DESTINATION
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Claudia Kohl 29.09.2017

Weniger Marketing, mehr Network

Was bedeutet „erfolgreich sein” für die touristische Organisation im Jahr 2030 – und brauchen wir sie in Zukunft überhaupt noch?

Gastbeitrag ••• Von Claudia Kohl

Der Druck auf touristische Organisationen steigt – vor allem der Druck hinsichtlich der Effizienzoptimierung. Brauchen wir sie in Zukunft überhaupt noch? Vielerorts ist es notwendig, mutig einen neuen Zugang anzudenken.

Gefahren für Destinationen

Was gefährdet Destinationen? Praxiserfahrungen zeigen unter anderem folgende Anzeichen für aufkeimende Gefahren:
• Einzelkämpfertum: Es fehlt an der Zusammenarbeit in der Des­tination zwischen den Leistungsträgern oder zwischen den Gemeinden; Eigensinn statt Kräfte bündeln.
• Keine klare nachhaltige Linie: Es wird ständig Neues versucht, seien es häufige Änderungen der Marketingstrategien oder der kurzfristige Wechsel des Destinations­managers.
• Beschönigung der Vielfalt statt Kernkompetenzen zu definieren, mit dem Ziel einer klaren Positionierung.
• Oberflächlichkeit statt Tiefgang – sei es bei der Produkt­entwicklung, neuen Angeboten oder strategischen Leitlinien.
• Die meisten Unternehmer der Destination zeigen wenig Initiative, sowohl im eigenen Unternehmen als auch in ihrem Engagement auf Destinationsebene.
• Keine klare Aufgabenteilung zwischen Leistungsträgern auf Ortsebene, Regionsebene bzw. zwischen Gemeinde und der touristischen Organisation.
• Es fehlt der Mut zur Wahrheit. Kritiker werden als Nest­beschmutzer gesehen.
• Tourismus-Projekte werden verhindert und selbst von Touristikern oft als nicht notwendig gesehen.
• Politische Diskussionen statt fachlicher Arbeit bestimmen den Alltag.

Zentrale Herausforderungen

In den Destinationen müssen vor allem vier zentrale Herausforderungen gemeistert werden:
• Betriebliche Probleme: Oft fehlt die betriebliche Nachfolge in den Hotels; Investitionsstau und Konkurse sind zu meistern, Nahversorger sperren zu, Immobilienprojekte nehmen zu und „passieren” ohne Masterplan, kein Investorenmarketing …
• Falsche Erwartungen: Die Destination Management Organisation (DMO) wird von vielen Betrieben als Verkaufsmaschine und als Bettenfüller gesehen. Durchgriffsrechte werden der DMO jedoch keine zugestanden.
• Mittelmäßigkeit: im Branding, im Marketing, in der Dienstleistung, in der Infrastruktur…
• Stimmung und Perspektiven: Schwindender Glaube an den eigenen Ort, die eigene Region. Die Tourismusgesinnung lässt nach; die bisherige Motivation über Kapazitätswachstum ist noch nicht einer Motivation über das gemeinsame Wirken in Netzwerken gewichen.

Acht Thesen zum Erfolg

Kohl & Partner hat internationale Projekterfahrungen gebündelt und mit engagierten Touristikern des Dialog-Forums „KT2030 – Kritischer Tourismus 2030” diskutiert und reflektiert: Was ist notwendig, um auch im Jahr 2030 als Destination erfolgreich zu sein?
These 1: Die DMO entwickelt sich von einer Marketingorganisation zum Destinationsentwickler und organisiert sich als Netzwerk der Netzwerke.

Standortentwicklung in Richtung attraktive Lebensräume, in denen sich Einheimische wohlfühlen, gewinnt an Bedeutung. Gäste suchen verstärkt intakte und authentische Lebensräume.
Die DMO entfernt sich von der Dominanz des Marketings und wird zu einer Netzwerkorganisation mit Entwicklungsaufgaben.

These 2: Die Mindestgröße der DMO wächst, um den zunehmenden Anforderungen gewachsen zu sein. Die komplexen Anforderungen an eine DMO 2030 werden nur größere DMO schaffen – jedenfalls keine unter einer Mio. Nächtigungen.

Daraus folgt die Notwendigkeit, größere touristische Regionen zu schaffen, die vom Gast noch als Einheit (Destination) gesehen werden und die intern Identität schaffen. Im Zweifelsfall geht Identität und Abgrenzung der Destination vor Größe.

These 3: Die DMO braucht mindestens drei bis fünf starke Treiber bzw. Leistungsträger in der Destination; von ihnen geht das „Netzwerk der Netzwerke” (siehe These 1) aus und sie garantieren schnelle Entscheidungen.
These 4: Die DMO erhält eine völlig neue Führungsstruktur mit drei gleichwertigen „Bereichsleitern” bzw. Themenverantwortlichen. Die Organigramme der DMO müssen in Zukunft verändert werden. Marketing ist in der DMO nur noch ein Teilbereich. Vor allem der Bereich „Produktentwicklung, Erlebnisdesign & Wartung” und „Service & Integration” wird an Bedeutung gewinnen.
These 5: Die DMO wird zum Kompetenzzentrum für ausgewählte Themen und zum Innovationsmotor. 2030 garantieren nur Spitzenleistungen einen dauerhaften Erfolg, da sich Zufriedenheit und Unzufriedenheit noch stärker als heute über Social Media verbreitet.
These 6: Die DMO wird zum Support-Center für Mitgliedsbetriebe (Support nach innen). Ein Support-Center der DMO unterstützt vor allem Kleinbetriebe.
These 7: Die DMO wird zum Freizeit-Hub mit „Personal Support” (Support nach außen). Die DMO bietet Gästen tiefgreifende Unterstützung im Freizeit-Hub.
These 8: Die DMO initiiert ­eigene privatwirtschaftliche Gesellschaften als Investoren und Betreiber von Infrastruktur und Betrieben. Die Standortentwicklung wird nicht externen Treibern überlassen.

Das Fazit

Diese acht Thesen zur touristischen Organisation in der Des­tination 2030 zeigen im Kern die Notwendigkeit, dass sich eine erfolgreiche regionale DMO von der Dominanz des Marketings entfernen und zu einer Netzwerkorganisation mit Entwicklungsaufgaben mutieren muss. Touristische Organisationen wird es auch 2030 geben, aber die Strategie der DMO geht eindeutig in Richtung Destinations- und Standortentwicklung.

Kohl & Partner haben mehr als 35 Jahre Erfahrung in der Beratung und Entwicklung von Tourismusprojekten. www.kohl.at

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