••• Von Reinhard Krémer
Der Super-GAU ist eingetreten – die Finanzmarktaufsicht (FMA) hat am Sonntag einen Schuldenschnitt für die Heta, die „Bad Bank” der Kärntner Hypo Alpe-Adria, publik gemacht, nachdem die Verhandlungen mit den Hypo-Anleihegläubigern endgültig gescheitert waren. Vorrangige Gläubiger verlieren jetzt 54%, nachrangige ihre gesamten Forderungen. Damit werden gleiche Bedingungen wie in einem Insolvenzverfahren hergestellt.
Kärnten muss jetzt mit 6,4 Mrd. € für das Hypo-Desaster geradestehen – um diesen Betrag fallen die Inhaber von Anleihen, für die das Land haftet, um. Am Zug sind jetzt die Zivilgerichte – und das kann für Kärnten richtig ins Geld und ans Eingemachte gehen. Eine Insolvenz des Bundeslandes könnte die Folge von erfolgreichen Klagen der Gläubiger sein, Pfändungen von Landesvermögen inklusive. Zum Vergleich: 6,4 Mrd. € an Haftungen steht ein Jahresbudget mit Gesamteinnahmen von 2,2 Mrd. € gegenüber.
Und auch wenn Landeshauptmann Peter Kaiser vor einiger Zeit im ORF quasi ein wortreiches Armutsgelübde ablegte und versuchte, Gläubigern und allfälligen Konkursverwertern weiszumachen, dass es im südlichsten Bundesland ohnehin nix zu holen gäbe, zeigt sich bei genauerem Hinsehen ein gänzlich anderes Bild.
„Ich habe dieses Interview (mit dem Kärntner Landeschef; Anm.) leider nicht gesehen. Man muss hier allerdings differenzieren: Einerseits liegt ein großer Anteil des Vermögens des Landes Kärnten in der Kärntner Landesholding und wird nicht direkt von Kärnten gehalten, was freilich nichts daran ändert, dass die Kärntner Landesholding zu 100% das Land Kärnten ist. So kann man allerdings formell etwas ‚schummeln' und sagen, dass das Land Kärnten doch nichts besitzen würde”, sagt der Wiener Verfassungsexperte Bernhard Müller.
Des Weiteren, so Müller, gibt es Meinungen von Rechtsexperten – insbesondere Professor Michael Potacs, der das Land Kärnten berät und praktisch alles außer das rein kommerzielle Landesvermögen von einer etwaigen Insolvenz ausgeschlossen, mithin der Befriedigung der Gläubiger entzogen sieht. „Potacs argumentiert etwa, dass Bundes- und Landesstraßen – ein Teil der Bundesstraßen sind nämlich aufgrund des Bundesstraßenübertragungsgesetzes 2004 mittlerweile eigentlich Landesstraßen, werden aber irreführenderweise weiter als Bundesstraßen bezeichnet – der Verwertung durch Gläubiger gänzlich entzogen wären, weil es einen gesetzlichen Auftrag gäbe, diese Straßen zu bauen und zu erhalten. So argumentiert Potacs darüber hinaus, dass eigentlich überall dort, wo es einen gesetzlichen Auftrag gibt, dass das Land Kärnten etwa eine Leistung erbringt beziehungsweise zur Verfügung stellt, eine Verwertung in der Insolvenz nicht möglich wäre”, sagt der Verfassungsexperte.
Alles außer Spitäler versteigert?
Blickt man auf die Beispiele von Gemeinden, wo es in den 1930er- Jahren einige gab, die in Konkurs gingen beziehungsweise einen Ausgleich schlossen, so zeigt sich ganz klar, dass das nicht der Fall ist, so Müller: „Nur im Bereich der Daseinsvorsorge unbedingt notwendige Einrichtungen wie Spitäler – die im Übrigen ja auch sondergesetzlich geschützt sind – fallen nicht in die Konkursmasse.
Das kann aber nicht für jedwedes andere Landesvermögen, wie etwa Landesmuseen, nur deshalb gelten, weil es sich hier um einen öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag des Landes Kärnten handelt. So wichtig die Kultur sein mag, kann das Land Kärnten eine solche Leistung eben nur dann erbringen, wenn es eine ausreichende budgetäre Bedeckung dafür hat.” Ist dies jedoch nicht vorhanden, dann gibt es eben keine Landesmuseen mehr oder sind sie an die privaten Betreiber gegen das Recht, Entgelt einzuheben, zu übertragen, meint Bernhard Müller: „Und wenn es um Immobilienvermögen geht, dann kann überhaupt kein Zweifel bestehen, dass hier eine sehr umfassende und weitreichende Verwertung möglich ist.
