir das Jahr 2023 als sehr ereignis- und erfolgreich, da wir der Entwicklung von tierfreiem Käse, der die exakt gleichen Eigenschaften von traditionell hergestellten Kuhkäse aufweist, einen großen Schritt näher sind”, so Sommer.

Mitte der Gesellschaft

Der Veganuary als Awareness-Monat spielt für die Unternehmen eine große Rolle. „Die wachsende Marktfähigkeit und immer größere Auswahl an pflanzlichen Produkten hatte einen großen Einfluss auf die Konsumenten, da es von Jahr zu Jahr leichter fällt, sich pflanzlich zu ernähren – sowohl für Hobbyköche zu Hause, als auch in der Gastronomie”, meint Sommer. Für Wunderkern steht im Jänner im Fokus, wie einfach der Umstieg auf vegane Ernährung sein kann: „Unser Ziel ist es, durch spezielle Aktionen und Angebote während des Veganuary mehr Menschen für unsere Produkte und unsere Mission zu begeistern.”

Simsa für Revo Foods ergänzt: „Er ist ideal, um das Bewusstsein für nachhaltige Ernährung zu fördern, auch bei Flexitariern und denen, die bisher zögerlich waren, pflanzliche Alternativen zu entdecken.” Doch damit die Produkte einfach zu den Menschen kommen, braucht es den Lebensmitteleinzelhandel. Der ist in Österreich bekanntlich zwischen einigen, wenigen Playern aufgeteilt – und diese setzen auch auf vegan und beeinflussen durch ein größeres Angebot wohl auch den Trend.

Positive Entwicklung

Dies erfolgt sowohl durch Listungen der genannten Produkte, als auch durch Alternativen von konventionellen Verarbeitern tierischer Produkte oder durch Eigenmarken. „Die Nachfrage ist ungebrochen hoch, und immer mehr Konsumenten greifen zu veganen Produkten. Daher erweitern wir stetig unsere Vielfalt an Produkten”, erklärt etwa Spar auf medianet-Anfrage. 2023 kamen 20 neue Eigenmarkenprodukte ins Sortiment, insgesamt gibt es 120. Gesamt sind bereits 2.700 Artikel als vegan gekennzeichnet; eine Investition von knapp drei Mio. € in entsprechende Anlagen und Maschinen ermöglicht es, beim eigenen Fleischbetrieb Tann Innovationen schnell umzusetzen.

„Rein pflanzliche Lebensmittel nehmen seit Jahren einen immer höheren Stellenwert in den Ernährungsweisen der Österreicher ein. Das spiegelt sich hierzulande unter anderem im deutlichen Umsatzplus von plant-based-Produkten wider”, stellt Billa klar. Mit rund 7.000 Artikeln auf Pflanzenbasis verfügt etwa Billa Plus über das größte rein pflanzliche Sortiment in Österreich. Die Produkte der Eigenmarke Vegavita sind zudem preislich auf dem Niveau der Fleischprodukte. Denn lange galt vegan als eher nischiges Thema für betuchte Kunden.
Dass dem nicht mehr so ist, beweist auch der Umstand, dass auch die Diskonter darauf setzen. Bereits lange gibt es bei Hofer mit „Bewusste Ernährung” einen wichtigen Schwerpunkt im Rahmen der Nachhaltigkeits-initiative „Heute für Morgen”. Zum Thema vegan lässt das Unternehmen wissen: „Hofer setzt sich für die Förderung einer ausgewogenen, abwechslungsreichen und bewussten Ernährung ein. Die abwechslungsreiche Produktpalette solcher Artikel wächst konstant – so auch im vergangenen Jahr 2023. Die veganen Produkte erfreuten sich stark steigender Beliebtheit.”
Mitbewerber Lidl hat bis zu 450 vegane Artikel für im Sortiment, vor allem Milchersatzprodukte erzielen gute Umsatzzuwächse. Das Sortiment reicht vom veganen Faschierten, über veganen Käse bis hin zu Bio-Haferjoghurt oder veganen Schnitzeln. „Die Produkte kommen mittlerweile auch bei Fleisch-liebhabern gut an”, erklärt man.

Flexitarier ansprechen

Für den Diskonter geht es dabei nicht nur um Tierwohl: „Mehr als ein Drittel aller Treibhausgase gehen auf unser Ernährungssystem zurück. Fleisch ist für fast die Hälfte davon verantwortlich.” Im Veganuary möchte man demzufolge explizit Flexitarier ansprechen, mittels Spots in TV, Radio und auf Social Media.

Hofer unterstützt den veganen Monat, genauso Spar. Letztere machen dies das erste Mal offiziell. Ein Highlight ist der ab Mitte Februar erhältliche vegane Leberkäse, zuvor gab es eine Genussreise im Interspar am Schottentor, wo die Produkte ausprobiert wurden.
Billa plant ein Branding einer Straßenbahnhaltestelle in der Wiener Innenstadt mit AR-Screen und hatte einen Event im Palmenhaus. Darüber hinaus „schenkt” man den Kunden die höhere Mehrwertsteuer auf pflanzliche Drinks, denn diese liegt bei 20%, bei Milch nur bei zehn. Darüber hinaus werden manche Billa Plus-Standorte um eine „Pflanzilla”-Welt erweitert.

Das Ziel des Ganzen

Sollen nun aus LEH-Sicht alle vegan essen? Billa hält fest: „Aus unserer Sicht geht es weniger um rein vegane Ernährung, als um die Integration rein pflanzlicher Produkte in den täglichen Speiseplan.” Lidl wiederum will in Zukunft verstärkt auf Regionalität der Zutaten achten – auch ein zum Teil wohl berechtigter Vorwurf an jene, die auf tierische Produkte verzichten. „Ziel ist es, unseren Kunden bis 2025 das beste Angebot für eine bewusste und nachhaltige Lebensweise zu bieten. Dabei ist es uns wichtig, auch verstärkt auf die Regionalität der Zutaten und einen geringen Verarbeitungsgrad zu achten, um die ökologischen Vorteile zu verstärken und auch gesundheitstechnisch eine sehr gute Alternative zu tierischen Produkten zu liefern”, so das Unternehmen.

Und was erwarten die Hersteller von der nächsten Zeit? „Für 2024 erwartete ich den Markteintritt einer Großzahl an Produkten, die durch Päzisionsfermentation hergestellt werden”, erklärt Sommer dazu. Hier werde man gezielt Produkte finden, die pflanzenbasiert noch nicht den klassischen Konsumenten erreichen konnten, aber kaum mehr vom tierischen Pendant zu unterscheiden sind. Wunderkern will den Rohstoff, gerettete Obstkerne, mehr in den Vordergrund rücken.
Vegan, das ist ein Trend, der keiner ist, denn fleischlose Produkte sind überall in der Gesellschaft angekommen. Immerhin: Zu Weihnachten 2024 können die Einladenden auf noch mehr Produkte zurückgreifen, die sie Söhnen, Töchtern, Onkeln, Tanten und anderen Verwandten und Freunden anbieten können.

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