Nein, immun sind die heimischen Kapitalanlagegesellschaften (KAGs) gegen die von China ausgehenden Börsenbrösel freilich nicht. Und so macht die am Montag von der Vereinigung Österreichischer Investmentgesellschaften (VÖIG) veröffentlichte Monatsstatistik einen bösen Strich durch das äußerst feine Bild, das sich noch per Ende Juli zeigte. „Wie schon der EZB-Chef Draghi heuer im Frühjahr sagte, müssen wir uns an ein Umfeld erhöhter Schwankungsfreudigkeit gewöhnen. Nach den Turbulenzen im August haben sich die Finanzmärkte wieder stabilisiert, die Investoren haben die Abwertung der chinesischen Währung und die erwartete Leitzinsanhebung in den USA in diesem Jahr verdaut“, meint Paul Severin von der Erste SparInvest im Gespräch mit medianet. Bei der 3 Banken Generali-Invest zeige sich, dass die Neukäufe sich in den vergangenen Wochen abgeflacht hätten, so Geschäftsführer Alois Wögerbauer.
Wieder mehr Engagement erwartet
Bis Jahresende bzw. auf mittlere Sicht sind die Experten bei der Erste SparInvest überzeugt, dass sich die Anleger wieder verstärkt am Kapitalmarkt engagieren werden. Die kurzfristigen Zinsen werden wohl auf längere Sicht noch auf einem extrem tiefen Niveau bleiben. „Anleger, die, real betrachtet, wert-erhaltend investieren möchten, kommen an den Segmenten Unternehmensanleihen oder auch Aktien nicht vorbei“, meint Severin.
„Zukäufe bei tiefen Niveaus”
Neben China mache auch der Verfall der Energiepreise Anlegern seit einiger Zeit zu schaffen, merkt Rainer Schnabl, Sprecher der Geschäftsführung der Raiffeisen KAG, an. „Im Gegensatz zu früheren Phasen mit hoher Volatilität nutzen die Anleger nun aber im Energiesektor die tiefen Niveaus verstärkt für Zukäufe, verkauft wird wenig. Was den chinesischen Markt betrifft, ist es für eine finale Beurteilung noch zu früh.“ Kunden der Raiffeisen KAG zeichneten sich dadurch aus, dass sie eher Ruhe bewahrten. Schnabl hegt die Vermutung, dass die Mehrzahl der Kunden die Hausmeinung teilt, dass der chinesische Aktienmarkt langfristig attraktiv sei.
Erstes Halbjahr lief sehr gut
Michael Schützinger, Vorstand der Schoellerbank Invest AG, sieht es ähnlich: „Die überwiegende Mehrzahl unserer Kunden hat als eindeutige Priorität den langfristigen Werterhalt bzw. die Vermögensvermehrung.“ Kurzfristige Marktschwankungen würden als interessante Gelegenheiten gesehen.
Nicht nur die Performances, auch die Absätze zeigten sich im ersten Halbjahr von der Schokoladenseite. Wögerbauer: „Neben dem unverändert guten Spezialfondsgeschäft war 2015 klar auffällig, dass auch Publikumsfonds hohe Zuflüsse hatten – die Privatanleger zeigen also wieder Interesse. Gefragt sind vor allem Mischfonds, wo das Fondsmanagement die Gewichtungen festlegt.“
Starker „Aufholer“ war die Kepler KAG. Geschäftsführer Andreas Lassner-Klein: „Wir haben das verwaltete Kundenvolumen im 1. Halbjahr inklusive Kursgewinnen und Neuabsatz um 1,9 Mrd. Euro auf aktuell 13,3 Mrd. Euro gesteigert. Das entspricht einem Zuwachs von 17 Prozent und liegt deutlich über dem heimischen Gesamtmarkt, der im selben Zeitraum ein Plus von 5,6 Prozent zu Buche stehen hat.“ Im Bereich Publikumsfonds seien Mischfonds und vermögensverwaltende Produkte die Top-Seller. Kunden fordern heute immer mehr dynamische Anlagelösungen, die aktiv und zeitnah auf Veränderungen am Markt reagieren.
Auch bei der Schoellerbank Invest geht das Gros der Mittelzuflüsse aus dem Segment der Publikumsfonds. Schützinger: „Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Fonds teils auch in der Vermögensverwaltung der Schoellerbank eingesetzt werden.“ Die Zuwächse gingen nicht nur auf Neukunden, sondern auch auf Nachlagen bestehender Investoren zurück.