Es mag also politisch taktisch sinnvoll sein, Kärnten so darzustellen, dass es kein Vermögen hätte; dies entspricht allerdings nicht den Tatsachen, ist aber logisch nachvollziehbar. Und zwar deshalb, weil mittlerweile ja zwischen dem Land Kärnten beziehungsweise der Kärntner Landesholding und den Gläubigern Verhandlungen über eine ‚Quote', mithin eine teilweise Befriedigung, stattfinden. Hier ist es natürlich taktisch klar zu verstehen, dass das Land Kärnten behauptet, es wäre praktisch vermögenslos.”
Das Armutsgelübde zieht nicht
Insolvent ist Kärnten dann, wenn es faktisch seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann: „Dann würde das Gemeinwesen zusammenbrechen, außer die ‚normale' Insolvenzordnung oder ein mittlerweile geschaffenes Länderinsolvenzrecht würde eine geordnete Abwicklung des Landes ermöglichen. Selbstverständlich würde das Land Kärnten dabei als Bundesland bestehen bleiben”, sagt Müller.
Aber auch wenn es keine spezifischen Regelungen für den Fall einer Insolvenz Kärntens geben sollte, wird sich das Land im Falle einer faktischen Zahlungsunfähigkeit von seinen wesentlichen Vermögenswerten trennen müssen. „Die ‚Gretchenfrage' ist nur, welche Vermögenswerte Kärntens einer Exekution durch die Gläubiger zugänglich sind und damit in eine Insolvenzmasse fallen können, und welche eben nicht”, gibt der Verfassungsexperte zu bedenken.
Anders nämlich als für Gemeinden, bei denen es bereits Präzedenzfälle von Insolvenzen gibt, existiert keine spezifische gesetzliche Regelung für Bundesländer, die Vermögensgegenstände des Landes von Exekution und Insolvenz ausnimmt, weil sie dem Gemeinwesen beziehungsweise der Daseinsvorsorge gewidmet sind. „Klar ist es nur bei den Spitälern: Diese sind einer Verwertung durch die Gläubiger jedenfalls entzogen. Ähnliches wird allerdings auch für Schulen, Kindergärten und Dergleichen gelten. Auch hier sind sich die Experten relativ einig, dass die öffentliche Daseinsvorsorge im Falle einer Insolvenz Kärntens weiterlaufen muss”, bringt Bernhard Müller Licht ins juristische Dunkel.
Ins Museum zur Schuldentilgung
Gläubiger könnten jedenfalls im Falle einer Verwertung Kärntner Landesvermögens nach einem Konkurs sogar die Eintrittsgelder der Landesmuseen kassieren, ist der Verfassungsexperte sicher: „Ja, warum nicht? Landesmuseen erfüllen zwar einen öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag; anders als beispielsweise Spitäler sind sie allerdings nicht so unverzichtbar, dass sie im Falle einer Insolvenz Kärntens von vornherein nicht in die Insolvenzmasse einbezogen werden dürften.”
Realistischer ist allerdings, so Müller, dass das Land Kärnten bei öffentlichen Einrichtungen wie Museen zwar den Betrieb zurückfährt, aber eine gänzliche Verwertung zu verhindern trachten wird. „Etwa sollen jetzt schon Förderungen, insbesondere auch im Kulturbereich gestrichen werden, damit Geld für die Befriedigung der Gläubiger der Heta ‚freigeschaufelt' wird. Reicht ein rigoroses Sparprogramm nicht aus, dann ist nicht ausgeschlossen, dass auch die Landesmuseen ,unter den Hammer kommen´. So unverzichtbar sind sie nämlich jedenfalls nicht”, sagt der Jurist.
„Sparbüchse” Landesholding …
Interessant wird es bei den Immobilien – denn ein Gläubiger könnte auch Landesimmobilien versteigern lassen oder Miete vom Land für die Benützung kassieren: „Ja, selbstverständlich, hier gibt es einige Seegrundstücke”, erläutert Müller. „Hinsichtlich des Immobilienbesitzes des Landes Kärntens kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass dieser zur Befriedigung der Gläubiger der Heta herangezogen werden kann, sollte das Land Kärnten das Geld nicht anderweitig aufbringen.”
