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© APA/Helmut Fohringer

Redaktion 07.07.2017

Wahlkampf macht Mindestlohn möglich

Der Beifall seitens der Wirtschaft ist endenwollend. Die ­Arbeitszeitflexibilisierung müsse auf der Agenda bleiben.

WIEN. Der „Arbeitsmarktpakt” beherrschte vergangene Woche die Schlagzeilen. Ergebnis: Der Mindestlohn von 1.500 € brutto kommt bis 2020, die Arbeitszeitflexibilisierung nicht. Seitdem sind die Positionen verhärtet.

„Enttäuscht” zeigte sich Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl, der betonte, dass die Sozialpartnerschaft dennoch „sehr gut” funktioniere. Er vermutete innenpolitische Überlegungen im Zuge des Wahlkampfs hinter der nur halb geregelten Chose. Er wolle jedenfalls „keine Urlaubsregelung wie die Beamten” und „keine Arbeitszeitverkürzung”. Im Vorfeld war die Drohung der Regierung im Raum gestanden, im Falle einer Nicht-Einigung die Sozialpartnerschaft zu umgehen.

IV-Kapsch: „Bedauerlich”

„Bedauerlich” nannte Industriellenvereinigungspräsident Georg Kapsch das Ergebnis. Eine einseitige Einigung beim Mindestlohn, „die heimische Unternehmen bis zu 900 Millionen Euro kostet”, sei „ohne eine zeitgemäße und faire Arbeitszeitregelung unverständlich”. Die Position der Industrie sei nach wie vor, dass es mehr Spielräume bei der Arbeitszeit brauche.

„Geht an Problemen vorbei”

Auch der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) sah „wertvolle Chancen ungenützt”. „Für österreichische Indus­trieunternehmen, die im globalen Wettbewerb tätig und stark exportorientiert sind, sind flexible Regelungen von Arbeitszeit ein essenzieller Standortfaktor”, so Lothar Roitner, Geschäftsführer des FEEI.

Christian Knill, Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie, der größten Industriebranche Österreichs, zeigte sich „entsetzt” und nannte das Verhandlungsergebnis ein „Desaster”: Die Nicht-Lösung bei der Flexibilisierung gehe „an den Problemen unserer Unternehmen völlig vorbei”.
Die Spartenobleute der WKO-Bundessparten Gewerbe und Handwerk, Handel, Tourismus und Freizeitwirtschaft, Verkehr und Transport sowie Information und Consulting unterstützen offiziell die Entscheidung Leitls, dem kollektivvertraglichen Mindestlohn zuzustimmen. Mit der Einigung auf den Mindestlohn sei die Wirtschaft „in Vorleistung getreten” – jetzt sei die Gewerkschaft am Zug: Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten müsse zentrales Verhandlungsthema bleiben. Allerdings sei der Mindestlohn von 1.500 € in einigen Branchen – etwa Friseure, Gebäudereiniger, Floristen oder Konditoren – „ein enormer finanzieller Rucksack für die Betriebe”, so die Obfrau der Sparte Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelbauer-Schuster. Ein besonders wichtiger Punkt sei außerdem die Bekämpfung des Lohn- und Sozialdumpings durch Nachbarstaaten vor allem in den Bau- und Bau-Nebenbranchen.

„Existenzbedrohend”

Gerade für viele Kleinstbetriebe sei der geplante Mindestlohn existenzbedrohend, warnt auch der Direktor der KMU Forschung Austria, Walter Bornett. Ein typischer Dienstleistungsbetrieb mit einem Jahresumsatz zwischen 300.000 und 400.000 € und einem Mitarbeiter mit Mindestlohn erwirtschafte eine Umsatzrendite vor Steuern von 6.000 € jährlich. Wenn der Lohn der Mitarbeiterin um 400 € pro Monat angehoben würde, „dann ist dieser Gewinn weg”, rechnete Bornett vor.

„Den Mindestlohn gibt es nicht umsonst”, warnen auch die Wirtschaftsforscher von EcoAustria. „In manchen Unternehmen würde der Mindestlohn zu einer Verringerung der Gewinne führen und damit die Anreize für Investitionen und neue Arbeitsplätze senken. Andere Unternehmen würden versuchen, die gestiegenen Lohnkosten auf die Preise und damit auf die Verbraucher umzuwälzen”, erläutert EcoAustria-Forschungsvorstand Tobias Thomas. Dort, wo Preiserhöhungen nicht möglich seien, werde sich der Mindestlohn negativ auf die Beschäftigung auswirken „und das wäre besonders bitter”, so Thomas. (sb)

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