••• Von Reinhard Krémer
Daten sind pures Geld – davon sind immer mehr Unternehmenschefs im Finanzbereich überzeugt. Unterm Strich zeigt sich: ganz so einfach ist die Sache partout nicht. Oft scheiden sich Wunschdenken und harte Realität.
Mehr Umsatz, weniger Kundenabwanderung und eine insgesamt höhere Kundenzufriedenheit – laut einer Studie von Wall Street Journal Insights (WSJ) profitieren Mitarbeiter im Finanzdienstleistungsbereich mit intensivem Kundenkontakt von einem einfachen und schnellen Zugang zu Daten. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit Qlik, einem Anbieter von Visual Analytics, durchgeführt. Laut der Erhebung sind 83 Prozent der Verantwortlichen in der Finanzdienstleisterbranche der Meinung, dass umfänglicher und schneller Zugang zu Finanz- und Kundendaten den jährlichen Umsatz um mindestens fünf Prozent steigern kann – wenn die Daten analytisch und verständlich aufbereitet sind.
Doch nicht einmal 20 Prozent der Unternehmen gewähren konsequenten Zugang zu Informationen und Daten über Team- und Abteilungsgrenzen hinweg. Das gilt leider auch für Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt, die in besonderem Maße von den Informationen profitieren könnten – und mit ihnen die Kunden selbst.
Glauben ist nicht wissen
Die weltweite Befragung unter 300 Führungskräften aus der Finanzdienstleistungsbranche zeigt deutlich: Zwar hat die Mehrzahl der Finanzprofis durchaus Zugriff auf wichtige Erkenntnisse aus ihren meist immensen Datensätzen, doch kommen die Informationen oft nicht bei den Mitarbeitern an, die direkten Kontakt zu den Kunden haben.
Dabei könnten gerade diese die analysierten und aufbereiteten Daten besonders gut gebrauchen. Obwohl die Mehrheit der Befragten der Meinung ist, ihre Analysefunktionen seien „sehr effektiv”, um Kundeninformationen zu erfassen (86 Prozent) und diese zu sichern (80 Prozent), ist nur etwa die Hälfte (51 Prozent) davon überzeugt, dass in ihrem Unternehmen Klarheit besteht, wer in der eigenen Organisation welche Informationen braucht. Die meisten Befragten (55 Prozent) sind jedoch der Ansicht, dass Tätigkeiten mit Kundenkontakt enorm davon profitieren, wenn den Mitarbeitern dort mehr und vielfältigere Daten zur Verfügung stehen. Dieser Teil der Mitarbeiterschaft ist es auch, der (nach Auffassung von 52 Prozent der Befragten) eine umfassende Transformation im Datenanalyseprozess im eigenen Unternehmen umsetzen wird. „Es liegt bares Geld auf den Servern – es kommt nur darauf an, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden”, so J. R. Reed, Senior Manager Financial Analytics bei Deloitte Consulting LLP. „Daten sind eine regelrechte Geldanlage. Wer konsequent Markt- und Kundeninformationen sammelt, bündelt und aufbereitet, kann diese nutzen, um seine Kunden und sogar seine ganze Geschäftsentwicklung positiv zu beeinflussen.”
Unharmonische Systeme
Häufig kämpfen Organisationen mit Kommunikationshürden und der Komplexität von Daten: Eine der größten internen Herausforderungen ist, dass Daten über eine Vielzahl nicht kompatibler Systeme verteilt liegen – dies gaben 42 Prozent der Befragten an. Auch wird beklagt, dass entscheidende Informationen durch mangelhafte Kommunikation verloren gehen (43 Prozent). Auch fehlt das Verständnis, dass Daten für das gesamte Unternehmen von enormem Wert sind (41 Prozent). Als externes Hindernis gibt die Mehrheit an, dass Informationen oftmals zu komplex sind, um diese zeitnah weiterzuverarbeiten.
In der Blase leben
Banken hinken im Vergleich zu anderen Unternehmen im Finanzwesen hinterher: Bankenchefs loben zwar mehr als Vertreter anderer Branchen die Effektivität ihrer Analysen (88 Prozent im Vergleich zu 76 Prozent aus anderen Zweigen der Finanzwirtschaft).
