••• Von Reinhard Krémer
Das Thema „Soziale Nachhaltigkeit” spielt eine zunehmend bedeutende Rolle in Österreichs Führungsebenen: Immerhin 29% der Führungskräfte halten es für sehr, weitere 41% für eher wichtig. Der Großteil ist somit mit einem Anteil von 70% der Meinung, dass Soziale Nachhaltigkeit für den weiteren Unternehmenserfolg essenziell ist. Nur fünf Prozent der Führungskräfte halten das Thema Soziale Nachhaltigkeit für überhaupt nicht wichtig, ein Fünftel weist ihm eine eher geringe Bedeutung zu.
Das sind Ergebnisse einer Studie von EY-Parthenon, der Strategieberatung von EY, für die im Herbst und Winter 2023 174 Führungskräfte aus österreichischen Organisationen des privaten und öffentlichen Sektors befragt wurden. Bei erst 18% der Organisationen ist das Thema Soziale Nachhaltigkeit bereits umfassend in die Organisationsstrategie integriert, bei 43% zumindest teilweise.
Aufholbedarf bei Strategie
Bleiben immerhin noch fast vier von zehn Unternehmen, bei denen das nicht der Fall ist – wobei knapp die Hälfte davon plant, Soziale Nachhaltigkeit in den nächsten zwei Jahren zum integrierten Bestandteil der Strategie zu machen. „Auch in der Organisationsstruktur ist Soziale Nachhaltigkeit noch nicht stringent abgebildet, zum weitaus größeren Teil gibt es in den Unternehmen noch keine klare Zuordnung der Verantwortung”, so Christina Gobin-Reider, Senior Consultant bei EY-Parthenon und Studienautorin.
Nur ein Viertel der Organisationen (23%) hat einen Nachhaltigkeitsverantwortlichen. Bei ebenso vielen Unternehmen (22%) werden die Agenden ressortübergreifend bearbeitet. Während in einigen Unternehmen Projektteams, bestimmte Abteilungen oder die Geschäftsführung zuständig sind, gibt es in 17% der Organisationen noch gar keine verantwortlichen Personen.
Das ist die Hauptzielgruppe
Der klare Fokus der Führungskräfte im Bereich Soziale Nachhaltigkeit liegt auf den eigenen Arbeitskräften, gefolgt von Arbeitskräften in der gesamten Wertschöpfungskette und Konsumenten.
Dementsprechend legen auch die gesetzten Maßnahmen der teilnehmenden Organisationen einen starken Schwerpunkt auf die eigenen Workforce: 78% haben bereits Maßnahmen für eine angemessene/flexible Arbeitszeit und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben umgesetzt.
Fast drei Viertel (73%) fördern die Gesundheit des Personals, etwa zwei Drittel (69%) setzen auf angemessene Löhne und Gehälter, und 63% konzentrieren sich auf Gleichbehandlung und Chancengleichheit.
Wo es weniger Impetus gibt
Stakeholder außerhalb der eigenen Workforce erhalten derzeit noch deutlich weniger Beachtung: Weniger als die Hälfte (45%) setzt Maßnahmen zur Sicherheit und Gesundheit von Endverbrauchern um, und nur einer von drei (34%) kümmert sich um angemessene Arbeitsbedingungen für Arbeitskräfte außerhalb des Unternehmens, aber innerhalb der Wertschöpfungskette. „ESG sieht aber eine Reihe weiterer Kriterien vor, die eindeutig bei österreichischen Unternehmen eine größere Beachtung verdienen, als sie derzeit haben – Stichwort Nicht-Diskriminierung und Zugang zu Produkten. Dazu zählen zum Beispiel die Berücksichtigung spezieller Rechte von betroffenen, indigenen Bevölkerungsgruppen, die Unterstützung der sozialen Eingliederung von Verbrauchenden, die Förderung der Diversität von Arbeitskräften in der Wertschöpfungskette und viele mehr”, so Johannes Zitterl, Senior Consultant bei EY-Parthenon.
Messbarkeit ausbaubar
Sowohl im Profit- als auch im Non-Profit-Bereich wird die Zielerreichung der gesetzten Maßnahmen in Sozialer Nachhaltigkeit nur teilweise gemessen. Insgesamt geben nur drei Prozent aller Befragten an, die Zielerreichung wirklich umfassend zu messen. Ein Viertel (26%) misst weitgehend, ein Drittel (34%) zumindest teilweise.
„Dort, wo die Messung von Maßnahmen leichter fällt, nämlich bei den eigenen Arbeitskräften, wird sie tendenziell auch stärker verfolgt”, erklärt Gobin-Reider. So messen 44% die angemessene/flexible Arbeitszeit und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.
Immerhin noch 39% sehen sich die Angemessenheit der Löhne und Gehälter sowie die Auswirkungen der Maßnahmen zur Förderung von Gesundheit und Sicherheit des Personals genau an. „Auch hier zeigt sich, dass externe Zielgruppen wie Endverbraucher weniger stark im Fokus stehen. Derzeit prüfen zum Beispiel nur 15 Prozent der österreichischen Organisationen genau, ob Maßnahmen für die Sicherheit und Gesundheit der Verbrauchenden bei der Nutzung der Produkte Früchte tragen.”
Größte Herausforderungen
Insgesamt halten österreichische Unternehmen und Organisationen gesetzliche Regularien, hohe Kosten bzw. fehlende Liquidität und das gegebene Angebot von zuliefernden Unternehmen für die größten Herausforderungen, um Soziale Nachhaltigkeit zielgerichtet umzusetzen. Jede zweite Führungskraft (49%) nennt zu viele, zu komplexe gesetzliche Vorgaben als größte Hürde, 39% geben hohe Kosten bzw. fehlende Liquidität als größte Schwierigkeit an.
Wo der Schuh drückt
Drei von zehn Organisationen (30%) nennen das Beschaffungswesen, insbesondere das Angebot von Zuliefernden, als Stolperstein. Etwa ein Viertel bezeichnet fehlende Information bzw. fehlendes Wissen in der Organisation und die Problematik der Vereinbarkeit Sozialer Nachhaltigkeit mit den unternehmerischen Zielen (beide 26%) als Hürde.
Fast die Hälfte der befragten Manager (48%) ist der Meinung, dass Kriterien der Sozialen Nachhaltigkeit im Vergaberecht (bei öffentlichen Projekten) künftig eine sehr große Rolle spielen werden, 37% sehen immerhin eine große Rolle bei der Auftragsvergabe.
Fast drei Viertel der Befragten (72 %) sind der Ansicht, dass Digitalisierung Soziale Nachhaltigkeit unterstützen kann – neun Prozent sehen darin sogar eine entscheidende Voraussetzung.