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© AFP/dpa/Arno Burgi

reinhard krémer 07.06.2019

Abenddämmerung für europäische Banken

Ein erklecklicher Teil wird in den nächsten Jahren zusperren – Situation in Österreich deutlich besser.

••• Von Reinhard Krémer

Seit 2007 fühlt das Retail Banking Radar der internationalen Unternehmensberatung A.T. Kearney europäischen Retail Banken auf den Zahn. Für die aktuelle Studie wurden die Daten von fast 92 Privatkundenbanken und Bankengruppen in 22 europäischen Ländern hinsichtlich der Kriterien Ertrag pro Kunde und Mitarbeiter, Gewinn pro Kunde, Cost-Income-Ratio und Kreditrisikovorsorgequote untersucht.

Doomsday für Banken

Die Ergebnisse zeichnen ein düsteres Bild: Den Instituten droht in den nächsten Jahren ein gewaltiger Kahlschlag. Daniela Chikova, Partner Financial Services bei A.T. Kearney Österreich und Autorin der Studie, bringt die Studie auf den Punkt: „Unsere Daten zeigen, dass der Bankensektor heute stärker als vor zehn Jahren ist, aber stagniert, was Profitabilität und Kosteneffizienz betrifft. Viele Banken stehen vor einer strategischen Transformation, um die Ergebnisse zu verbessern.”

Konsolidierung geht weiter

Seit der Krise 200//2008 haben europaweit 24,6% der Banken geschlossen. Die Zahl der Bankangestellten verringerte sich um rund 12% bzw. 1,3% pro Jahr.

In den nordischen Ländern wurden in den letzten zehn Jahren sogar mehr als 50% aller Filialen geschlossen, und auch in Österreich schmilzt das Netz jedes Jahr um 2 bis 3%. Die Marktkonsolidierung werde aber noch 5-10 Jahre andauern. „In den nächsten fünf Jahren wird jede zehnte Bank entweder durch Verkauf oder Zusammenschluss nicht mehr am Markt sein, darunter auch bekannte Namen. Jene Institute, die sich besonders deutlich bei Kosten, Ertrag und Digitalisierung vom Wettbewerb absetzen, werden überleben.”

Erträge pro Kunde sinken

Im Branchenschnitt konnte zwar von 2008 bis 2018 insgesamt das Volumen gesteigert werden, im gleichen Zeitraum ging aber aufgrund der anhaltend niedrigen Zinsmarge der Ertrag pro Kunde dramatisch um 11% zurück. Erzielte man 2008 noch Einnahmen von 700 €, liegt man 2018 nur mehr bei 623 € pro Kunde. Bis 2020/21 sinken diese Einnahmen dann nochmals auf 595 €.

Die Folge: Die Banken leiden unter einem enormen Kostendruck sowie neuen Regulierungen, die für viele Institute das Aus bedeuten könnten. „Mehr als ein Drittel der europäischen Banken gelten als ,Wackelkandidaten'. Trotz, historisch betrachtet, überdurchschnittlicher Leistungen und des Drehens an der Kostenschraube verlieren sie immer weiter an Boden”, so Chikova.

Besser in der Alpenrepublik

Für österreichische Banken stellt sich das Szenario (noch) nicht so dramatisch dar. Insgesamt verbuchten sie in den letzten vier Jahren sogar ein Ertragsplus pro Kunde von 7,2%, während Deutschland ein Minus von 1,3% und die Schweiz ein mageres Plus von 0,4% aufweisen.

Als echter Europa-Champion unter den Geldinstituten erwies sich laut Studie einmal mehr die Bawag: Sie reihte sich unter die 14 Institute, die ihre Kostenstruktur verbessern und gleichzeitig ihr Aufwands-Ertrags-Verhältnis (CIR) unter 55% drücken konnte. „Seit der Übernahme durch Cerberus hat die Bawag ihre Hausaufgaben gemacht. Sie punktet mit sinkenden Kosten und höheren Erträgen durch das Kerngeschäft; dazu kommen neue digitale Vertriebskanäle, wie z.B. die ,klar'-App”, erläutert Chikova.

Aufstieg der Neobanken

Der Erfolg von Revolut, Monzo und der österreichischen N26 zeigt es vor: Neobanken sind in Europa nicht mehr aufzuhalten. Diese, zu 100% digital, ohne Filialen und auf Mobilgeräte ausgerichteten Institute, jagen den klassischen Banken die „Digital Natives” ab.

Vor allem sehr junge Kunden setzen auf diese Angebote, allerdings werden Neobanken vor allem als Zweitkonto genützt – das erste Konto liegt nach wie vor bei der Hausbank. Das Radar zeigt, dass die Kundenbasis der Neobanken seit 2011 um mehr als 15 Mio. gewachsen ist. Im Gegensatz dazu haben die klassischen Banken 2 Mio. Kunden verloren.

Himmel und Hölle

„In den nächsten fünf Jahren werden 50 bis 85 Millionen Kunden zu Neobanken wechseln. Um im Privatkundengeschäft über 2019 hinaus bestehen zu können, müssen sich traditionelle Banken den vielfältigen, neuen Bankangeboten auf dem Markt stellen”, so Chikova. Viele traditionsreiche Geldhäuser werden ihre eigene Neobank auf der grünen Wiese gründen, ist die Studienatorin überzeugt.

Open Banking, also die Öffnung von Finanzdaten für Dritt­anbieter, ist Fluch und Segen zugleich: Einerseits werden so innovative und lukrative Serviceleistungen erst möglich, anderseits entstehen neue Mitbewerber wie die Neobanken am Markt.
Überraschend zeigt das Radar, dass 50% der Europäer bereit sind, personenbezogene Daten auf breiteren, offenen Bankplattformen zu teilen. Auch große Geldhäuser öffnen sich neuen Plattformen, wie das Beispiel der Erste Bank – Stichwort „­Apple Pay” – zeigt.

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