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Social ImpactZiel des Bonds: Gewaltbetroffene Frauen im Berufsleben unterstützen.

11.12.2015

Wundermittel Social Impact Bonds

Social Impact Bonds sind ein neuer Ansatz, privates Investieren und gesellschaftlichen Nutzen miteinander zu verknüpfen.

••• Von Michael Fembek

In der Zukunft werden Investoren nicht in Casino-Aktien investieren, sondern in Beschäftigungsmodelle für Ex-Häftlinge. In der Zukunft werden Erträge nicht aus noch tieferen Ölbohrungen sprudeln, sondern aus der Ausbildung von Migrantenkindern. In der Zukunft sind die neuen Jobs von gewaltbetroffenen Frauen der finanzielle Nährboden für Anleihen, die reale Erträge bringen, und nicht jene von To-Big-To-Fail-Banken.

Absurd? Nun, nicht ganz, immerhin glauben bereits so unterschiedlich tickende Entscheidungsträger wie Sozialminister Rudolf Hunds­torfer, Goldman Sachs-CEO Lloyd Blankfein und der britische Premier David Cameron daran und haben bereits erste Social Impact Bonds (SIB) umgesetzt.

Pay for Success

Die Kernfrage: Wie können sich „Investments” jemals rechnen, wenn es um die Ausbildung von sozial schwachen Jugendlichen geht oder um Jobs für Obdachlose oder Ex-Häftlinge? Die Antwort ist verblüffend einfach: Die Sozialminister dieser Welt ersparen sich viel Geld, wenn über soziale Innovationen schlagartig weniger Häftlinge rückfällig werden, oder weniger Jugendliche auf der Straße herumlungern und für Kriminalität anfällig werden.

Zu einem Investment-Modell wird es genau dann, wenn die Ersparnisse der Sozialminister auch messbar werden. Und auch das ist speziell bei Ausbildungs-, Betreuungs- und Jobprojekten nicht so schwer: Wenn 100 Jugendliche plötzlich nicht mehr Sozialhilfe kassieren, keine Mietzinsbeihilfe mehr, keine fruchtlosen Kurse der Arbeitsmarktförderung absitzen, keinen Bewährungshelfer mehr zur Verzweiflung bringen und keine Beschäftigungstherapie mehr in Anspruch nehmen, dann ist das eine reale Ersparnis für die Töpfe der Sozialminister dieser Welt. Und umgekehrt schafft man handfeste Einnahmen, in Form von 100 Steuerzahlern und ASVG-Beitragszahlern. Sozialinnovationen sind also gut, aber bei den Sozialministern dieser Welt derzeit trotzdem so beliebt wie Fußpilz: Gerade in dürren Zeiten wie diesen sind sie überhaupt nicht bereit, utopisch klingende Sozialexperimente zu finanzieren, die diverse Gutmenschen-Organisationen vorstellen. Und wenn es schief geht, haben es die Rechnungshöfe und Boulevardblätter schon immer gewusst, wie die Sozialminister das Geld ihrer Steuerzahler verschwenden.
Zur Auflösung dieses ansonsten unlösbaren Knotens kommt nun das neue Finanzierungsinstrument namens Social Impact Bond ins Spiel. Die Sozialminister dieser Welt nehmen sie zur Bezahlung eines neuartigen und interessanten Modells zur Bekämpfung eines altbekannten Problems auf (also Anleihe, oder auch einfach ein Kredit). Eines, das eine deutlich höhere Erfolgsrate verspricht, etwa die Rückfallrate von Ex-Häftlingen zu senken, oder die Zahl von Jobs für langzeitarbeitslose Jugendliche oder abgeschlossene Ausbildung für Migrantenkinder zu erhöhen.
Und der Hammer für die Sozialminister dieser Welt: Sie brauchen den Bond nur zurückzubezahlen, wenn das Projekt nachweislich erfolgreich ist, also die gesteckten Ziele auch erreicht hat. Meist ist das eine Mindestanzahl von Menschen, die tatsächlich einen ausreichend bezahlten Job gefunden oder eine Ausbildung abgeschlossen haben. Und wenn das Ziel erreicht ist, haben die Sozialminister die Kosten des Bonds längst eingespart.
Und sie haben überdies ein neues Modell, das sie im Land ausrollen können und im großen Stil soziale Probleme und damit auch die Kosten dafür schrumpfen lässt.

Made in England, wo sonst?

Ausgegangen sind die SIBs von England, wie nicht ganz anders zu erwarten, denn da trifft der größte und innovativste Finanzmarkt auf die größten sozialen Probleme in einem etablierten Industriestaaten Europa. Und hat noch dazu einen Premier David Cameron, der die staatlichen Sozialbudgets seit 2010 dramatisch schrumpfen ließ.

