••• Von Alexander Haide
Schon bevor der neue Ausbildungsberuf zur Fachkraft für „vegane und vegetarische Kulinarik“ Ende Juni ins Leben gerufen wurde, gingen die Wogen hoch. Braucht es wirklich einen eigene Lehrberuf für den aktuellsten Food-Trend, und weshalb dürfen sich Absolventen der dreijährigen Lehrzeit nicht Koch nennen? Die zuständige Fachgruppe der Wirtschaftskammer will derzeit keinen Kommentar zu dieser Kontroverse abgeben.
Gesprächiger ist Star-Koch Robert Letz, der vor allem durch seine wöchentlichen Auftritte im Frühstücks-TV des ORF bekannt wurde und sich bereits vor Jahren eine Haube „erkocht“ hat. Seit Kurzem unterrichtet Letz als Lehrer an der Höheren Bundeslehranstalt für Tourismus und wirtschaftliche Berufe Bergheidengasse in Wien und holt den Lehramts-Bachelor nach.
medianet: War die Einführung eines eigenen Lehrberufs für vegane und vegetarische Kulinarik wirklich nötig oder ist das nur eine Zeitgeisterscheinung?
Robert Letz: Wer braucht einen Porsche? Ob man den Lehrberuf gebraucht hat, muss jeder für sich selbst entscheiden, aber er passt in die Zeit und ist ein Thema. Gerade Österreich ist in Europa Vorreiter. Somit finde ich das nicht schlecht. Allerdings wird die Lehre in den Medien falsch dargestellt, ganz so, als ob jemand drei Lehrjahre lang nur vegan kocht. So ist es nicht, denn jeder muss die Grundkenntnisse genau lernen. Es gibt im dritten Jahr die Möglichkeit, sich zu entscheiden, ob man die gängige Kochlehre weitermacht oder ob man sich auf vegan und vegetarisch spezialisiert. Somit ist das schon eine gute Sache.
medianet: Was denken Sie darüber, dass sich Absolventen nicht Koch nennen dürfen?
Letz: Das ist okay, man hat sich ja dafür entschieden und nach dem Lehrabschluss ist man Fachkraft. Für mich ist das kein Problem, denn ich bin Koch und habe mich auf dem weiteren Ausbildungsweg dazu entschieden, mir dieses Wissen anzueignen.
medianet: Gibt es in der traditionellen österreichischen Küche ausreichend pflanzenbasierte Gerichte auf den Speisekarten?
Letz: Es gibt ausreichend vegetarische Gerichte, wie die Eiernockerln, Knödel mit Ei, gebackene Champignons. Das sind Klassiker der österreichischen Küche, die man trotz dem Weglassen tierischer Produkte umsetzen kann. Sie sind vom Geschmack gleich, aber von der Konsistenz her etwas anders.
medianet: Es müssen also keine neuen, fleischlosen Gerichte erfunden werden?
Letz: Nein. Wir haben kürzlich im Kurs etwas gekocht, das die Schüler Zwiebelrostbraten genannt haben. Für mich waren das aber Zwiebelschnitzel, denn alles, was ich dünn abschneiden kann, ist ein Schnitzel, egal ob vom Fleisch oder vom Gemüse. Der Rostbraten ist eine spezifische Bezeichnung eines Fleischteils. Ein Schnitzel kann aber durchaus eine Scheibe Soja, Tofu oder was auch immer Pflanzenbasierendes sein. Das so herzustellen, dass es nahe ans Original kommt, ist völlig in Ordnung.
medianet: Der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband Wien begrüßt die vegane Kochlehre zwar prinzipiell, forderte aber gleichzeitig eine umfassende Reform der gesamten Kochlehre. Ist die heutige Kochlehre noch zeitgemäß?
