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18.12.2015

Keine Rede von „Entfesselung”

Überregulierung, Fachkräftemangel, fehlende Servicequalität u.v.m.: Akzepta-Chef und „Serviceinitiative Leitbetrieb”-Gründer Erich Stadler sieht zum Jahresende eine ganze Menge Handlungsbedarf.

••• Von Paul Christian Jezek

NEUHOFEN/RIED. Österreichs kleine und mittlere Unternehmen stehen ohne Zweifel vor großen Herausforderungen: Die Wachstumsprognosen sind verhalten, die Arbeitslosigkeit steigt.

medianet sprach mit Erich Stadler über die derzeitige Standort­attraktivität des Landes – und wie man sie verbessern könnte.


medianet:
Herr Stadler, warum ist das Servicebewusstsein so ein ­wesentlicher Standortfaktor?
Erich Stadler: Das umfassende Bekenntnis zu exzellenter Servicequalität ist ein wichtiger Ansatz, um die Attraktivität des Standorts Österreich insgesamt zu heben.

Gerade aus diesem Bewusstsein heraus und aus der Erfahrung mit dem Thema Kundenservice, den wir bei der Akzepta Group schon seit 1988 ganz groß schreiben, habe ich die ‚Serviceinitiative Leitbetrieb' ins Leben gerufen.

medianet: Viele Betriebe kritisieren das Zuviel an Bürokratie, zu hohe Steuern und zu hohe Lohnnebenkosten. Welche Probleme belasten die Unternehmen Ihrer Meinung nach derzeit am meisten?
Stadler: Neben den von Ihnen zu Recht beklagten Missständen, die von der Politik direkt zu beeinflussen wären, sind Unternehmen zunehmend damit konfrontiert, dass es immer schwieriger wird, qualifizierte Mitarbeiter mit Sinn für Eigenverantwortung zu finden. Hier spielt nicht zuletzt die Vermittlung einer eher negativen Einstellung zu Leistung und Dienst-Leistung durch die meisten Medien eine Rolle. Die Serviceinitiative Leitbetrieb sieht es daher auch als eine ihrer Aufgaben, Mitarbeitern in den Unternehmen den zentralen Wert von Servicequalität zu vermitteln. Sie müssen wissen: Mein Gehalt zahlt der Kunde.

 

medianet: Welche Konsequenzen ergeben sich für heimische Unternehmer in Folge der teilweisen ‚Überregulierung'?
Stadler: Der ständig wachsende Wust an Gesetzen und Vorschriften bindet in den Unternehmen enorme Ressourcen in zeitlicher und personeller Hinsicht.

Die vielbeschworene ‚Entfesselung' der Wirtschaft, von der derzeit nicht im Geringsten die Rede sein kann, würde Potenzial freisetzen, das gerade im Bereich Servicequalität wesentlich produktiver und Erfolg versprechender zu nutzen wäre.

medianet: Aus Ihrer beruflichen Expertise: Welche Gründe sind derzeit die häufigsten Auslöser von Firmeninsolvenzen? Sehen diese Gründe heute anders aus als etwa noch vor zehn Jahren?
Stadler: Betrachten wir es im Umkehrschluss: Erfolgreich sind heute mehr denn je Unternehmen, die hohe Servicequalität bieten und dies als Alleinstellungsmerkmal auch deutlich zeigen.

Ebenso kommt es heute verstärkt darauf an, neben den harten betriebswirtschaftlichen Fakten auch die Soft Facts und die Werteorientierung seines Unternehmens im Auge zu behalten und überzeugend nach außen zu vermitteln. Dazu hat Akzepta den Kennzahlen-Branchen-Vergleich entwickelt, ein Analyse-Instrument, das jedem ­Akzepta-Kunden eine aussagekräftige Darstellung seiner Unternehmenswerte ermöglicht.

medianet: Der Thinktank Agenda Austria schreibt: ‚Die Vermögen sind insbesondere in Sozialstaaten besonders ungleich verteilt: Je geringer die Sozialausgaben eines Staates, desto höher sind die Nettovermögen des unteren Viertels der Bevölkerung.' Der Grund: Ohne staatliche Absicherung müssen alle (!) Bürger privat mehr vorsorgen. Was halten Sie von dieser Aussage?
Stadler: Es ist eine Tatsache, dass eine ausufernde Vollkasko-Mentalität im Sozialbereich letztlich für alle schädlich ist. Mitarbeiter, die eigenverantwortlich mit Servicebewusstsein und echter Dienst-Leistung überzeugen, steigern damit auch ihren persönlichen Marktwert und ihren eigenen wirtschaftlichen Erfolg.

Jene, die dies nicht erkennen, tun sich auf dem engen Arbeitsmarkt immer schwerer – mit der Folge, dass für sie erst recht die Allgemeinheit aufkommen muss.

medianet: Der Serviceexperte Vinzenz Baldus behauptet, ein Zuviel an staatlicher Regulierung konterkariere auch das politische Ziel der Vollbeschäftigung. Stimmen Sie dem zu?
Stadler: Ja, dem stimme ich absolut zu – aus den oben angeführten Gründen.

 

medianet: Im Koalitionsabkommen der Bundesregierung steht als Vorhaben: ‚Für jedes neue Gesetz soll ein bereits bestehendes Gesetz in vergleichbarem Ausmaß entfallen.' Werten Sie diesen Vorsatz in einem Zwischenresümee dieser Regierungsperiode als ‚gelungen'?

Stadler: Auch da verweise ich auf bereits Gesagtes: Die österreichische Wirtschaft ist alles andere als entfesselt. Überregulierung bindet Potenziale, die viel besser und produktiver investiert werden könnten, nicht zuletzt in mehr Servicequalität.

 

medianet: Ist es heute – und im Lichte der derzeitigen Arbeitsmarktsituation – eigentlich einfacher, geeignetes Personal zu finden?
Stadler: Der Fachkräftemangel ist eine Tatsache in vielen Branchen, wobei fachliche Qualifikation alleine ohnehin zu wenig ist.

Selbst ansonsten hervorragende Fachkräfte werden, wenn sie sich nur als Beschäftigte betrachten, nicht jene Höchstleistungen bringen, auf die es heute mehr denn je ankommt. Dies gelingt nur Mit-Arbeitern im besten Sinn des Wortes, mit Motivation, Kundenorientierung und dem gelebten Bekenntnis zu Servicequalität. Diese Eigenverantwortung wird auch von Interessensvertretungen leider nicht ausreichend vermittelt. Daher nimmt sich die ServiceInitiative Leitbetrieb dieses wichtigen Themas an.

medianet: Welche Forderungen der heimischen Unternehmen betrachten Sie derzeit als die wichtigsten? Mehr Investitionsförderung, weniger Regulierung, neue Fördermaßnahmen?
Stadler: Weniger Regulierung! Und wirksame Unterstützung der ­Unternehmen bei der Bewusstseinsbildung für mehr Servicequalität! Denn diese ist einer der stärksten Wachstumstreiber und wird umso wichtiger, je austauschbarer Produkte und Dienstleistungen werden.

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