Im Gegenzug dazu förderte er mit dem Schlagwort „Big Society” das Engagement der Zivilgesellschaft. Von Big Society spricht heute niemand mehr, der Social Impact Bond ist aber geblieben: Beim überhaupt ersten SIB der Welt versprach die britische Regierung eine nennenswerte Rendite, falls ein neues Sozialprojekt es tatsächlich schafft, die Rückfallrate von entlassenen Strafgefangenen um zehn Prozent oder mehr zu senken.
In einem weiteren spektakulären Projekt zahlte Großbritannien eine Rendite von 6,5 Prozent, wenn eine Mindestzahl von obdachlosen „Rough Sleepers” über das neue Modell von „Navigators” wieder zu ganz normalen Wohnungsmietern gemacht werden; falls nicht, ist das eingesetzte Kapital weg.
Viele Investmentbanken sprangen bald auf diesen Zug auf, und in Großbritannien sind die SIBs nach 2010 aus dem Boden geschossen; Investoren sind natürlich nicht die Frauen und Männer auf der Straße, sondern kirchliche Institutionen, Stiftungen, Pensionskassen, Ethik-Banken und ähnliche sozial-ethisch orientierte Investoren.
Die Größe des Markt und sein Wachstum sind aber nicht zu unterschätzen, bedenkt man vor allem, wie neu dieser Ansatz ist. 45 SIBs gibt es nach Schätzungen derzeit weltweit, 30 davon in Großbritannien, aber auch in den USA, in Belgien, den Niederlanden und in Deutschland gibt es welche. Investmentbanken wie Goldman Sachs und Julius Bär sind aufgesprungen. Goldman Sachs hat beispielsweise einen SIB über 4,6 Millionen US-Dollar aufgelegt (die Hälfte davon von der Pritzker-Familie), um Slum-Kinder in Salt Lake City noch vor der Schulzeit zu betreuen.
Ganz unterschiedlich sind im derzeitigen Experimentierstadium die Renditen für die Hochrisiko-Anleihen: von stark kapitalmarkt­orientierten zehn Prozent runter bis stark ethisch motivierten 0,5 Prozent pro Jahr.

Der SIB des Sozialministers

Und nun gibt es seit Kurzem auch einen ersten österreichischen Social Impact Bond. Er wurde von der deutschen Benckiser Stiftung von Deutschland nach Österreich importiert, wo sie bereits vorher Pionierarbeit für Deutschland geleistet hatte.

Im August schloss die Benckiser-Stiftung-Tochter Juvat mit dem Sozialministerium einen Vertrag, nach dem die Juvat G.m.b.H. 800.000 Euro in die Ausbildung und Beschäftigung von Frauen in Oberösterreich investieren wird, die von häuslicher Gewalt betroffenen sind, also von ihren Männern geschlagen und misshandelt werden, oft in Gegenwart der Kinder. Die Frauen (geschätzt werden allein für Oberösterreich 1.700 Frauen und 1.600 mitbetroffene Kinder) leben häufig in Frauenhäusern, aber auch in Notunterkünften, bei Schwestern und Bekannten.
Mit den bestehenden Sozialmodellen werden die Frauen und Kinder zwar betreut, aber nicht darin unterstützt, den Weg heraus aus der Misere zu finden, was häufig dazu führt, dass es immer weiter nach unten geht. Versuche, wieder einzuziehen und es „doch noch einmal zu probieren”, machen die Verzweiflung und das Leid fast immer noch größer.

Existenzsicherung

Juvat organisiert nun völlig neue Wege in Richtung Ausbildung und Jobvermittlung von Frauen in Oberösterreich und hat das Mindestziel gesetzt, in drei Jahren mindestens 75 Frauen in Oberösterreich einen existenzsichernden Job geschaffen zu haben, die damit die Abwärtsspirale ein für alle Mal verlassen können.

Das Erreichen des Ziels wird vom Wirtschafts­treuhänder PWC unabhängig geprüft. Definiert ist ein genaues Mindesteinkommen, darunter zählt nicht. Selbst wenn es nur 74 Frauen sind, ist das Projektziel laut Vertrag nicht erreicht.
Die 800.000 Euro kommen aber zu mehr als 50 Prozent von österreichischen Privatstiftungen aus dem Kreis der „Sinnstifter”, unter anderem von der Erste Stiftung, der Schweig­hofer Privatstiftung oder der Familie Scheuch Privatstiftung, die dafür Kredite geben.

Ganz oder gar nicht

Nur wenn das Projekt erfolgreich ist und 75 Frauen oder mehr im Jahr 2018 einen vollwertigen Job haben, zahlt das Sozialministerium die Kredite zurück.

Das Sozialministerium und damit der Steuerzahler tragen damit kein Risiko: Werden 75 Frauen neu berufstätig, dann erspart sich die öffentliche Hand weit mehr als die 800.000 Euro in drei Jahren, die Ersparnisse in den Folgejahren und durch die Verbreiterung des Modells bei Erfolg noch gar nicht eingerechnet.
Und sind es weniger, kostet das dem Sozialministerium gar nichts. Mit diesem Modell will also endlich einmal einer nicht nur das Beste von uns Steuerzahlern.

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