Aber nur wenige können dies nachweisen. Dies legt nahe, dass durchaus Verbesserungen nötig wären – besonders im Hinblick auf einen Markt, in dem kleinere und innovative Unternehmen immer neue Wege finden, um neue Kundengruppen zu erschließen.
Mit Blick auf die Studie fehlt dem Bankwesen im Vergleich zu anderen Branchen das Verständnis dafür, wer welche Informationen erhalten sollte (45 im Vergleich zu 55 Prozent). Diese Differenz vermittelt den Eindruck, dass Bankenchefs mehr als Vorstände aus anderen Finanzsektoren vermuten, ihre Mitarbeiter im Kundenkontakt würden ohnehin schon das Beste aus den vorhandenen Informationen herausziehen.
Werden Daten sinnvoll genutzt?
Anbietern auf dem Kapitalmarkt mangelt es an Selbstvertrauen – obwohl sie offenbar erfolgreich darin sind, Informationen an die richtigen Personen weiterzugeben: 52 Prozent der Befragten bewerten den Datenfluss in ihrem Unternehmen mit acht von zehn möglichen Punkten – im Vergleich zu anderen Industrien (32 Prozent) sind Anbieter des Kapitalmarkts also optimistischer, dass die vorhandenen Daten auch effektiv genutzt werden; sie wissen aber nicht, ob mit den Informationen auch sinnvoll weitergearbeitet wird.
Nur 42 Prozent der Verantwortlichen auf dem Kapitalmarkt vertrauen darauf, dass Daten über alle Hierarchieebenen hinweg genutzt werden, um Geschäftsprozesse zu optimieren und den Kundennutzen zu erhöhen. In Summe glauben nur 36 Prozent, dass Mitarbeiter mit Kundenkontakt umfassend zur Datennutzung befähigt sind. Immerhin planen die meisten Befragten (58 Prozent), Art und Umfang der verfügbaren Daten in ihren Organisationen auszuweiten – mit besonderer Rücksicht auf die Mitarbeiter mit Kundenkontakt.
Wo der Datenfluss stockt
Versicherungen gelingt es nur bedingt, sämtlichen Abteilungen konsistente Kundeninformationen zugänglich zu machen: Zwar geben Versicherer häufiger als ihre Kollegen im Bankensektor sowie Kapitalmarkt an, Daten aus vielen unterschiedlichen Quellen zusammenzuführen und darauf zuzugreifen (46 Prozent im Vergleich zu 38 Prozent in anderen Branchen).
Jedoch hapert es im Vergleich zu den beiden anderen Branchen daran, die entscheidenden Daten auch denjenigen Mitarbeitern nutzbar zu machen, die sie am meisten benötigen (26 Prozent gegenüber 45 Prozent). Eine weitere Schwierigkeit: Versicherungsunternehmen sehen sich selbst als Schlusslicht, wenn es darum geht, ihren Mitarbeitern lückenlosen Zugang zu Daten zu gewähren – darunter auch den Angestellten mit direktem Kundenkontakt (14 Prozent gegenüber 20 Prozent zu anderen Branchen).
Die Kleinen vor großen Hürden
Hürden für den Self-Service-Zugang zu Daten variieren je nach Unternehmensgröße: Kleine Firmen sehen die größten Herausforderungen in der internen Kommunikation, der Interoperabilität von Systemen, der Komplexität von Informationen und fehlenden Standards.
Mittelgroße Unternehmen hingegen sehen organisatorische Fragen wie die nach den Dateneignern, der Schulung von Endanwendern oder Zuständigkeiten auf Führungsebene als größere Herausforderung. Großunternehmen geben an, dass sie größere interne Veränderungen planen, um künftig einen noch höheren Nutzen aus ihren Analysen zu ziehen (57 Prozent im Vergleich zu 52 Prozent unter allen Befragten).
Vor allem die Menge und Vielfalt der Daten soll erweitert werden. Wichtige Zielgruppe sind Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt (67 zu 55 Prozent). Kleine Firmen hingegen beabsichtigen, in neue IT-Infrastrukturen zu investieren; dazu gehört auch, Anwendern im gesamten Unternehmen Zugriff auf eine einheitliche Plattform zu gewährleisten (52 zu 47 Prozent).