Letz: Sie ist insofern ausreichend, da die Lehre ja nur eine Basis schafft, um danach den Beruf auszuüben. Für mich war nach meiner Lehre die zweite Lehrzeit, denn man lernt im Beruf ständig weiter, da sich die Angebote auch immer wieder verändern. Was man adaptieren sollte und woran man arbeiten muss, ist, wie der Ausbildende damit umgeht. Es muss sich ja nicht um einen reinen veganen Betrieb handeln, es reicht aus, vegane Gerichte auf der Karte zu haben und Lehrlinge diesbezüglich auszubilden.
medianet: Wären verpflichtende, regelmäßige Nachschulungen, wie es sie in vielen Berufen gibt, eine Idee?
Letz: Das Portfolio in der Gastronomie ist derartig breit gefächert, und jeder muss sich selbst für ein Gebiet entscheiden. Wer einmal gelernt hat, wie man Zwiebel anschwitzt, braucht keine Nachschulung. Jeder, der Interesse an der Gastronomie hat und weiterkommen möchte, schult sich aus eigenem Antrieb weiter – durch Zeitschriften, Kochsendungen, mit welchen Mitteln auch immer.
medianet: Weiterbildungen sollten also jedem selbst oder den Betrieben überlassen sein?
Letz: Ja, wichtig ist nur, wie derzeit bei der pflanzenbasierenden Küche, dass man Anreize und neue Angebote schafft, um mehr anbieten zu können.
medianet: Italienische, vietnamesische oder arabische Restaurants dürfen nicht ausbilden, da keine traditionellen österreichischen Gerichte gelehrt werden. Ist das heutzutage noch zeitgemäß?
Letz: Definitiv, denn wir befinden uns in Österreich und erlernen hier unseren Job. Die internationale Küche fällt für mich unter zusätzliche Ausbildung.
medianet: Spitzenkoch Paul Ivic wird in der Kleinen Zeitung wie folgt zitiert: ‚Kunden verzeihen eher ein schlechtes Fleischgericht als ein misslungenes vegetarisches.‘ Stimmen Sie dem zu?
Letz: Dem kann ich nicht zustimmen. Es ist egal, ob der Kunde Fleisch oder fleischlos isst, wenn das Gericht nicht passt, wird er beides nicht akzeptieren. Weshalb sollte er das auch tun, schließlich bezahlt er dafür.
medianet: Hätten Sie vor zehn Jahren den Trend zur fleischlosen Küche geahnt und wie wird sich der Trend in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
Letz: Ich hatte bereits vor zehn Jahren das Gefühl, dass die Menschen bewusst weniger Fleisch, dafür aber in besserer Qualität, zu sich nehmen. Es war absehbar, dass sich jetzt der Trend generell hin zu pflanzenbasierenden Produkten verstärkt. Ich vermeide das Wort vegetarisch, denn das ist im Volksmund negativ besetzt. Dieses Image haben einige sehr radikale Veganer verursacht, denen es aber nicht um die Ernährung ging, sondern um den Tierschutz.
medianet: Was kommt bei Ihnen daheim auf den Tisch?
Letz: Ich verwende immer mehr frisches Gemüse aus dem eigenen Garten. Gerade jetzt, im Sommer, spielt auch das Klima mit. Wenn es derartig heiß ist, isst man weniger und eher Salate oder Gemüse.
medianet: Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus? Hier hat sich ja einiges getan.
Letz: Meine Pläne sind, dass ich mein Wissen meinen Schülern in der HLTW Bergheidengasse weitergebe, denn es macht irrsinnig viel Spaß, zu unterrichten. Ich habe dort eine volle Lehrverpflichtung und mache gerade den Bachelor für das Lehramt. Ich koche hauptsächlich in der Schule.
Wenn man als Quereinsteiger aus der Praxis kommt, kann man schon viel Einfluss auf die Kinder nehmen, ihnen etwas vorzeigen und vorleben. Es gibt auch das eine oder andere kulinarische Projekt, bei dem ich unterstütze, das ist aber eher Consulting. Jeden Mittwoch früh bin ich aber weiterhin bei ‚Guten Morgen Österreich‘ als Fernsehkoch im Einsatz.