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Zweckoptimismus nach „fünf verlorenen Jahren”
© APA/Helmut Fohringer

Redaktion 24.01.2025

Zweckoptimismus nach „fünf verlorenen Jahren”

HV-Geschäftsführer Rainer Will verlangt eine nachhaltige Kurskorrektur zugunsten des Wirtschaftsstandorts.

••• Von Paul Hafner

Die heurige Neujahrs-Pressekonferenz des Handelsverbands stand ganz im Zeichen der Zahl fünf: Dem Rückblick auf fünf „verlorene Jahre” – in denen das reale Bruttoinlandsprodukt zwischen 2019 und 2024 um 1,7% zurückgegangen ist; dem Ausblick auf die bevorstehende, zumindest auf fünf Jahre angelegte Legislaturperiode; und schließlich fünf Forderungen, die der Handelsverband und seine Mitglieder an die künftige Regierung richten.

Gleich zum Auftakt begrüßte HV-Geschäftsführer Rainer Will ausdrücklich, „dass es keine neuen Massensteuern geben wird” – man habe schließlich ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem. Der österreichische Handel stehe am Scheideweg, ohne eine Kurskorrektur zugunsten des Wirtschaftsstandorts sei „unser Wohlstand nicht zu halten”. Damit der Wirtschaftsmotor wieder „höhertourig” laufen könne und damit weitere Betriebsschließungen sowie steigende Arbeitslosigkeit vermieden werde, brauche es aber „spürbare Anreize”.

Fünf Kernforderungen

Wie sich der Handelsverband die „Entbürokratisierungs-, Innovations-, Entlastungs- und Anreizoffensive” vorstellt, hat er in seinem vor der Nationalratswahl im September publizierten „Plan H” dargelegt (medianet berichtete mehrfach); diesem sind auch die fünf eingangs erwähnten zentralen Forderungen des HV an die künftige Regierung entnommen: Von einer Halbierung der Bürokratiebelastung bis 2030 inkl. „1-in-2-out”-Regel (auf allen Regulierungsebenen müssen für jede neue Vorschrift zwei alte gestrichen werden) und einer umfassenden Reform des Arbeitsmarkts, über eine praktikable „unternehmensnahe” Umsetzung des EU Green Deals und mehr Fairness im globalen E-Commerce (inkl. Abschaffung der 150 €-Zollfreigrenze) sowie, last but not least, eine bundesweite Förderung disruptiver Technologien wie insbesondere Künstlicher Intelligenz.

Darüber hinaus erwartet man sich von der künftigen Bundesregierung ein dreifaches Bekenntnis: zum heimischen Stationär- und Onlinehandel, zum heimischen Lebensmittelhandel und schließlich auch zu freien Interessenvertretungen wie dem Handelsverband selbst.

Zweckoptimismus und Kritik

Infolge des unerwartet starken Weihnachtsgeschäfts ist der Jahresumsatz des Einzelhandels 2024 gemäß Wifo-Prognose inflationsbereinigt um 0,7% auf 77,2 Mrd. € gestiegen – eine Trendwende, nachdem es in den teuerungsgeprägten Jahren 2022 und 2023 jeweils ein reales Minus (0,7% bzw. 3,6%) zu verzeichnen gab. Weiters positiv: Der Verbraucherpreisindex entwickelt sich kontinuierlich rückläufig, auch die sich verbessernde Konsumentenstimmung – Will spricht von einem „zarten Pflänzchen” – gibt den Händlern Anlass zur Hoffnung, die Zahl der Gewerbeanmeldungen im Handel stieg 2024 um zwei Prozent auf 15.667.

Weniger erfreulich: 1.146 Händler mussten 2024 Insolvenz anmelden, ein Plus von 16% gegenüber 2023; Katzenjammer herrscht insbesondere im Möbelhandel, wo der Umsatz im Gesamtjahr 2024 um acht Prozent einbrach und kika/Leiner endgültig Pleite ging.

Mehr Netto vom Brutto

Auf die schwierige Personalsituation im Handel und die damit verbundene Forderung nach einer Arbeitsmarktreform ging Karin Reisinger, Mitglied der Geschäftsleitung von dm und verantwortlich für den Bereich Mitarbeiter, näher ein: „In fast allen Ländern Europas erhalten Dienstnehmer mehr ‚Netto vom Brutto' als in Österreich” – und das habe natürlich auch Auswirkungen darauf, wie viel Stunden diese zu nehmen gewillt sind. Um den „Trend zur Teilzeitgesellschaft” zu stoppen, bedürfe es der Schaffung steuerlicher Anreize für längeres Arbeiten vor dem Pensionsbezug, einer Abflachung der Steuerprogression sowie einer Lohnnebenkostensenkung bis 2030 um 0,5% pro Jahr. Viel ungenutztes Erwerbspotenzial ortet Reisinger nicht nur bei Frauen insgesamt, sondern auch bei älteren Dienstnehmern beider Geschlechter: Die Beschäftigungsquote bei den 55- bis 64-Jährigen in Österreich liegt bei nur 57,3% und damit weit unter jener in Schweden (78%) oder auch Deutschland (70%).

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