FINANCENET
© APA/dpa-Zentralbild/Jens Büttner

SchockwelleDie Pandemie wird ihren verheerenden Einfluss auf die europäischen Unternehmen wohl erst im Herbst zeigen.

Redaktion 03.07.2020

Es ist Feuer auf Europas Dach

Coface-Analyse: Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind in Europa von beispiellosem Ausmaß.

••• Von Reinhard Krémer

WIEN. Angebots-Nachfrage-Schock, zumindest teilweiser Produktionsstopp, Rückgang des Konsums durch Mobilitätseinschränkungen – all das mussten Unternehmen in Europa krisenbedingt verdauen.

Der Rückgang der Einnahmen hat die Liquiditätslage der Unternehmen verschlechtert, was zu einer Zunahme der Zahlungsverzögerungen – und letztlich zu Zahlungsausfällen – geführt hat, orten die Experten des Kreditversicherers Coface in einer aktuellen Studie.

Klamme Kassen

In den meisten europäischen Ländern müssen Zahlungsausfälle innerhalb einer bestimmten Frist durch den Geschäftsführer des Unternehmens, der ansonsten persönlich haftbar gemacht würde, der zuständigen Behörde gemeldet werden. Diese wird dann ein Insolvenzverfahren einleiten. Um jedoch gleichzeitig die Struktur und die Erholungsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften zu schützen, sobald die Pandemie unter Kontrolle ist, hat die überwiegende Mehrheit der europäischen Regierungen zwei wichtige Schritte unternommen.

Sofortmaßnahmen

Zum einen die Umsetzung von Maßnahmen zur Unterstützung des Cashflows der Unternehmen – wie die Stundung oder Streichung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern oder staatliche Garantien für von Banken gewährte Kredite –und zum anderen die vorübergehende Änderung des rechtlichen Rahmens, der Insolvenzverfahren regelt.

Die deutsche Bundesregierung hat vorgeschlagen, die Verpflichtung für Unternehmensleiter, innerhalb von drei Wochen nach Feststellung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein Verfahren einzuleiten, bis zum 30. September 2020 auszusetzen. Diese Maßnahme könnte durch einen Erlass des Bundesjustizministeriums bis zum 31. März 2021 verlängert werden.
Spanien hat sich dafür entschieden, bis zum 31. Dezember (zunächst zwei Monate nach Einstellung der Zahlungen) auf diese Anforderung zu verzichten; in Italien ist nur die Staatsanwaltschaft befugt, bis zum 30. Juni ein Versäumnisverfahren einzuleiten.

Lockerer Griff

In Frankreich ist der Geschäftsführer eines Unternehmens bis zum 24. August nicht mehr verpflichtet, innerhalb von 45 Tagen nach Eintritt der Zahlungseinstellung ein Insolvenzverfahren einzuleiten, da er andernfalls für die verspätete Beantragung des Konkurses haftbar gemacht werden kann. Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Bestehen oder Nichtbestehen einer Zahlungsaussetzung auf der Grundlage der Situation des Unternehmens am 12. März beurteilt.

Was auf uns zukommt

Nach den Prognosemodellen von Coface wird erwartet, dass die Zahl der Insolvenzen in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 und im Jahr 2021 in ganz Europa stark ansteigen wird. Deutschland, das am wenigsten betroffene Land, ist nach wie vor auf dem Weg zu einem Anstieg der Insolvenzen um 12% zwischen Ende 2019 und Ende 2021.

Frankreich (+21%) und Spanien (+22%) werden von der Krise stärker betroffen sein. Die größten Zuwächse bei der Zahl der Insolvenzen werden jedoch in den Niederlanden (+36%), Großbritannien (+37%) und Italien (+37%) erwartet.

Wen es weicher trifft

Obwohl die Insolvenzprognosen in etwa mit den Wachstumsprognosen übereinstimmen, sind einige Diskrepanzen erkennbar. Die Niederlande und Deutschland dürften die am wenigsten betroffenen Länder sein, mit einem BIP, das 2021 um weniger als zwei Prozent niedriger sein wird als 2019. Frankreich und Spanien würden mit einem BIP von weniger als drei und vier Prozent schlechter abschneiden.

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