Die Erste SparInvest habe besonders im Bereich „Gemischte Fonds“ punkten können, die gemischten Veranlagungslösungen, allen voran die Produktfamilie You Invest, erreichte per 30.6. in Österreich ein Volumen von 782 Mio. Euro und sah in Summe über alle Länder, in denen You Invest zugelassen ist, ein Volumen von 1,28 Mrd. Euro. „Am meisten nachgefragt wurde dabei der ,You Invest balanced‘, bei dem eine Aktienquote von bis zu 30% vorgesehen ist“, präzisiert Severin.
Und nun? Vorsichtig und aktiv bleiben
Die meisten Marktbeobachter sehen bei den wirtschaftlichen Indikatoren eher eine Fortsetzung der moderaten Erholung, was für eine weiterhin vorsichtig positive Haltung gegenüber den Risikoklassen in den Industriestaaten und für aktives Management spreche, so Severin. „Insbesondere die Eurozone habe weiterhin ein positives Momentum“, so sieht es Lassner-Klein. „Für China erwarten wir staatliche Maßnahmen zur Stabilisierung des Wachstums. Es besteht noch entsprechend großer geld- und fiskalpolitischer Spielraum. Die Wachstumsdynamik in den Schwellenländern und auch in den Industriestaaten sollte davon wieder profitieren.“
Raiffeisen-Manager Schnabl sieht diese Tendenz: „In einer Zeit der Unsicherheit ergeben sich allerdings immer gute Möglichkeiten, und meist bilden sich gerade dann Trends in den verschiedenen Anlageklassen heraus.“
„Wir sehen gerade jetzt mit einer sehr flexibel gestalteten Veranlagung Chancen, zu den Profiteuren der zukünftigen Entwicklung zu gehören“, propagiert auch Schnabl Mischfonds. Diese hätten sich bei vielen Privatanlegern als Basisinvestment etabliert.
Diese bestätigt Schützinger: „Immer mehr Investoren gehen dazu über, reine Anleihendepots in gemischte Mandate zu wechseln“; dies würde von den hauseigenen Volumenssteigerungen in diesem Bereich belegt: „Wir gehen davon aus, dass dieser Trend noch einige Zeit anhalten wird.”
Neue Produkte bei 3 Banken Invest, Kepler
„Anleger sind weiter gut beraten, einen aktiv verwalteten Mischfonds zu kaufen; Schwankungen sind Teil des Geschäfts“, meint auch Wögerbauer. Bei der 3 Banken Generali Invest ist ein Aktienprodukt in Planung, das neben soliden Dividenden auch den Nachhaltigkeitsbereich mit einschließt, verrät Wögerbauer.
Neues gibt es auch bei Kepler: „Wir bringen heuer noch einen neuen Fonds auf den Markt, der Kapitalerhalt und langfristiges Ertragspotenzial unter einen Hut bringen soll“, so Lassner-Klein. In einem breit gestreuten Multi-Asset-Portfolio werden die Gewichtungen der Anlageklassen – u.a. Staats- und Unternehmensanleihen, Bonds aus Emerging Markets, internationale Aktien, Rohstoffwerte – täglich angepasst. Die strategische Ausrichtung erfolge dabei mit 70% Anleihen und 30% Aktien/Rohstoffe „sehr sicherheitsorientiert“. Für das flexible Anlagemodell mit Risikoreduktion empfiehlt Lassner-Klein einen Anlagehorizont von mindestens fünf Jahren.
„Anleger in Fonds sind in der Regel mittel- bis langfristig positioniert“, meint Lassner-Klein. „Gerade in volatilen Marktphasen können breit über mehrere Anlageklassen gestreute Investmentfonds ihre Vorteile gegenüber Einzelinvestments voll ausspielen.“ Gemäß marktpsychologischer Aspekte, die bei Kepler integriert würden, hätten die Kurskapriolen, ausgehend von China, zuletzt zu einer sehr pessimistischen Marktstimmung geführt. Die beobachteten Indikatoren im Bereich der Behavioral Finance zeigten antizyklisch Kaufsignale – Kepler erhöht folglich in den Misch-Portfolios die Aktienquoten.
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