WIEN. Vergangene Woche präsentierte Strategie Austria beim 4Gamechangers Festival 2018 in der Wiener Marxhalle ein aktuelles und sehr kontroversielles Thema: Big Data. Puls 4-Info-Chefin Corinna Milborn moderierte eine spannende Runde aus Datensammlern und -nutzern. Es diskutierten Autorin Ingrid Brodnig, Niklas Wiesauer, Teamleitung Unit Invention bei der Agentur MindShare, Martina Mara, Medienpsychologin für Roboterpsychologie an der Uni Linz, und Henric Wietheger, Leiter Kommunikation und Marketing beim Waldviertler Unternehmen Gea.
Wenn der Algorithmus irrt ...
Die Diskussion orientierte sich an drei Fragen: „Welche Daten geben wir her?”, „Was machen Unternehmen damit?” und „Was macht das mit uns?”. „Wir wissen gar nicht mehr, was alles gesammelt wird”, startete Ingrid Brodnig ins Thema. „Selbst wer das Internet nicht nutzt, wird über unterschiedliche Systeme im Alltag zumindest miterfasst.”
MindShare hat schon vor vier Jahren einen eigenen sogenannten Big Data Room etabliert: „Unsere Mission ist, ‚user beneficial advertising’ zu machen statt Werbung, die nervt”, erzählte Niklas Wiesauer, der gegen eine Überregulierung des Internets argumentiert.
„Es gibt viel Unbehagliches. Etwa, wenn Zuckerberg sagt, Facebook würde nur Daten sammeln, die User selbst angegeben haben – in Wahrheit aber auch speichert, wer eine Handynummer hat”, kritisierte Brodnig. „Das Unbehagliche im Staatsbereich wird beispielsweise in den USA deutlich, wo Algorithmen berechnen, ob ein Häftling auf Bewährung freikommen soll oder nicht, weil er wieder straffällig werden könnte. Das Problem: Bei Afroamerikanern entscheidet der Algorithmus öfter falsch.”
Künstlich, aber intelligent …
Martina Mara definierte die Macht der Algorithmen und die Artificial Intelligence dahinter: „AI, also Künstliche Intelligenz, Machine Learning, wird nicht erklärt. Es ist die statistische Auswertung großer Datenmengen, aus denen Maschinen Schlüsse ziehen. Auch Fehler werden daher von den Entscheidungssoftwares – für die Vergabe von Krediten bis hin zu Jobs – einbezogen.”
Henric Wietheger: „Wir bei Gea bieten Produkte an, die nicht in diese Welt passen. Aber auch wir probieren uns jetzt aus, zum Beispiel mit Facebook-Werbung, um Konsumenten besser kennenzulernen. Mich hat geschmerzt, dass ich zuvor in meinen sechs Jahren in einer Werbeagentur einem großen Konzern, der viel Unheil anrichtet – McDonald’s – viel Geld verschafft habe. Bei Gea hingegen unterstützen wir eine der letzten Schuhfabriken, wo noch mit der Hand produziert wird.”
Siri und Alexa wissen alles
Und was passiert, wenn die Kaffeemaschine, Siri, Alexa … alles speichern? Was kommt da auf uns zu? „Seit Einführung des Smartphones sind wir immer im Internet”, so Brodnig. „Und mit dem Internet of Things ist jetzt ‚alles’ im Internet: Intelligente Ampeln, die je nach Verkehrsaufkommen schalten, um Staus zu vermeiden zum Beispiel.” – „Wir stehen gerade erst am Anfang, wir geben Daten für Bequemlichkeit immer öfter her. Gleichzeitig müssen wir daher die Rechte um unsere Daten stärken.”
Wiesauer ergänzte: „Wenn etwas für dich gratis ist, dann bist du das Produkt – das heißt, du bezahlst mit Daten. Es wäre daher für mich sinnvoll, eine Bezahlvariante anzubieten und auszubauen. Oder umgekehrt, dass man für Gesundheitsdaten Geld als User bekommt.”
Ein Ersatz für Facebook?
„Was muss passieren, dass die Leute Facebook verlassen?”, fragte Wietheger: „Es muss wirklich weh tun. Vielleicht dann, wenn Menschen wegen Informationen ausgegrenzt werden, tun wir uns wirklich zusammen und entwickeln eine neue Plattform, auf der es wieder Spaß macht.”
Brodnig dazu: „Ich glaube, wir müssen auf europäischer Ebene die Frage aufwerfen, ob die Wettbewerbsbehörden einzuschalten sind. Der Marktführer Facebook durfte den Marktführer für Messenger, WhatsApp, kaufen. Das sollte nicht erlaubt sein.” Letztendlich jedoch regelt die Nachfrage das Angebot: „Der Einzelne wird weiterhin mehr Wert auf Convenience legen, so ticken wir einfach”, so die Psychologen Mara. (red)