Experte Müller weiter: „Laut Medienberichten verfügt das Land Kärnten einschließlich des ‚mystischen' Zukunftsfonds – angeblich nur mehr 520 Millionen Euro; das ist das Geld aus dem Verkauf der Hypo Alpe Adria an die Bayern – über ein Vermögen im Ausmaß von rund 3,1 Mrd. Ein Großteil davon befindet sich in der sogenannten Kärntner Landesholding.
Die Immobilien befinden sich aber in der Landesimmobiliengesellschaft Kärnten GmbH; diese soll über 80 Objekte und rund 3,6 Mio. m² Flächen im Wert von 200 Mio. Euro, bei 164 Mio. Euro Schulden, besitzen. Selbstverständlich könnte man diese Liegenschaften verkaufen und teilweise zurückmieten oder -leasen, sofern das Land Kärnten dieser Liegenschaften unbedingt selbst zur Benützung bedarf. Gerade die Immobilien, insbesondere die Seegrundstücke, werden eines der ersten Objekte sein, das im Falle einer Insolvenz verwertet würde, weil dies verhältnismäßig einfach bewerkstelligbar ist.”
Das Kärntner Straßennetz ist eines der wertvollsten Assets des Landes Kärnten: „Es schlägt sich mit 2,43 Mrd. Euro zu Buche”, erläutert Bernhard Müller. „Schon schwieriger ist die Verwertung von Landesstraßen durch Gläubiger; eine Bemautung ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen.” Und wenn der FPÖ-Fraktionsführer im damaligen Hypo-U-Ausschuss, Elmar Podgorschek, volmundig verkündete: „Was will ein Gläubiger bei Kärnten machen? Wollen sie die Straßen pfänden?”, hat er die Tragweite des Problems wohl nicht erkannt.
Denn sogar Mautstellen könnten auf Landesstraßen errichtet werden, sagt der Jurist, aber: „Besonders wahrscheinlich ist dies nicht, weil sich das Gläubigerinteresse an Landesstraßen in Grenzen halten dürfte.”
… „Black-Box” Strom-Schachtel
Schwieriger wird es bei der Kelag: „Die Kelag selbst könnte an private Gläubiger auch im Falle einer Insolvenz des Landes Kärnten nicht verkauft werden, weil sie aufgrund eines Bundesverfassungsgesetzes – wie alle anderen Elektrizitätsgesellschaften auch – zu zumindest 51 Prozent im Eigentum des Bundes oder der Länder – zumindest indirekt – stehen muss”, erklärt der Verfassungsexperte. „Bei der Kelag ist sowieso schon aufgrund des gewählten ‚Schachtelmodells' fraglich, ob diese Vorgabe derzeit noch erfüllt wird.
Das ist natürlich insofern schmerzlich, als der 51prozentige Anteil des Landes Kärnten an der Kärntner Energieholding, die wiederum 51 Prozent an der Kelag besitzt, einen realen Wert von 1,75 Mrd. Euro haben soll.” Fazit: „Die Kelag beziehungsweise der Anteil des Landes Kärnten an der Kelag könnte freilich vom Bund oder von der Verbundgesellschaft oder anderen österreichischen Elektrizitätsunternehmen übernommen werden, um den Land Kärnten Liquidität zur Schuldentilgung zu verschaffen”, sagt Bernhard Müller.
Damit sind die Geldbeschaffungsvarianten auf dem Sektor Immobilien aber noch nicht erschöpft, denn: „Das Land Kärnten beziehungsweise die Kärntner Landesholding sind auch an einigen Skigebieten in Kärnten sowie Tourismuseinrichtungen beteiligt, welche selbstverständlich auch verwertet werden könnten”, zeigt Verfassungsexperte Bernhard Müller auf.
Jetzt sind, wie gesagt, die Gerichte am Wort, oder, wie es FMA-Chef Klaus Kumpfmüller in einem ORF-Gespräch formulierte: „Die Gläubiger werden nun zum Land Kärnten gehen und sagen: ‚Wir möchten gern unsere Haftungen eingelöst haben'. Das Land Kärnten hat jedenfalls selber im Jahr 2012 die Gültigkeit seiner Haftungen bestätigt und über Jahre hinweg auch Haftungsprovisionen kassiert; das macht die Gläubiger optimistisch, den Rechtsstreit für sich entscheiden zu können. Potenzielle Kläger, wie Banken und Versicherungen, die die Hypo-Anleihen mit Landeshaftung gekauft hatten, sitzen nicht nur im Ausland: „Wir bereiten nun rechtliche Schritte gegen Kärnten vor”, teilte der Bankvorstand der Hypo Vorarlberg mit, wo man ebenfalls auf die Haftung des Bundeslandes Kärnten beharrt.